Martin Herrenknecht im FOCUS-Interview

Firmenboss klagt: „Grüne machen Autoindustrie geradezu mit Begeisterung kaputt“

26.09.2024
Lesedauer: 11 Minuten
Firmenboss klagt: „Grüne machen Autoindustrie geradezu mit Begeisterung kaputt“ Bildquelle: FOCUS online/Wochit

Martin Herrenknecht hat mit seiner gleichnamigen Firma in rund 50 Jahren den Weltmarktführer für Tunnelbohrmaschinen aufgebaut. Im FOCUS-Interview geht der 82-Jährige jetzt mit der Ampel-Regierung hart ins Gericht. Olaf Scholz komme ihm vor, „wie der Kapitän auf der Titanic“.

Martin Herrenknecht kommt pünktlich zum Interview aus dem benachbarten Lahr, wo er quasi nebenbei noch den Flughafen betreibt. Lahr im Schwarzwald? Flughafen? Die Start- und Landebahn dort kann mit drei Kilometer Länge sogar Jumbos bewältigen. Nachdem die kanadischen Streitkräfte einst abzogen, blieb das halt auch noch an Martin Herrenknecht hängen, der gern mal unterschätzt wird. Wie sein Flughafen. Dabei vertritt der 82-Jährige mit seiner Tunnelbau-Firma besten deutschen Mittelstand: rund 5000 Beschäftigte, dieses Jahr womöglich ein auf 1,4 Milliarden Euro wachsender Umsatz. Aufträge weltweit von Stuttgart 21 über den Brenner-Basistunnel bis zur Metro in Doha. Alles selbst aufgebaut aus einem 1975 gegründeten kleinen Ingenieurbüro. So einer ist immer auf Betriebstemperatur – und sofort bei seinem Albtraum-Thema Nummer eins: der deutschen Politik.

FOCUS: Herr Herrenknecht, eigentlich wollten Sie dieses Gespräch gemeinsam mit Ihrem Sohn Martin-Devid führen. Der ist nun aber leider mit der Wirtschaftsdelegation des Kanzlers nach Asien gereist. Warum sind Sie selbst nicht mitgeflogen? 

Martin Herrenknecht: Meine Vorstandskollegen übernehmen das inzwischen. Die Delegationsreisen sind für uns als Unternehmen sehr wichtig. Ich begleite die Regierung allerdings nicht mehr auf solchen Reisen. 

Grundsätzlich. Es ist todsicher die schlechteste Regierung, die die Bundesrepublik je hatte.

„Olaf Scholz kommt mir vor wie der Kapitän auf der Titanic“

So schlimm? 

Olaf Scholz kommt mir vor wie der Kapitän auf der Titanic, der mit Musik und Trara sehenden Auges auf den Eisberg zusteuert.

Wann fingen für Sie die Probleme an? 

Im ersten Jahr machte wenigstens noch Robert Habeck einen einigermaßen guten Eindruck. Aber was soll eine der weltführenden Exportnationen erwarten, wenn sie jemanden ohne Wirtschaftserfahrung zum Wirtschaftsminister macht? Wärmepumpen-Chaos, Stagnation und Rezession, hohe Energiepreise und drohende Deindustrialisierung. Aber die anderen belehren wir gern. Wissen Sie, was ich in China erlebt habe?

Erzählen Sie! 

Gerhard Schröder halten sie dort ja immer noch für einen großen Staatsmann. Aber zu Annalena Baerbock haben mir Parteisekretäre hinter vorgehaltener Hand nichts Nettes gesagt. Frau Baerbock versucht allen Ernstes, einem Land mit einer fünftausendjährigen Geschichte und heute 1,4 Milliarden Bewohnern zu erklären, wie die zu leben und zu arbeiten haben. Wir müssen sehen, dass wir das letzte Ampel-Jahr bis zur Bundestagswahl irgendwie durchhalten.

Wäre es ohne Ukraine-Krieg besser gelaufen? 

Der ist nur eine Entschuldigung. Und ich behaupte sogar, dass Scholz das Thema Ukraine ebenfalls vermasselt hat. Die Panzer- und Materiallieferungen jedenfalls kamen zu Beginn des Krieges deutlich zu spät. Und nach der schnell ausgerufenen „Zeitenwende“ passierte doch nicht mehr viel.

Wie viel Geschäft haben Sie in Russland verloren? 

Rund 100 Millionen Euro. Trotzdem sind die Sanktionen richtig und unsere Unterstützung für die Ukraine ebenfalls. Nun kauft der Kreml eben bei den Chinesen, die sich das Know-how bei uns abgeschaut haben.

