Zahlreiche Kunden der Stadtwerke München sind wütend. Die Preise sind enorm gestiegen. Im Interview stellt sich der SWM-Chef nun der Kritik.
München – Die Stadtwerke München werden ihre Strompreise zum neuen Jahr mehr als verdoppeln – trotz umfassender eigener Stromerzeugungskapazitäten. Viele Münchner haben Fragen. Florian Bieberbach, Chef der Stadtwerke, stellt sich ihnen im Interview mit dem Münchner Merkur.
Herr Bieberbach, viele Menschen sind sauer: Die Stadtwerke München werben schon lange mit Strom aus grünen Kraftwerken, erhöhen jetzt aber die Preise, als käme er aus Gas.
Auch wir bekommen viele Zuschriften – und haben tatsächlich Probleme zu erklären, wie die Energiemärkte – und staatliche Eingriffe – in der Realität funktionieren.
Mit Ihrem Kraftwerkspark erzeugen Sie mehr Ökostrom, als Ihre Kunden verbrauchen können. Warum verdoppeln Sie dann Ihre Preise?
Im heutigen Strommarkt sind die Erzeugung von Strom und der Vertrieb an Kunden grundsätzlich getrennte Geschäfte. Dazu kommt, dass wir den Ökostrom aus unseren Anlagen nach deutschem Recht noch nicht als Ökostrom an unseren Vertrieb verkaufen dürfen. Deshalb verkaufen wir den Strom, den wir erzeugen, und kaufen den Strom für unsere Kunden großteils an der Börse. Dort bestimmt der Gaspreis, was der Strom kostet – deshalb sind die Preise an der Börse in den vergangen zwei Jahren förmlich explodiert.
Woran auch Sie als Erzeuger 2021 und 2022 viel Geld verdienen konnten. Warum nutzen Sie die Gewinne nicht?
Wir haben nur zum Teil von den hohen Gewinnen profitiert, weil wir unsere Ökostromerzeugung bis zu drei Jahre im Voraus verkaufen, um die Anlagen solide zu finanzieren. Wir gehen aber davon aus, dass wir dieses Jahr trotzdem einen deutlichen Zusatzerlös sehen werden. Seit Dezember greift allerdings die 90 Prozent-Abschöpfung durch den Staat.
SWM: Ab April können die Preise wieder gesenkt werden
Was machen Sie mit dem übrigen Geld?
Wir haben zwei Entscheidungen getroffen: Zum einen wollten wir es nicht als Gewinn ausweisen, sondern an die Kunden weitergeben. Weil in München aber viele wohlhabende Menschen leben, haben wir 20 Millionen in unseren Wärmefonds gesteckt, der Geringverdiener unterstützt. So kommt nicht wenig bei allen an, sondern viel bei denen, die es brauchen. Weitere zehn Millionen sind in den Fernwärmefonds gegangen, um die Umstellung von Gas auf Fernwärme zu beschleunigen.
Jetzt senken Sie aber ab April die Preise wieder. War der Leidensdruck wirklich so hoch?
Das liegt daran, dass die Regierung jetzt nicht die Mehrerlöse ab September, sondern erst ab Dezember 2022 abschöpft. Mit den Gewinnen können wir die Preise wieder um gut zehn Cent senken.
Wie viel Geld wird denn abgeschöpft?
Wir gehen davon aus, dass wir allein im Jahr 2023 rund 330 Millionen Euro für die Finanzierung der Strompreisbremse an den Bund abgeben müssen.
SMW-Chef: „Jetzt, wo wir richtig Geld verdient hätten, wird es uns weggenommen“
Also finanziert der Staat mit Ihren Gewinnen die Strompreisbremse?
Genau. Aus PR-Sicht ist das natürlich ein Desaster: Wir müssen die Preise erhöhen, die der Staat dann deckelt – mit unserem Geld.
Sie haben schon früh investiert, andere haben sich auf die großen Erzeuger verlassen. Scheint, als hätte es sich nicht gelohnt.
Es ist schon bitter, weil wir mit unseren Beteiligungen in erneuerbaren Energien finanziell auch schwere Jahre hatten und jetzt, wo wir endlich richtig Geld verdient hätten, es uns weggenommen wird. Aber aus Münchner Gesamtsicht muss man es auch positiv sehen: Ob wir die Preise intern gesenkt hätten oder über den staatlichen Deckel, ist für unsere Kunden nicht wichtig.
Wie viele Anlagen besitzen Sie denn?
Hier in der Region betreiben wir zwei Windkraftanlagen, 45 Solaranlagen, sechs Geothermieanlagen, 14 Wasserkraftwerke und zwei Biomasseanlagen. Darüber hinaus sind wir an diversen Windparks in Deutschland und in Europa beteiligt, weitere gehören uns ganz, dazu kommen drei große Solaranlagen. Gerade die Windräder sind an günstigen Standorten in Europa verteilt, in Norwegen etwa, vor Friesland und in der irischen See. In Summe können wir so pro Jahr 6,3 Terawattstunden Strom produzieren.
Stadtwerke München: Wie geht es jetzt weiter?
Wie viel verbrauchen Ihre Münchner Kunden?
Ganz München verbraucht knapp sieben Terawattstunden. Gemeinsam mit unseren konventionellen Kraftwerken erzeugen wir ungefähr zwölf Terawattstunden. Weil die aber ein Ablaufdatum haben, allein Isar II fällt ab April weg, haben wir jetzt schon Ökostromkapazitäten aufgebaut, um keine Lücke entstehen zu lassen. 2021 haben wir mit 100 neuen Windrädern einen großen Schritt gemacht.
Was hat der Ausbau die Münchner gekostet?
Unsere Vorgabe war, die Kunden nicht mit der Ausbauoffensive zu belasten. Somit haben wir sie über Kredite und bestehendes Kapital der SWM finanziert. Die Anlagen arbeiten wirtschaftlich und tragen sich selbst. Das zeigt sich auch daran, dass wir bis heute zu den günstigsten Stromanbietern in Deutschland gehören. Wir haben allerdings ein Angebot, bei dem ein kleiner Kundenkreis freiwillig einen Aufpreis für den Ausbau der Ökostromerzeugung in der Region zahlt.
Gehen wir vom Verkauf zum Einkauf: Sie beschaffen kurzfristiger als andere Anbieter, haben die Preissprünge im Sommer also voll mitgenommen. Haben Sie sich verspekuliert?
Wir sichern unsere Kraftwerke gerne langfristig ab, damit sie solide finanziert sind – es gab ja auch Jahre mit niedrigen Strompreisen. Im Einkauf sind wir tatsächlich kurzfristiger unterwegs, um auf den Großmarkt reagieren zu können. Wenn die Preise über Monate nur steigen, ist das natürlich schlecht, da hat man keine so gute Absicherung. Aber wir würden genauso am Pranger stehen, wenn die Preise jetzt wieder fallen würden und wir unseren Kunden sagen müssten: Das merkt ihr erst in zwei Jahren, weil wir so langfristig eingekauft haben.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Laufzeit der Abschöpfung ist zunächst bis zum 30. Juni 2023 befristet. Sie kann bis 30. April 2024 verlängert werden. Deshalb müssen wir abwarten. Wenn wir unsere Gewinne wieder behalten dürfen, werden wir definitiv wieder günstiger als andere Anbieter.