Steigende Verbraucherpreise

Lebensmittel-Inflation – keine Hilfe gegen die Teuerung im Supermarkt

03.04.2022
Lesedauer: 3 Minuten

Gegen die stark gestiegenen Energiepreise hat die Bundesregierung bereits zwei Entlastungspakete geschnürt. Für ein Drittes wegen der Preisexplosion im Supermarkt sieht sie bislang aber keinen Grund.

Sich für Lebensmittelspenden anzustellen, kostet Überwindung. Die Schamgrenze ist oft hoch, weiß Jochen Brühl. Doch in den vergangenen Wochen hat der Vorsitzende der Tafel Deutschland beobachtet, dass auch Menschen anstehen, die auf den ersten Blick niemand dort vermutet.

Vermehrt kämen Berufspendler, die bisher nie auf Spenden angewiesen waren – jetzt aber durch gestiegene Lebensmittelpreise und explodierende Spritkosten in Not seien, erzählt Brühl.

Das zweite Entlastungspaket, das die Ampel-Regierung in der Vorwoche verabschiedete, hält Brühl schon für überholt, obwohl noch nicht einmal klar ist, wann die versprochenen Pauschalen, Zuschüsse und Boni bei den Bürgern ankommen sollen. „Diese Maßnahmen reichen hinten und vorne nicht“, sagt er. „Die Regierung darf sich jetzt nicht selbst feiern und zurücklehnen.“

Nach den Stromrechnungen und Anzeigen an den Zapfsäulen haben sich zuletzt auch die Zahlen auf den Kassenbons im Supermarkt erhöht – und werden dies Prognosen von Wirtschaftsforschungsinstituten zufolge auch weiter tun.

Der Index für Preiserwartungen des Ifo-Instituts hat mit 54,6 Punkten einen Höchstwert erreicht. „Damit dürfte die Inflationsrate in diesem Jahr auf deutlich über fünf Prozent steigen“, sagt Ifo-Experte Timo Wollmershäuser. „Das gab es in Deutschland zuletzt vor 40 Jahren.“ Im Nahrungsmitteleinzelhandel liegt der Ifo-Wert sogar bei 94.

Vorschläge zum Gegensteuern gibt es viele. So forderte beispielsweise der Wirtschaftsweise Achim Truger im WELT-Interview eine Pauschalzahlung für Lebensmittelkäufe, ähnlich der nun beschlossenen Energiepreispauschale von 300 Euro.

Weitere Entlastungen sind vorerst nicht geplant

Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hat Ideen. „Als Soforthilfe fordern wir jeweils die nach Verrechnung der Maßnahmen des zweiten Entlastungspaketes verbleibenden Differenzen zu den zuvor geforderten je 1000 Euro Heizkostenzuschuss und Familienbonus“, sagt Anne Markwardt, Leiterin des Teams Lebensmittel.

Hier müsse die Ampel nachlegen. Der Heizkostenzuschuss soll laut Regierungsplänen für Wohngeldbezieher 270 Euro betragen, der Familienbonus ist pro Kind mit 100 Euro vereinbart.

Nach zusätzlichen Hilfen sieht es aber nicht aus. Kurzfristig sind keine weiteren Entlastungen geplant. So heißt es im Bundesarbeitsministerium auf Nachfrage lediglich, dass für den Fall, dass „zusätzliche Belastungen“ für die Bevölkerung entstünden, auch weitere Maßnahmen geprüft würden. „Als Regierung orientieren wir uns an dem, was in der Vorwoche beschlossen wurde“, heißt es aus dem Haus von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

Nachsteuern könnte bei den Lebensmittel- und Erzeugerpreisen noch ein drittes Ministerium: das Haus von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Eigene Pläne für unmittelbare Entlastungen zugunsten der Verbraucher hat das Ministerium nicht.

Spürbare Effekte auf die Preise haben die Produktionsmengen in der Landwirtschaft. Doch eine kurzfristige Ertragssteigerung ist kaum noch möglich. Jetzt im Frühling sind die meisten Saaten bereits ausgebracht.

Immerhin hat Özdemirs Ministerium die sogenannten ökologischen Vorrangflächen – rund vier Prozent der Gesamtflächen – für die Futternutzung freigegeben. Zwar könne dies „kurzfristig einen geringfügigen Beitrag zur Produktionssteigerung leisten“, teilte das Ministerium mit.

Die Nutzung von Brachflächen bleibt begrenzt

Weil aber auf jenen Brachen „wichtige Ökosystemleistungen“ erbracht würden, etwa der Schutz von Insekten, die landwirtschaftliche Pflanzen bestäuben, müsse deren Nutzung begrenzt bleiben.

Außerdem seien die Flächen wegen ihrer Randlage und Bodenbeschaffenheit oft schwer zu bewirtschaften und damit für große Produktionsmengen kaum geeignet. „Behauptungen, dass auf diesen Flächen etwa Weizen ertragreich angebaut werden kann, teilt das Ministerium nicht.“

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