„Wir müssen sehen, dass wir das letzte Ampel-Jahr bis zur Bundestagswahl irgendwie durchhalten.“

Nicht alles hat die Ampel verbockt, oder? Das reicht weiter zurück. 

Klar, aber schauen Sie sich die jetzigen Akteure an: SPD und FDP – kaum noch erkennbar. Und die Grünen sind mehr denn je eine Glaubensgemeinschaft. Mitten in der Ukraine-Krise schalten sie die letzten Atomkraftwerke ab. Nun liefert uns Frankreich atomar jenen Strom, den wir mit Windrädchen, asiatischen Solarpaneelen und deutscher Braunkohle halt nicht produziert kriegen.

Und andernorts werden neue Kernkraftwerke gebaut… 

…teils von der EU und damit von uns mitfanziert. Toll, oder? Teures Flüssiggas importieren wir obendrein auf dreckigen Diesel-Frachtern hierher, während in unserem eigenen Boden jahrzehntelang Schiefergas abgebaut werden könnte.

Die Klimawende ist in Brüssel entschieden worden, also auch von uns. 

In Brüssel wird keinen Deut schlauer agiert als in Berlin. Aber die Grünen machen ihre Autoindustrie ja hier wie dort geradezu mit Begeisterung kaputt. Und die Chinesen werden nun die besseren, weil billigeren E-Autos liefern. Völlig idiotisch. Genauso wie die Stromtrassen zu den Offshore-Gebieten.

Was gefällt Ihnen daran nicht? 

Erst hieß es, die würden unter die Erde verlegt. Nun sollen sie wieder über Land verlegt werden…

„In Brüssel wird keinen Deut schlauer agiert als in Berlin.“

…was zumindest weit weniger kost- spielig klingt in Zeiten leerer Kassen, finden Sie nicht? 

Der Schnee im Winter wird die Masten zum Einsturz bringen. Da wird nichts billig. Vor allem aber: Die Planungsphase wird uns weitere 20 Jahre kosten. Ohnehin wird die überbordende Bürokratie unserem schönen Land und ganz Europa den Rest geben, wenn es so weitergeht. Furchtbar! Bei mir im Betrieb arbeiten insgesamt rund 20 Kollegen nur den absurden Papierkram ab, der uns abgefordert wird. Wir fahren wirklich an die Wand, stehen an der Reling und schauen noch mit leuchtenden Augen in die Zukunft, deren Klima wir für den Rest der Welt quasi im Alleingang retten wollen. Als ob das kleine Deutschland das könnte.

Sie haben seit 1982 das CDU-Parteibuch, aber seit 2019 Ihre Mitgliedschaft ruhen lassen – aus Protest gegen die Ihrer Meinung nach zu weit nach links gerückte Union. Hat sich das wieder eingerenkt? 

Die Union bleibt die einzige Hoffnung für Leute, die sich eine effiziente Realpolitik wünschen. Friedrich Merz hat die CDU wieder klar positioniert.

Wie gehts eigentlich dem Unternehmen Herrenknecht? 

Vernünftig.

Ihr Umsatz? 

Wir werden dieses Jahr wieder auf einen Umsatz über eine Milliarde kommen. Wir wachsen in kleinen, aber festen Schritten – auch dank unserer starken Mannschaft. Geothermie ist ein Thema, das uns künftig zum Beispiel noch mehr beschäftigen wird. Da ist einiges zu holen, denke ich.

Nach eigener Aussage sind Sie neben den großen Tunnelbohr-Konzernen aus China quasi der letzte Maulwurf des Westens. 

Vielleicht eher der „letzte Mohikaner“. Klingt besser.

Kriegen Sie Übernahmeangebote? 

Schon. Die letzten lagen bei zwei Milliarden Euro. Aber ich würde meine Firma niemals verkaufen.

„Wir gehen hier nicht weg“

Sie könnten ins benachbarte Frankreich ziehen. Sind nur fünf Kilometer über den Rhein. 

Wir gehen hier nicht weg.

Der Kettensägenprofi Stihl hat schon überlegt, seine Produktion in die teurere, aber seiner Meinung nach wirtschaftsfreundlichere Schweiz zu verlegen. 

Wir haben hier gute Leute und noch ein gutes Ausbildungssystem. Unsere Kunden kommen ja weiterhin zu uns.

Wer sind Ihre Wichtigsten? 

Die USA, Frankreich und die Schweiz sind uns bislang besonders treu, auch wenn die Chinesen dieses Terrain mit Billigpreisen von bis zu 50 Prozent Nachlass längst zu erobern versuchen, weil ihnen zu Hause einfach die Aufträge ausgehen. Und wissen Sie, was in Italien passiert ist?

