Bundestagspräsidentin Bas

„Wenn wir neue Brennstäbe kaufen, laufen die Kernkraftwerke womöglich noch 20 Jahre“

02.01.2023
Lesedauer: 3 Minuten
Bärbel Bas (SPD) ist seit 2021 Präsidentin des Deutschen Bundestages Quelle: dpa/Britta Pedersen

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas fordert ein Ende der Debatte über eine weitere Verlängerung von AKW-Laufzeiten. Ein Festhalten an der Atomkraft würde die Transformation der Energiewirtschaft ausbremsen. Anderer Meinung ist die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat wiederkehrende Rufe der FDP und der Opposition nach längeren AKW-Laufzeiten kritisiert. „Machen wir uns nichts vor: Wenn wir jetzt neue Brennstäbe kaufen würden, laufen die alten Kernkraftwerke womöglich noch 20 Jahre. Die Risiken sind hoch, wie die massiven Probleme in Frankreich zeigen“, sagte Bas der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Wir sollten es definitiv bei der letzten Verlängerung bis April 2023 belassen, diese Debatte beenden und den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen.“

Die Energiewende sei viel zu lange blockiert worden, da sich Deutschland auf „billiges Gas und Öl“ aus Russland verlassen habe, sagte Bas. „Ein Festhalten an der Atomkraft würde die notwendige Transformation erneut ausbremsen.“ Zudem seien zahlreiche Probleme bis heute nicht gelöst, „allen voran der Atommüll, den niemand haben möchte“.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte Ende Dezember den auf Mitte April verschobenen Atomausstieg wieder infrage gestellt. „Der Strombedarf wird mit dem Hochlauf der Elektromobilität rapide steigen“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Bei der Stromproduktion dürfe es „keine Tabus geben, auch nicht bei den Atomlaufzeiten“. Die Äußerungen riefen Protest bei den Grünen hervor.

Wegen der Energiekrise war der eigentlich zum Jahreswechsel geplante Atomausstieg in Deutschland um dreieinhalb Monate auf Mitte April verschoben worden. Die Entscheidung traf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach langem Streit zwischen Grünen und FDP.

Aber nicht nur FDP und Opposition wollen über eine längere Laufzeit der Atomkraftwerke diskutieren, auch die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier plädiert für einen längeren Betrieb der drei Kraftwerke. „Inzwischen wissen wir: Der Winter 2023/2024 wird nicht unbedingt leichter“, sagte die Ökonomin von der US-Universität Berkeley dem „Handelsblatt“. „Deswegen gilt es, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, und da gehören die Atomkraftwerke dazu.“

Die Entscheidung müsse nun rasch getroffen werden, damit die Betreiber sich darauf vorbereiten und neue Brennstäbe beschaffen könnten. Den Kurs der Bundesregierung in der Atomfrage kritisierte Malmendier auch aus außenpolitischen Gründen: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe mit seiner späten Entscheidung, die Kraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 später abzuschalten, zugleich aber weiter Gas aus Russland zu beziehen, „in den USA für Verwirrung gesorgt“.

Malmendier ist seit diesem Sommer Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der die Bundesregierung in wirtschaftlichen Fragen berät.

„Forschung an Reaktortypen der vierten Generation deutlich verstärken“

Der Wirtschaftsrat der oppositionellen CDU forderte derweil, die Frage nach dem Abschalten der verbleibenden Kraftwerke von der Forschung an neuen nuklearen Technologien zu trennen. „Zwar läuft die Zeit klassischer Siedewasser- und Druckwasserreaktoren ab, aber die Forschung stellt inzwischen neue Wirkprinzipien und Reaktortypen vor, für die die bisherigen Pro- und Contra-Argumente nicht mehr gelten“, heißt es in einem Positionspapier des Gremiums, aus dem das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ am Montag zitierte.

„Mit dem beschlossenen Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie darf Deutschland keineswegs die Tür in der Forschung für diese Zukunftstechnologie schließen“, sagte Wirtschaftsrats-Generalsekretär Wolfgang Steiger dem „RND“. „Die Forschung an Reaktortypen der vierten Generation muss im Gegenteil deutlich verstärkt und von der öffentlichen Hand auch stärker finanziell unterstützt werden.“

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