Der Stadt Oranienburg nördlich von Berlin geht der Strom aus. Zu rasant sei die Stadt in den vergangenen Jahren gewachsen. Wärmepumpen, Wallboxen und Co. bekommen keinen Anschluss.
Oranienburg/Berlin – In der brandenburgischen Stadt Oranienburg zeigt sich gerade, wie die Energiewende schiefgehen kann, wenn sie nicht richtig geplant wird. „Um das Stromnetz in Oranienburg weiter stabil zu halten, können die Stadtwerke ab sofort keine Neuanmeldungen oder Leistungserhöhungen von Hausanschlüssen mehr genehmigen. Dies betrifft beispielsweise den Anschluss von Wärmepumpen und Ladeinfrastruktur“, heißt es in diesen Tagen in einer Nachricht an die Bürgerinnen und Bürger auf der Webseite der Stadt. Im Klartext also: Das örtliche Stromnetz kommt an seine Kapazitätsgrenzen.
Stromengpass in Oranienburg: Stadt ist schneller gewachsen, als erwartet
Grund für den Stromengpass ist nach Angaben der Stadt das rasante Bevölkerungswachstum durch Zuzug und der verstärkte Anschluss von Anlagen wie Wärmepumpen und Wallboxen für Elektroautos. Die Stadtwerke Oranienburg haben nach eigenen Angaben vor über einem Jahr mehr Kapazitäten vom Betreiber des Umspannnetzwerks angefordert, doch darauf habe der Betreiber, E.dis, nicht reagiert. Der Bundesnetzagentur habe man nun den Umstand mitteilen müssen.
Derweil wird auch am Bau eines neuen Hochspannungsnetzes gearbeitet – das aber erst 2026 fertig werden soll. Findet die Stadt bis dahin keine Lösung für die Engpässe, heißt es für die Bürgerinnen und Bürger: Neubauten müssen auf Eis gelegt werden, Wallboxen und Wärmepumpen können nicht in Betrieb genommen werden – und auch die Ansiedlung neuer Unternehmen und Industrien wäre unmöglich. Das wäre nicht nur ärgerlich, sondern bremst die Energiewende unnötig aus.
„Der Strombedarf unserer wachsenden Stadt hat sich enorm entwickelt, schneller, als es in der Vergangenheit vorausgesehen wurde. Hier zeigt sich die Herausforderung, die Infrastruktur genauso schnell auszubauen. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, Stadtentwicklung nicht komplett auszubremsen, sondern ausreichend Leistung zur Verfügung zu stellen, für unsere großen Industrieunternehmen, genau wie für private Häuslebauer“, betont Bürgermeister Alexander Laesicke.
Stromversorgung in Deutschland sehr sicher
Ob anderen Kommunen das gleiche Schicksal droht, wie Oranienburg, lässt sich pauschal nicht sagen. Ursächlich für die Probleme scheinen nämlich Versäumnisse zu sein, die die Bundesnetzagentur nun aufklären will. „Netzbetreiber haben ihr Netz vorausschauend zu ertüchtigen, um grundsätzlich Problemen mit mangelnder Kapazität vorzubeugen“ schreibt die Behörde nach Angaben der Welt. Der Verband kommunaler Unternehmen (VkU) ist aber optimistisch, dass Oranienburg kein Vorbote sein wird: „Der Gesetzgeber hat die Planungsinstrumente für Verteilnetzbetreiber gerade erst nachgeschärft, dadurch dürften sich Prognosefehler in Zukunft leichter vermeiden lassen“, zitiert die Zeitung einen Sprecher.
Sorgen machen müssen sich die Menschen im Land aber erstmal nicht. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2022 stellt der VDE fest, dass die Stromversorgung in Deutschland zu den zuverlässigsten der Welt zählt. Deutschland war der Untersuchung zufolge sogar auf Platz zwei der Weltrangliste, hinter Südkorea. Untersucht wurde, wie häufig und wie lange es im Jahr einen Blackout gab: im Schnitt 12 Minuten lang im Jahr 2021. Trotzdem schreibt der Verband in der Pressemitteilung vom April 2022, dass der „Aufwand zur Aufrechterhaltung der Netz- und Systemsicherheit“ durch die Zunahme an erneuerbaren Energien am Netz steigt. An der Versorgungsqualität habe dies jedoch keinen Einfluss.
Dynamische Stromtarife und Netzentgelte können Stromnetz stabilisieren
Stromkunden können auch einen eigenen Beitrag zur Stabilisierung der Stromnetze leisten. Wer nämlich eine PV-Anlage installiert, baut heutzutage in der Regel auch einen Speicher mit ein. Das ist laut Experten und Expertinnen extrem wichtig: Wer eine Solaranlage mit Speicher installiert, kann unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 60 und 80 Prozent autark sein. Also: unabhängig von Netzschwankungen. Das wirkt sich natürlich auch entlastend auf das gesamte Stromnetz aus, wenn viele Stromkunden sich im Grunde selbst versorgen. Auch E-Autos können (theoretisch zumindest) als große Batteriespeicher dienen, dessen Vorrat das Haus anzapfen kann.
Einer Studie der Agora Energiewende zufolge kann bis zu zehn Prozent des Gesamtstromverbrauchs in Deutschland durch solche „haushaltsnahen Flexibilisierungen“ betroffen sein. Allerdings sei dies nur möglich, wenn auch dynamische Stromtarife und Netzentgelte verwendet werden. Damit können Verbraucher und Verbraucherinnen den eigenen Stromverbrauch an die Netzauslastung ausrichten – was mit finanziellen Anreizen geschieht (Strom ist teuer, wenn das Netz stark belastet ist). „Dynamische Netzentgelte vermeiden damit Belastungsspitzen im Netz; der erforderliche Netzausbau wird so mit dem bisherigen Tempo machbar“, heißt es in der Studie. Eine große Hürde, die diesem Hebel im Weg steht, ist der Ausbau von Smart Metern, ohne die dynamische Stromtarife nicht möglich sind.
In Oranienburg geht es aber erstmal darum, eine kurzfristige Lösung zu finden. „Die Stadtwerke arbeiten zusammen mit der Hochspannungsnetzbetreiberin E.DIS Netz mit Hochdruck an einer Zwischenlösung, um den Engpass zu beseitigen, bis der Neubau des Umspannwerks der Stadtwerke Oranienburg in Betrieb gehen kann. Der Neubau wird die Versorgungssicherheit in Oranienburg gewährleisten“, sagt der Geschäftsführer der Stadtwerke, Peter Grabowsky.