Groß- und Außenhandel

Wenig Bestellungen, volle Lager – „Wir verspielen gerade unseren Wohlstand“

18.11.2023
Lesedauer: 3 Minuten
Quelle: Getty Images

Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass die Stimmung bei den Groß- und Außenhändlern so schlecht ist wie zu Beginn der Corona-Krise. Doch jetzt trüben Bürokratie und hohe Energiekosten die Aussichten zusätzlich. Auf den Staat allein dürfe man nicht bauen, warnt der BGA-Chef.

Groß- und Außenhandelsbetriebe sind so negativ gestimmt wie zuletzt zu Beginn der Corona-Pandemie. Das geht aus einer Mitgliederbefragung des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) hervor. „Unsere Umfrage zeigt, dass die Stimmung so schlecht ist wie die Lage. Wir sehen einen weiteren dramatischen Einbruch beim Geschäftsklima“, sagte BGA-Präsident Dirk Jandura WELT AM SONNTAG. „Es gibt eine große Verunsicherung im Markt, wir sehen eine Kaufzurückhaltung bei den Kunden, viele haben den rapiden Zinsanstieg noch nicht verkraftet, deshalb treten jetzt alle auf die Bremse.“

Die Großhändler würden derzeit deutlich weniger bestellen, weil die Lager voll seien. Hinzu kommen diverse Belastungen, Jandura nennt neben der hohen Inflation vor allem die Bürokratie: „Die bürokratischen Vorgaben durch das Lieferkettengesetz werden für kleine Unternehmen immer belastender, weil Großkunden sich mit Anforderungen überschlagen“, sagte der BGA-Präsident. „Die Kunden sind übervorsichtig, wie Regeln ausgelegt werden sollen und wollen sich absichern.“

Auch das Problem der hohen Energiekosten sei durch das Strompreispaket der Bundesregierung keineswegs gelöst. „Ich bin froh, dass die FDP verhindert hat, dass mit einem Industriestrompreis weitere massive Subventionen für einzelne Sektoren eingeführt wurden“, sagte Jandura. „Ein Industriestrompreis löst das Problem nicht, das kann man nur lösen, indem man das Energieangebot ausbaut. Wir haben jahrelang verschlafen, uns bei der Energieerzeugung breiter aufzustellen.“

Jandura befürchtet, dass weitere Entlastungen für Firmen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt kaum noch möglich sein werden. „Die Antwort auf die Entscheidung des Gerichtes darf keine Steuererhöhungen oder ein Aufweichen der Schuldenbremse sein“, forderte er. Man müsse Prioritäten setzen „und das bedeutet, wir müssen an den Sozialausgaben sparen und auch mal an die nächsten Generationen denken“.

Die Regierung lenke zudem „durch die Hintertüre den Handel von China weg“, kritisierte Jandura. Es gehe um kleine Dinge: „Da werden Visaerteilungen verzögert oder Exportkreditgarantien nicht bereitgestellt und die Messeförderung ersatzlos abgeschafft.“ Außerdem überfrachte die Regierung Verhandlungen zu Freihandelsabkommen mit ihren Werten. „Man muss auch mal mit 80-Prozent-Lösungen zufrieden sein, damit überhaupt ein Abkommen zustande kommen kann“, so Jandura.

Der BGA-Präsident sieht das Land in einer tief greifenden Krise: „Wir müssen als Gesellschaft begreifen, dass es kein anstrengungsloses Einkommen gibt“, sagte er. „Wir sind eine Vollkasko-Gesellschaft geworden, in der jeder darauf vertraut, dass der Staat es schon richten wird. Wir verspielen gerade unseren Wohlstand.“

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