Die Zinsen für Baugeld steigen nun mit Inflation und Ukraine-Krieg kräftig an. Viele Häuslebauer, die knapp kalkulieren müssen, könnten nun Probleme bekommen. Dazu kommen exorbitante Energie-Preise. Ökonomen warnen nun vor einer „gesamtwirtschaftlichen Kreditklemme“.
Krieg und Inflation lassen auch die Zinsen für Baukredite steigen. Gab es in den letzten Jahren das Baugeld von den Banken fast umsonst, wird es nun auf einmal teuer. Die monatlichen Zahlungen für Zins und Tilgung stiegen für Häuslebauer um mehr als die Hälfte. André Adami, Bereichsleiter Wohnen vom Analyse-Haus Bulwiengesa AG, rechnet für FOCUS Online vor: „Die Finanzierung eines klassischen Einfamilienhauses (500.000 Euro Kaufpreis) mit einem Darlehen über 400.000 Euro kostet den Bauherren bei 2,2 Prozent Zins und 2,0 Prozent Darlehenstilgung aktuell 1400 Euro pro Monat. Gegenüber dem Vorjahr mit 0,7 Prozent Zins und 2,0 Prozent Darlehenstilgung sind nun für den gleichen Kredit 500 Euro pro Monat – also 55 Prozent – mehr zu zahlen.“
Geld wird also teurer, Zins und Tilgung belasten jetzt bei einem Hauskauf stärker die Haushaltskasse als noch letztes Jahr. Das macht den Hauskauf unattraktiver. Hinzu kommt, dass die Baukosten in den vergangenen Monaten weiter stark gestiegen sind. Bauunternehmen und Handwerker machen sich rar und viele Baumaterialien sind nur schwer verfügbar. Das macht Bauherren das Leben zusätzlich schwer.
„Gesamtwirtschaftlichen Kreditklemme“ und „grenzwertige“ Belastung durch Zins- und Tilgungszahlungen
Auch bei der Anschluss-Finanzierung kann es teuer werden, merkt Konstantin Kholodilin, Immobilienmarkt-Experte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), an und gibt FOCUS Online folgendes Rechenbeispiel: Ein Haushalt hat einen Hypothekenkredit mit 20 Prozent Eigenfinanzierung und 10-jährigen Zinsbindung für den Erwerb einer Wohnung, die zum Kaufzeitpunkt 200.000 Euro wert war, aufgenommen. Der Zins war zunächst auf 0,7 Prozent fixiert. Das durchschnittliche Nettoeinkommen eines Haushaltes beträgt monatlich 3661 Euro. In diesem Fall musste der Haushalt rund 38 Prozent seines Einkommens für die Zins- und Tilgungszahlungen entrichten, so Kholodilin. „Wenn der Zinssatz auf 2,2 Prozent steigt, dann erhöht sich die Zinsbelastungsquote auf ca. 41 Prozent.“
Die Betroffenen müssten nun mit der Bank eine Reduzierung der Tilgungsrate aushandeln, um die Zahlungen auf ein zumutbares Niveau zu senken, so Kholodilin. Anders als viele Baufinanzierer und Banken sieht DIW-Forscher Kholodilin hier auch ein gesamtwirtschaftliches Risiko:
„Insbesondere, wenn die Immobilie dann erworben wurde, als die Preise schon sehr hoch waren, können die höheren Zinsen den Eigentümern bei der Anschlussfinanzierung Probleme bereiten. Wenn das auf einer großen Skala passiert, kann es zu Zahlungsproblemen bei den Banken und eventuell zu einer gesamtwirtschaftlichen Kreditklemme führen.“ Auch weist er auf ein weiteres Problem: „Die steigende Energiepreise können eine ähnliche Wirkung haben: Wenn ich als Eigentümer gezwungen bin, das Doppelte oder Dreifache für die Energie ausgeben, kann ich in Zahlungsprobleme mit den Zinsen und Tilgung geraten und muss meine Immobilie verkaufen.“
Bundesbank-Vorstand Wuermeling: „Banken geben verstärkt risikoreichere Wohnungsbaukredite aus“
Auch der Vorstand der Deutsche Bundesbank, Joachim Wuermeling, hält gegenüber FOCUS Online die derzeitige Lage der Baufinanzierungen für brandgefährlich: „Wir beobachten seit längerem steigende Preise auf dem Immobilienmarkt. Steigende Preise bedeuten jedoch nicht per se geringere Kreditvergabestandards. Allerdings geben Banken verstärkt risikoreichere Wohnungsbaukredite aus. Das sehen wir beispielsweise daran, dass Wohnimmobilien stärker fremdfinanziert werden. Bei knapp jedem zehnten Wohnimmobilienkredit ist die Kreditsumme sogar höher als der Kaufpreis der Immobilie.“
dpa/Tim Brakemeier Bundesbankvorstand Joachim Wuermeling
Die Banken gehen also bei der Kreditvergabe jetzt ein größeres Risiko ein. Denn die Banken sind auf das Geschäft mit der Baufinanzierung angewiesen. Wuermeling: „Immobilienkredite waren für deutsche Banken schon immer eine wichtige Ertragskomponente. Diese Bedeutung ist in Zeiten niedriger Zinsen weiter gestiegen. Der Anteil von Wohnungsbaukrediten an inländische Unternehmen und Privatpersonen macht rund 18 Prozent der Bilanzsumme der deutschen Banken aus – dieser Anteil steigt seit 2011. 35 Prozent aller Bankkredite sind Wohnimmobilienkredite.“
Dieser Anteil habe sich durch höhere Immobilienpreise enorm vergrößert, so Wuermeling, und auch die Nachfrage nach Baufinanzierungen sei gestiegen: „Eine Besonderheit von Immobilienkrediten in Deutschland sind lange Zinsbindungen. In Zeiten sinkender Zinsen waren ältere Kreditverträge mit fixen Zinszahlungen für einige Banken extrem wichtige Ertragsbestandteile. Demgegenüber stehen nun viele aktuelle Immobilienkredite mit einem langjährigen geringen Zinssatz“, so der Bundesbank-Boss. Umso wichtiger sei es für die Banken daher, ihre eigenen Zinsänderungsrisiken sinnvoll zu steuern.