Die EU finanzierte Infrastrukturprojekte in Höhe von 192 Milliarden Euro… 

…von denen 70 Milliarden die Bundes- republik bezahlt, wo die Infrastruktur inzwischen noch schlechter ist als in Süditalien. Und wo kaufen die Italiener für Milliarden ihre Tunnelvortriebsmaschinen?

„In Berlin gibt es nur noch drei Themen: Klima, Klima, Klima.“

In China? 

So sieht’s aus. Und da wundert es noch jemanden, dass nicht nur ich mich aufrege? In Berlin gibt es nur noch drei Themen: Klima, Klima, Klima. Für die Wirtschaft wird gar nichts mehr getan, obwohl die mit ihren Steuern ja am Ende die Rechnung zahlen muss. Unfassbar! Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach. Die hiesige Industrie steht am Abgrund. Das gleiche Trauerspiel wiederholt sich in der Migrationspolitik.

Leidet Herrenknecht auch unter dem überall im Land grassierenden Fachkräftemangel? 

Klar. Zuletzt durften wir immerhin mal einige Ingenieure aus Argentinien und Schweißer aus Lettland und Ungarn einstellen. Aber Sie ahnen nicht, was uns auch das an bürokratischem Aufwand kostet. SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil ist mit seinem Bürgergeld-Quatsch der Totengräber unseres Sozialsystems. Meine ausländischen Schweißer brauchen ein B2-Zertifikat über Deutschkenntnisse. Der Schweißnaht ist die Sprache eigentlich egal. Aber ich muss liefern.

Die Einschläge kamen zuletzt näher: Drama beim Stahlriesen Thyssenkrupp, Miele verschiebt Teile seiner Waschmaschinenproduktion nach Polen, VW droht mit Werksschließungen wegen mangelndem E-Auto-Absatz, Viessmann hat sein Wärmepumpen-Geschäft an Amerikaner verkauft, BASF fährt Investitionen zu Hause zurück und baut Produktion in China auf – sind das Einzelfälle, oder erkennen Sie ein Muster? 

Das klare Muster ist: Der Glaube an den Standort Deutschland geht verloren. Auch wir erweitern unsere Produktion in Indien: großes Land, große Möglichkeiten, gutes und bezahlbares Personal. Nach acht Tagen hatte ich dort eine Baugenehmigung. Warum soll ich mir hier weiter eine blutige Nase holen?

Weil Deutschland halt Ihre Heimat ist? 

Wir wollen hier an unserem Hauptsitz ein großes Logistikzentrum bauen. Das verzögert sich angesichts all der Vorgaben der Behörden. Das Einzige, was noch gefehlt hätte: dass das Landratsamt uns die Würmer im Boden zählen lässt. Ein unfassbares Theater! Und ich muss noch die Sachverständigen bezahlen. Das ist nämlich auch so ein Ding: Alle haben Angst. Die einen vorm Naturschutzbund, die anderen vor Shitstorms auf X. Niemand entscheidet mehr irgendwas. Das schaukelt sich schon seit 30 Jahren hoch. Und in Berlin weiß niemand mehr, wie’s bei uns unten an der Basis zugeht.

Sind Sie neidisch auf Elon Musk, der seine Gigafactory in Grünheide in Rekordzeit bauen durfte? 

Klar. Was lerne ich daraus? Man muss die Behörden vor vollendete Tatsachen stellen. Sollte ich auch mal ausprobieren.

Rechnen Sie noch mit weiteren Hiobsbotschaften aus Mittelstand und Industrie? 

Das geht gerade erst los. Schauen Sie sich die Entlassungswellen bei den Autozulieferern an: von ZF über Schaeffler bis Bosch. Das Elend begann mit den CO₂-Vorschriften in Brüssel. Das zerstört uns jetzt peu à peu das Herz unserer Wirtschaft.

Den peinlichen Diesel-Betrug hat Volkswagen aber ganz allein zu verantworten, oder? 

Okay, das stimmt. Und der frühere Vorstandschef Martin Winterkorn…

…steht dafür nun vor Gericht… 

…und sollte für den Betrug ins Gefängnis, finde ich. Der Diesel war trotzdem die effizienteste Art individueller Mobilität. Weltweite Spitzentechnologie. Aber die Grünen haben seither nur noch die Autobauer beschimpft und selbst dann den Ausbau der Ladeinfrastruktur verpennt. Und jetzt wundern sie sich, dass niemand die Elektroautos kauft. Man kann nicht von oben runter bestimmen. Planwirtschaft klappt nie.

Sie sind in der ganzen Welt unterwegs. Was hören Sie da über Deutschland? 

