Verkehrswende im Argen

Weltweit wackelt das Verbrenner-Aus – nur ein Land stellt die Weichen anders

24.02.2024
Lesedauer: 4 Minuten
Weltweit wackelt das Verbrenner-Aus - nur ein Land stellt die Weichen anders FOCUS online/Wochit

In die Diskussion um die Abkehr vom Verbrennermotor ist wieder Bewegung gekommen. Der Grund: Der Absatz von E-Autos lahmt, die Hersteller investieren lieber weiter in die fossile Technologie. Nur in China werden die Weichen anders gestellt.

Eigentlich schien alles klar. 2035 wollte die EU keine neuen Fahrzeuge mit Verbrenner-Motor mehr zulassen. Dem Klima zuliebe, der Erderwärmung zum Trotz. So sah es die Flottengesetzgebung der Kommission vor. Nur: Die Kommission hat die Möglichkeit, ihr Verbrenner-Aus 2026 noch einmal zu korrigieren. Und weil sich in vielen Ländern das Umweltbewusstsein geändert hat und Parlament und Kommission nach der Europawahl im Juni deutlich konservativer besetzt sein dürften als bisher, spricht manches dafür, dass die Grenzwerte vorläufig keine weiteren Verschärfungen erfahren. Im Gegenteil.

Schleichend haben sich in vielen Industrieländern Prioritäten verschoben, in Europa genauso wie in den USA oder Japan: Die Sorge vor steigenden Temperaturen und hohen CO₂-Konzentrationen hat sich verflüchtigt, Wohlstandssicherung, Komfort und Ängste vor einem Jobverlust haben zusätzliche Bedeutung erfahren. Überall stehen die einst ehrgeizigen Klimaziele auf dem Prüfstand, drängen erstarkende rechtskonservative, häufig auch rechtsnationale Parteien darauf, die beschlossenen Grenzwerte neu zu definieren. 

Mit Interesse beobachten auch Automanager und Betriebsräte die sich wandelnde Stimmung, schöpfen Hoffnung, auf Basis der alten Geschäftsmodelle doch noch einige Zeit Geld zu verdienen. Dass sich die Grünen einer massiven Anti-Stimmung erwehren müssen, kommt nicht von ungefähr. Überall sehen sich ökologisch orientierte Parteien und Umweltverbände, vor kurzem noch Meinungsführer beim Thema, in der Defensive.

Verbrenner-Aus wird zum Wahlkampfthema

In Deutschland haben nicht nur die AfD, sondern auch CDU und CSU bereits angekündigt, ihr Veto gegen das Verbrenner-Aus im Europawahlkampf zu einem der zentralen Themen auszurufen. Nach Informationen von Table.Media wird auch in den Zentralen wichtiger deutscher Zuliefererfirmen die Kommunikationsstrategie überdacht. In der politischen Abteilung eines großen deutschen Zulieferers heißt es ganz offen „Die Zulieferer würden sich freuen, wenn das Verbrenner-Aus gekippt würde.“ Auch bei den Herstellern, obwohl sie bereits viele Milliarden in die Elektromobilität investiert haben, gibt es Anzeichen für ein Umdenken.

Mercedes-Chef Ola Källenius schwächte jüngst das Ziel ab, ab 2030 „überall dort, wo es die Marktlage zulässt“, vollelektrisch zu werden. Auch deutlich nach 2030 könnten Kunden „selbstverständlich“ Verbrenner von Mercedes kaufen. BMW-Chef Oliver Zipse hat schon immer Technologieneutralität gefordert. Porsche wird nächste Woche einen neuen Acht-Zylinder-Motor vorstellen, Mercedes entwickelt derzeit zusammen mit chinesischen Partnern einen neuen Vier-Zylinder-Motor für einen Pkw, und auch Renault hat seine Verbrennertechnologie in ein Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischen Partnern eingebracht. 

Auch in den USA hat Präsident Joe Biden seine klimapolitischen Ziele neu definiert. Einst wollten die Amerikaner die strengsten Abgasregeln aller Zeiten einführen. So hatte es zumindest die Umweltbehörde EPA geplant. Nun sollen die Abgasgrenzwerte der Verbrenner bis 2030 spürbar weniger sinken als ursprünglich vorgesehen, wie die New York Times berichtet. Und das trotz milliardenschwerer Subventionen für grüne Technologien. Auch Biden kommt damit der Automobilindustrie entgegen, die unter einer geringen Nachfrage nach E-Mobilen leidet. Die Nachfrage wächst deutlich langsamer als einst erwartet, aus Sicht der Autohändler vor allem wegen fehlender Ladesäulen und hoher Kaufpreise. Und natürlich denkt der Präsident auch an seine Wählerstimmen im November: Die mächtige Autogewerkschaft warnt deutlich vor einem massiven Stellenabbau wegen der vermeintlich weniger arbeitsintensiven Elektromobilität. 

China sieht seine Chance in der Elektromobilität

Anders in China, wo die Autobauer mit großem Selbstbewusstsein ihrer eigenen Logik folgen. Im Januar 2024 fiel ein Drittel aller verkauften Autos in die Kategorie New Energy Vehicles . Schon jetzt übertreffen die Chinesen die selbst gesetzten Zielvorgaben um mehrere Jahre. Einzelne Provinzen, wie etwa Hainan, wollen den Verkauf von Verbrennern bereits 2030 untersagen. Dahinter verbirgt sich auch ein industriepolitisches Konzept. Weil Deutsche und Japaner beim Verbrenner im Vorteil sind, bemüht sich China, auf dem Feld der Elektromobilität Vorsprünge zu erzielen. Aus dieser Position heraus wollen die chinesischen Anbieter dann den Weltmarkt aufrollen. Was die Gefahr mit sich bringt, dass sie auch den europäischen Markt mit günstigen Angeboten überschwemmen. Schon denkt die EU über Zölle nach. 

E-Fuels kommen in den chinesischen Strategien nicht vor. Schwere Laster und Züge sollen vielmehr mit Wasserstoff rollen, schon jetzt ist China der weltweit größte Produzent von Wasserstoff. Ob sich das neue deutsche und europäische Credo vom Festhalten am Verbrenner und an der Technologieoffenheit gegen diese Marktwucht behaupten kann, wird sich wohl schon in naher Zukunft entscheiden. Für die Manager des größten Automarkts der Welt ist die Lage jedenfalls klar: Über Erfolg oder Misserfolg wird aus Chinas Sicht nicht die Qualität von Verbrennermotoren, sondern allein das Angebot an hochwertigen E-Autos entscheiden.

Das Original zu diesem Beitrag „Weltweit wackelt das Verbrenner-Aus – nur ein Land stellt die Weichen anders“ stammt von Table.Media.

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