In der Tesla-Fabrik Grünheide steht die Produktion weiter still. Welche Folgen hatte der jüngste Brandanschlag auf einen Strommast? Warum ist das Werk so umstritten? Wie wichtig ist Grünheide für den US-Konzern?
Wie ist die Lage nach dem Brandanschlag?
Am vergangenen Dienstag hatten Unbekannte einen Brandanschlag auf einen Strommast verübt, was am zum Ausfall der Produktion im Tesla-Werk führte. Ein Bekennerschreiben der linksextremen „Vulkangruppe“ stufen die Behörden als echt ein. Tesla kündigte zuletzt an, die Fertigung in Grünheide werde voraussichtlich noch bis Ende kommender Woche ruhen.
Zunächst nahm die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) Ermittlungen wegen verfassungsfeindlicher Sabotage, Störung öffentlicher Betriebe und Brandstiftung auf. Inzwischen hat der Generalbundesanwalt das Verfahren an sich gezogen. Es bestehe unter anderem der Anfangsverdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.
Welche Reaktionen hat es darauf gegeben?
Politiker haben den Anschlag scharf kritisiert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach sich für ein hartes Durchgreifen gegen Linksextremisten aus. Tesla-Chef Elon Musk nannte die Täter „entweder die dümmsten Ökoterroristen der Welt“ oder „Marionetten derer, die keine guten Umweltziele haben“. Auch Umweltaktivisten haben sich von dem Anschlag klar distanziert. So sagte Heidemarie Schroeder von der Wassertafel Berlin-Brandenburg der Berliner Zeitung, eine gewaltsame Reaktion auf den Streit über die Tesla-Fabrik sei „das Falscheste, was gemacht werden kann“.
Nach Angaben des Stromnetzbetreibers Edis wurden die Sicherheitsvorkehrungen am Gelände um den beschädigten Strommast erhöht. Das Gebiet werde umzäunt, sodass nur noch Fachpersonal Zutritt habe. Vorgesehen seien zudem der Einsatz eines Sicherheitsdienstes und eine durchgängige Polizei-Streife, so das Energieunternehmen.
Warum ist der Schaden für Tesla so hoch?
Tesla-Werksleiter Andre Thierig sprach von einem wirtschaftlicher Schaden „im hohen neunstelligen Bereich“ durch den Stopp der Produktion. Pro Tag könne das Unternehmen nun mehr als 1.000 Fahrzeuge nicht produzieren. Der Hersteller verkauft die Modelle ab einem Preis von ungefähr 45.000 Euro.
Aber nicht nur der Umsatz-Ausfall durch nicht hergestellte Elektroautos belastet den Hersteller. Branchenexperten halten den Produktions-Ausfall vor allem im Rohbau für problematisch. Möglicherweise müsse Tesla zahlreiche Karosserien verschrotten, die bei der Lackierung oder im Korrosionsschutzbad steckengeblieben seien. Nach einem Stromausfall müssen zudem Roboter in der Fertigung wieder komplett neu in Position gebracht werden.
Wie wichtig ist Grünheide für den US-Konzern?
Seit März 2022 produziert Tesla in Grünheide Elektroautos für den europäischen Markt. Das dortige Werk ist die erste Tesla-Fabrik in Europa und war schon zu Zeiten der Planung heftig umstritten.
Als vierte von bislang insgesamt fünf „Gigafactories“ von Tesla hat Grünheide im vergangenen Jahr mit rund 11.000 Beschäftigten schätzungsweise gut 200.000 Fahrzeuge des kompakten Model Y gefertigt. Damit lag die E-Auto-Produktion noch knapp unter der des Volkswagen-Werks in Zwickau, aber deutlich über der des Leipziger BMW-Werks.
Angesichts eines Tesla-Gesamtabsatzes von 1,8 Millionen reinen E-Autos 2023 nimmt der Standort im Produktionsnetzwerk des Konzerns bereits eine bedeutende Stellung ein. Nach bisheriger Planung soll in dem Werk künftig auch das Model 3 gebaut werden.
Die bisherige Gesamtkapazität des Standorts, dessen Errichtung bisher rund 5,8 Milliarden Euro gekostet hat, wurde zuletzt auf etwa 500.000 Fahrzeuge geschätzt. Laut Tesla soll eine weitere Expansion des Werks perspektivisch eine Kapazität von einer Million E-Autos pro Jahr ermöglichen. Aktuell scheint aber vor allem der Fachkräftemangel eine Ausweitung der Produktion zu bremsen.
Vom ursprünglichen Plan, in Grünheide auch komplette Batterien zu produzieren, hat Tesla im vergangenen Jahr Abstand genommen, offenbar auch wegen der Kritik am enormen Wasserbedarf der Batteriefertigung.
Welche Konflikte gibt es in Umweltfragen?
Seit Beginn der Planungen Ende 2019 haben Umwelt- und Naturschützer erhebliche Bedenken gegen die Errichtung der Großfabrik geäußert. Zum einen wurde die erforderliche Rodung des Kiefernwaldes für das bisher 300 Hektar große Werksgelände kritisiert. Die gerodete Fläche soll durch Wiederaufforstungen an anderer Stelle kompensiert werden, was allerdings Jahrzehnte in Anspruch nimmt.
Die größten Risiken sehen die Kritiker aber im Wasserverbrauch der Gigafactory, zumal ein Teil des Fabrikgeländes in einem Wasserschutzgebiet liegt. Das Werk belaste das Grundwasser und gefährde die Trinkwasserversorgung, so die Befürchtungen. Tesla reduzierte daraufhin den prognostizierten Wasserverbrauch der ersten Ausbaustufe von maximal 3,3 Millionen auf rund 1,4 Millionen Kubikmeter im Jahr. Die Auswirkungen auf die Wasserversorgung bleiben derweil auch unter Fachleuten umstritten.
Zuletzt protestierten Dutzende Umweltaktivisten in einem nahen Waldstück gegen den geplanten Ausbau des Standorts um 120 Hektar.
Welche Konflikte gibt es in Arbeitsfragen?
Grundsätzlich liegt Tesla in Deutschland mit der Gewerkschaft IG Metall im Clinch, weil das Unternehmen eine Tarifbindung ablehnt und über die Wahl der Rechtsform einer Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea, SE) bisher eine Mitbestimmung des Betriebsrats nach deutschem Recht vermeiden konnte.
Im Herbst hatte außerdem ein Medienbericht über auffallend viele Arbeitsunfälle bei den im Drei-Schicht-Betrieb tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Furore gesorgt. Tesla wies dagegen die Vorwürfe der IG Metall, in Grünheide gebe es einen mangelnden Arbeitsschutz, als unzutreffend zurück.
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Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 08. März 2024 um 13:11 Uhr.