Streit um Verbrenner-Aus:

„Verbot schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland“

22.08.2024
Lesedauer: 5 Minuten
© dpa/Bernd von Jutrczenka

Wenn es nach dem Willen von Union und FDP geht, soll das ab dem Jahr 2035 geplante Aus für Verbrennermotoren zurückgenommen werden. Das Verbot der Technologie sei „Gift“, sagt Unions-Parlamentsgeschäftsführer Frei.

Wackelt das von der EU beschlossene Verbrenner-Aus für Neuwagen ab dem Jahr 2035 wieder? Wenn es nach der Union und der FDP geht, muss die EU-Politik in diesem Punkt neu justiert werden. „Das Verbrenner-Verbot schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland und verengt die Optionen für mehr Klimaschutz im Verkehr“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, dem Tagesspiegel. „Das Verbot muss deshalb zurückgenommen werden“, sagte der CDU-Politiker weiter.

Bereits vor der Europawahl hatte die CDU-Parteiführung eine parteiinterne Online-Umfrage gestartet, um sich Rückendeckung für die Forderung einer Rücknahme des Verbrenner-Verbots zu holen. Doch die Abstimmung musste abgebrochen werden, weil sie von Unions-Gegnern gekapert wurde.

Doch damit ist die Sache für CDU und CSU noch keineswegs vom Tisch. Anstelle des Verbrenner-Verbots sei der richtige Weg für mehr Klimaschutz im Straßenverkehr „eine konsequente CO₂ -Bepreisung und ein technologieoffener Ansatz“, sagte Frei. Durch die CO₂ -Bepreisung fossiler Brennstoffe wird das Tanken seit 2021 grundsätzlich schrittweise teurer. „Für ein innovationsstarkes Land wie Deutschland ist das Verbot der Verbrenner-Technologie Gift und industriepolitisch unverantwortlich“, so Frei.

Nach den Worten des CDU-Politikers müssen „alle technischen Möglichkeiten für alternative klimafreundliche Antriebe und Kraftstoffe genutzt werden können“. Dazu gehöre „selbstverständlich die Elektromobilität, aber eben auch E-Fuels, Wasserstoff, abfallbasierte Biokraftstoffe und nachhaltig zertifizierte Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse“. E-Fuels könnten „sehr viel CO₂ einsparen“ und seien „ein wichtiger Beitrag hin zu einer CO₂-Kreislaufwirtschaft“, sagte Frei weiter.

Von der Leyen ist auch wieder offen für Verbrennermotoren

Im vergangenen Jahr hatte die EU ein Verkaufsverbot ab 2035 für Neuwagen beschlossen, die mit Benzin oder Diesel fahren. Allerdings hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen diese Forderung inzwischen zurückgenommen. Bevor die CDU-Politikerin im Juli von einer Mehrheit des Europaparlaments wiedergewählt wurde, veröffentlichte sie ihre politischen Leitlinien für die nächste Legislaturperiode. Darin zeigte sie sich offen für die Option, dass Verbrennermotoren möglicherweise auch über das Jahr 2035 hinaus mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden können, den sogenannten E-Fuels. Vor allem Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte zuvor innerhalb der Bundesregierung auf eine entsprechende Ausnahme gedrängt.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigt sich wieder offen für die Verwendung von E-Fuels in Verbrennermotoren. 
© dpa/Aurelien Morissard

Wie ein Kommissionsprecher bestätigte, steht für 2026 eine Überprüfung des EU-Gesetzes an, welches das Verbrenner-Aus regelt. Bei dieser Revision könnte im Detail geklärt werden, wie die Ausnahmen für Verbrenner mit E-Fuels umsetzbar wären.

Doch der FDP reicht die Aussicht auf die Überprüfung im übernächsten Jahr nicht. In der Zwischenzeit sind die Liberalen erneut auf Konfrontationskurs mit der EU-Kommission gegangen. Darin geht es um ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), das sich um die Einhaltung von Schadstoffgrenzen bei Dieselfahrzeugen dreht.

Der FDP-Europaabgeordnete Jan-Christoph Oetjen hat eine so genannte „Anfrage mit Dringlichkeit“ an Kommissionschefin von der Leyen gestellt, die innerhalb von drei Wochen von der CDU-Politikerin beantwortet werden muss. In seiner Anfrage verlangt Oetjen eine Klarstellung von der EU-Kommission, dass deren Positionierung im Gerichtsverfahren nicht auf ein Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge hinausläuft.

„Für viele Menschen ist das Auto keine Frage des Luxus, sondern essenziell für den Lebensunterhalt.“

Bernd Reuther, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion

„Die aktuellen Pläne der EU-Kommission und von Frau Von der Leyen würden Millionen Diesel-Autos noch in diesem Jahr stilllegen und vor allem Pendlerinnen und Pendler sowie den Mittelstand hart treffen“, sagte Bernd Reuther, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel. Für viele Menschen sei das Auto „keine Frage des Luxus, sondern essenziell für den Lebensunterhalt“, fügte er hinzu.

Verbrenner nach 2035 – aber nur mit E-Fuels

Reuther forderte „pragmatische Lösungen, die Mobilität erhalten und den Klimaschutz realistisch gestalten“. Dies bedeute, dass der Verbrenner auch nach 2035 zugelassen werden müsse, wenn er mit klimaneutralen E-Fuels betrieben werde. „Wir fordern eine zeitnahe Klarstellung seitens der EU-Kommission, denn die Menschen in diesem Land verdienen Planbarkeit und Sicherheit für ihre Zukunft“, sagte der FDP-Verkehrspolitiker weiter.

Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Stefan Gelbhaar, ist skeptisch, ob E-Fuels den Bedarf decken können. 
© Promo

In der Koalition ist die Forderung nach einer Aufweichung des beschlossenen Verbrenner-Verbots allerdings umstritten. „Der Kompromiss zum Verbrenner 2035 steht“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Stefan Gelbhaar.

Dies sei auch notwendig, zumal die Fahrzeugindustrie bereits Milliarden Euro im Vertrauen auf die Regelung in neue elektrische Fahrzeugtypen investiert habe. „Es geht dabei um nicht weniger als die Technologieführerschaft, um Wertschöpfung vor Ort und natürlich um bessere Luft“, so Gelbhaar.

Mit Blick auf die von den Liberalen ins Spiel gebrachten synthetischen Kraftstoffe merkte der Grünen-Politiker an: „E-Fuels werden ebenso händeringend benötigt und sind weiterhin nicht verfügbar.“ Hier stehe vom Verkehrsministerium der Nachweis aus, „dass diese Kraftstoffe in absehbarer Zeit wenigstens die Bedarfe aus Flug- und Schiffsverkehr sowie der Fahrzeugbestandsflotten ansatzweise decken können“, gab Gelbhaar zu bedenken.

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