Die Konjunkturflaute in Deutschland spürte der Arbeitsmarkt bislang kaum, möchte man meinen. Doch die ersten Omen werden sichtbar. Zum Beispiel, dass es nun sogar für Informatiker schwierig wird, einen Job zu finden.
Jahrelang galt: Wer mit Computern kann, kann sich vor Jobangeboten kaum retten. Das ist mittlerweile anders, wie die „WirtschaftsWoche“ jüngst berichtete. 2023 stieg die Zahl arbeitsloser IT-Kräfte um satte 22 Prozent. Gleichzeitig sank die Zahl freier Stellen um neun Prozent, schrieb das Wirtschaftsmagazin unter Verweis auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit.
Andere Zahlen zeigen einen noch dramatischeren Einbruch. Einer Datenauswertung der Personalberatung Textkernel zufolge, die der „WirtschaftsWoche“ vorliegt, sank die Zahl freier IT-Stellen sogar um 16 Prozent gegenüber 2022. In besagtem Jahr erreichte die Zahl offener Stellen mit 1,6 Millionen aber auch einen Rekord.
„Auch der Abbau von Arbeitsplätzen ist nicht mehr ausgeschlossen“
Dennoch: Wenn selbst diese Fachkräfte nicht mehr gesucht sind, ist das kein gutes Zeichen für den Rest der Arbeitnehmer. Das unterstreicht das jüngste ifo-Beschäftigungsbarometer. Für den Monat Februar sank der Indikator auf nur noch 94,9 Punkte, der niedrigste Wert seit Anfang 2021. Im Januar betrug der Wert 95,5 Punkte.
Der Indikator basiert auf einer monatlichen Umfrage unter rund 9500 Unternehmen. Dabei werden die Unternehmen gebeten, Auskunft über die Beschäftigtenplanungen der nächsten drei Monate zu geben. Und zumindest für diesen Zeitraum sieht es den jüngsten Daten zufolge für Bewerber nicht gut aus.
„Die wirtschaftlich flaue Entwicklung lässt die Unternehmen bei Neueinstellungen zögern“, kommentiert der Ökonom Klaus Wohlrabe die jüngsten Zahlen. Wohlrabe verantwortet beim Ifo-Institut die Konjunkturbefragungen.
Er wird noch deutlicher: „Auch der Abbau von Arbeitsplätzen ist nicht mehr ausgeschlossen.“ In der Industrie stünden die Zeichen auf Personalabbau, aber auch in anderen Branchen, wie dem Baugewerbe und dem Handel. Dort sei „die schwache Konsumentwicklung vor allem für den stationären Einzelhandel ein Problem“.
Wenig betroffen wäre die Dienstleistungsbranche, in der sich die „Einstellungsdynamik“ deutlich abgeschwächt habe. Anders als im Bericht der „WirtschaftsWoche“ sieht das ifo-Institut weiter eine „ungebrochene Bereitschaft, IT-Dienstleister und Berater einzustellen“.
Die Arbeitslosenquote klettert langsam aufwärts
In jedem Fall aber stellt sich angesichts dieser Daten – und dem Abbau Tausender Stellen bei einigen prominenten Konzernen wie BASF , VW oder ZF – die Frage, ob nun der Arbeitsmarkt dran ist. Die Daten deuten zumindest einen Trend an.
Zwar lobte Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, den soliden Arbeitsmarkt zuletzt noch. „Der alljährliche Anstieg der Arbeitslosigkeit zum Jahreswechsel fällt in diesem Jahr geringer aus. Auch die Beschäftigung und Arbeitskräftenachfrage zeigen sich konstant, sodass sich der Arbeitsmarkt zu Jahresbeginn trotz der anhaltenden Wirtschaftsschwäche stabil zeigt“, so Nahles bei der Vorlage des Monatsberichts für den Januar.