Dass die Ampelregierung den Mythos Made in Germany kaputtgemacht hat.

„Ein großer Teil der heutigen Gesellschaft verfrühstückt, was ihre Eltern aufgebaut haben“

Harte Worte! 

Aber wahr. Ich werde inzwischen in Indien gefragt, ob wir noch liefern können. Die hören ja, was bei uns los ist: Vier-Tage-Woche, Remote-Work, Bürgergeld, Work-Life-Balance… ein großer Teil der heutigen Gesellschaft verfrühstückt, was ihre Eltern aufgebaut haben. Das verstehen die Inder gar nicht. Die wollen ja arbeiten, sich was gönnen. Und dann erzähle ich denen, dass wir aus unseren Bundesjugendspielen auch noch den Wettkampfgedanken rausnehmen, weil der Leistungsstress unsere Kinder überfordern könnte. Dafür ernte ich nur Kopfschütteln. Wie in Katar!

Wo Sie vor der Fußballweltmeisterschaft etliche Tunnel gegraben haben? 

Genau. Und dann musste sich unsere Innenministerin Nancy Faeser ja unbedingt mit einer „One Love“-Armbinde für alle Entrechteten der Welt ins Stadion setzen. Wir wurden kurz danach gefragt, wo wir herkommen. Ich sagte „Deutschland“. Die hätten uns fast rausgeschmissen.

Was sagen Sie seither, aus welchem Land Sie kommen? 

Dass wir aus der Schweiz sind. Das finden alle toll. Die Schweiz sollte uns überhaupt Vorbild sein. Jetzt hat die Union wenigstens einen klaren Kanzlerkandidaten. Aber wenn es so wie in den neuen Bundesländern läuft, braucht Friedrich Merz nach dem zu erwartenden Sieg 2025 trotzdem eine bunte Koalition, in der Sahra Wagenknecht, SPD und Grüne mitspielen könnten. Einfacher wird da nichts.

In Thüringen ist die AfD die stärkste Partei und hat mit Björn Höcke einen Rechtsradikalen an der Spitze. Erst recht nicht schön. 

Und wissen Sie was: Dann sollen die doch mal die Landesregierung bilden. Dann wird sich zeigen, ob sie wirklich liefern. Ich bin der Überzeugung, dass auch eine AfD an der Realpolitik scheitert und sich für die Wähler als das entpuppt, was sie ist: ein Luftschloss.

„Ich sag’, was die Leut’ draußen denken.“

Spätestens jetzt werden einige im Land hyperventilieren. 

Ich sag’, was die Leut’ draußen denken. Im politischen Tagesgeschäft schleift sich viel ab an ideologischem Blödsinn. Und wenn’s nicht klappt mit der AfD sind die ganz schnell wieder abgewählt.

Ist die AfD so stark oder die Ampel so schwach? 

Die Ampel ist zu schwach. Ich behaupte, dass die AfD auch auf 50 Prozent kommen könnte, so satthaben die Leute die Politiker. Saskia Esken, Kevin Kühnert, Ricarda Lang…alles rote Tücher für die meisten. Die Parteien der Mitte müssen endlich mit dem Quatsch aufhören: Bürgergeld, irreguläre Migration, Bürokratie-Wahnsinn…wir müssen jetzt gegensteuern.

Würden Sie Ihren eigenen gut 5000 Beschäftigten empfehlen, die AfD nicht zu wählen? 

Ich werde der AfD ganz sicher nicht meine Stimme geben. Eine Wahlempfehlung spreche ich trotzdem nicht aus, nein.

Warum nicht? 

Weil mich das nichts angeht, was die wählen. Und meine Leute müssen sich von mir da nichts sagen lassen. Die sind alt genug. Vor vielen Jahren habe ich in der Belegschaft mal Turnschuhe verschenkt zur Weihnachtsfeier. Ich sagte dazu: „Wer grün wählt, kriegt nur einen.“ Seither lass ich in der Firma die Finger von Wahlempfehlungen.

Was müsste jetzt schnell passieren, damit wir als Bundesrepublik doch noch die Kurve kriegen? 

Wer die beste Infrastruktur hat, gewinnt.

Aber nicht nur Ihre Tunnel, oder? 

Schauen Sie sich die Bahn an! Ein totales Fiasko. Und dann verkaufen Sie gerade noch die Ertragsperle Schenker. Hirnverrückt. Glasfaser-Ausbau? Fiasko! Digitalisierung generell? Fiasko!

Sehen Sie denn noch Licht am Ende des Tunnels? 

Wird schwer. Ich sehe da eher Wahnsinn. Leider. Gut, dass nächstes Jahr wieder gewählt wird.

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