Inflation höher als der Zins, doch Schulden muss man sich leisten können
Die Banken riskieren also mehr, um an das Geld der Häuslebauer zu kommen. Die Immobilienblase wird jedoch auch durch einen anderen Faktor aufgepumpt: Denn interessant ist auch, dass trotz der gestiegenen Bau-Zinsen die Preise für Immobilien nicht fallen. Eigentlich sollte die Nachfrage nach Immobilien sinken, wenn deren Finanzierung teurer wird. 2021 erhöhten sich die Preise für Wohnimmobilien im bundesweiten Durchschnitt um elf Prozent – für das Schlussquartal meldete das Statistische Bundesamt sogar einen Rekordanstieg.
Auch im ersten Quartal 2022 registrierte etwa das Portal Immowelt Anstiege von bis zu fünf Prozent. Und laut Berechnung der Bundesbank waren die Immobilienpreise in Deutschland 2021 um bis zu 40 Prozent überwertet. Im Jahr 2020 hätte die Überbewertung noch bei maximal 30 Prozent gelegen.
Ökonomen vermuten daher, dass die hohe Inflation derzeit zu noch mehr Spekulation auf dem Immobilienmarkt führt – nach der Logik: Verliert das Geld an Wert, rentieren sich Schulden. Doch auch hier gilt: Schulden muss man sich leisten können. Das meint auch Michael Voigtländer, Leiter Kompetenzfeld Finanz- und Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln: „Es gibt im Moment an einigen Stellen Überlegungen, dass die Immobilienfinanzierung besonders attraktiv ist, weil die Realverzinsung negativ ist. Nach dem Motto: Bei 2 Prozent Zinsen und 5 Prozent Inflation ist die Realverzinsung -3 Prozent. Vor diesen Überlegungen warne ich. Erstens, weil der Markt erwartet, dass die Inflation nicht dauerhaft so hoch ist, zweitens aber, weil eine solche Situation nur dann attraktiv ist, wenn auch die Einkommen nachziehen. Genau dies könnte aber ausbleiben. Die große Gefahr ist derzeit eine Stagflation, also Inflation plus wirtschaftliche Stagnation, was auch mit stagnierenden Löhnen einhergeht.“
Bauen ist günstiger als Mieten: „Es führt kein Weg am Eigentum vorbei“
Während Ökonomen also vor einer Immobilien-Blase warnen, stellen sich viele Menschen angesichts der Inflation die Frage, ob sich die Anlage in „Beton-Gold“ nun noch lohnt. Bauen sei immer noch günstiger als Mieten, sagt Bulwiengesa-Analyst Adami und rechnet vor: „Wir vergleichen ein Neubau-Einfamilienhaus mit 120 Quadratmeter und eine Neubau-Mietwohnung in gleicher Größe, die 12 Euro pro Quadratmeter netto Kaltmiete kostet. Dann betragen die reinen Zinskosten (ohne Tilgung, die ja Vermögenszuwachs ist) nur 733 Euro pro Monat, während die Wohnung mit 1440 Euro pro Monat annähernd doppelt so viel kostet. Die Nebenkosten sind annähernd gleich in beiden Modellen.“
Für den Experten ist klar: „Wenn man also halbwegs das Eigenkapital zusammenbekommt, führt kein Weg am Eigentum vorbei. Bis zu einem Zinssatz von 4,3 Prozent ist Kaufen günstiger.“