Doch die Zahlen steigen. Gegenüber dem Vorjahr gab es in Deutschland mit gut 2,8 Millionen Arbeitslosen 189.000 Erwerbssuchende mehr. Die Quote stieg zum Dezember um 0,4 Prozentpunkte auf 6,1 Prozent. Damit lag die Quote so hoch wie zuletzt im März 2021. Zwischenzeitlich, im Mai 2022, war sie sogar unter die Fünf-Prozent-Marke gefallen.
Und während die Quote steigt, stagniert die Nachfrage nach Arbeitskräften, wie der Stellenindex Ba-X der Bundesagentur zeigt. Dieser notierte im Januar zum Vormonat unverändert bei 116 Punkten, aber deutliche elf Punkte unter dem Vorjahresmonat. Das letzte Hoch erreichte der BA-X im Mai 2022 bei 138 Punkten, also genau zu dem Zeitpunkt, als die Arbeitslosigkeit zuletzt besonders niedrig war.
„In der Mehrzahl der Wirtschaftszweige ist die gemeldete Arbeitskräftenachfrage im Vergleich zum Vorjahresmonat gesunken und zwar zu einem großen Teil in zweistelliger prozentualer Höhe“, so die Bundesagentur mit Blick auf den Index. Vor allem im Gastgewerbe, der Zeitarbeit, in Verkehr und Logistik seien die Rückgänge groß, aber auch in der IT-Branche. Mehr freie Stellen gäbe es indes nur bei Unternehmensdienstleistungen und dem Öffentlichen Dienst.
Im europäischen Vergleich steht Deutschland noch gut da
Im europäischen Vergleich steht Deutschlands Arbeitsmarkt indes noch besser da. Die von Eurostat vermeldete Erwerbslosenquote belief sich im Dezember auf 2,9 Prozent – weit unter dem EU-27-Schnitt von 5,8 Prozent. Generell wies die deutsche Erwerbslosenquote zuletzt praktisch keine Schwankungen auf und pendelte eng um die Marke von 3,0 Prozent.
Unterdessen fallen Länder wie Griechenland, Spanien und Frankreich mit Quoten von 8,9 Prozent, 11,6 Prozent und 7,4 Prozent mit einer deutlich höheren Arbeitslosigkeit auf. Allerdings sind diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen. So fällt sofort auf, dass die Eurostat-Arbeitslosenquote nicht einmal halb so groß ist wie die nationale Quote.
Das liegt an unterschiedlichen Zählweisen. International gilt die Methode der UN-Behörde ILO (Internationale Arbeitsorganisation) – hier werden, kurz gesagt, alle 15- bis 17-jährigen arbeitsfähigen Personen erfasst, die keine Arbeit haben, aber aktiv danach suchen. Dieser Wert wird über Stichproben ermittelt.
Die Bundesagentur für Arbeit greift indes auf interne Daten zurück, und zählt zu den Arbeitslosen beispielsweise auch diejenigen, die weniger als 15 Wochenstunden arbeiten, aber gerne mehr arbeiten würden. Gemäß ILO-Definition gelten Personen, die auch nur eine einzige Stunde in der Woche erwerbstätig waren, schon nicht mehr als erwerbslos.
Darum fällt die nationale Quote in der Regel höher aus als die Eurostat-Erwerbslosenquote. Angesichts der Preissteigerungen der vergangenen Monate ist zudem derzeit gut denkbar, dass viele Bundesbürger mit geringfügiger Beschäftigung oder Mini-Job gerne mehr arbeiten würden, um über die Runden zu kommen. Das wäre zumindest eine Erklärung dafür, dass die Arbeitslosenquote steigt, während die ILO-gemäße Quote auf der Stelle tritt.
Gut sind die Aussichten dieser Personen jedoch nicht, wie das ifo-Beschäftigungsbarometer und der Stellenindex BA-X zeigen. Die Einschätzung von ifo-Ökonom Wohlrabe legt zudem die Vermutung nahe, dass die jüngst angekündigten Stellenabbau-Programme nicht die letzten gewesen sein dürften, die in nächster Zeit auf Arbeitnehmer zukommen.