Gebrauchtfahrzeuge

Elektroauto-Krise – darum will niemand gebrauchte Stromer kaufen

08.04.2024
Lesedauer: 4 Minuten
Gebrauchte Elektroautos haben es schwer: Der Traum von der Elektromobilität droht am eigenen Fortschritt zu ersticken. © Getty Images

Der Verkauf von neuen Elektroautos bricht ein. Das liegt auch am Gebrauchtwagenmarkt, denn dort tun sich Stromer sehr schwer. Gerald Puhl von der Fahrzeugbörse „heycar“ glaubt nicht, dass ältere E-Fahrzeuge überhaupt verkauft werden können.

Durch Umweltbonus und Innovationsprämie wurden erstmals nennenswerte Zahlen von Elektrofahrzeugen in Deutschland verkauft. Dann wurden die Zuschüsse gekappt. Und nun taucht das nächste Problem auf. Die Leasingnehmer oder Erstbesitzer wollen ihre Wagen losschlagen, doch kaum jemand möchte einen elektrischen Gebrauchten. Ein Umstand, der wohl bestehen bleibt – und auch den Neuwagenmarkt der E-Autos bedroht.

In der Coronakrise kam es zu einer Störung der Lieferketten und zum Halbleitermangel. Neufahrzeuge waren teilweise nur mit langen Lieferzeiten zu bekommen, dadurch wurde auch das Angebot an Gebrauchtwagen knapp, die Preise stiegen stark an. Das ist inzwischen vorbei. Auch E-Fahrzeuge werden in ausreichender Zahl angeboten. „Im Markt für Elektro-Fahrzeuge fallen die Preise, dies gilt sowohl für Neu- als auch Gebrauchtwagen. Man kann von Preisschlachten sprechen, etwa dann, wenn Tesla kurzfristig die Preise senkt“, sagt Gerald Puhl von „heycar“, einer Vermittlungsbörse speziell für hochwertige Gebrauchtfahrzeuge, im Gespräch mit dem stern. Seine Rechnung: Fallende Preise für Neuwagen drücken auch immer die Erlöse für Gebrauchte, was wiederum das Interesse an der gesamten Fahrzeugklasse schmälert. Ein Teufelskreis.

Verfall der Restwerte von Elektroautos 

Der Markt an gebrauchten E-Fahrzeugen wird größer, und genau das ist eine „Herausforderung“, so Puhl. Die Branche treibt eine Frage um: Wie wird mit dem Restwert-Risiko umgegangen? Der sogenannte Restwert gibt an, zu welchem Preis ein gebrauchtes Fahrzeug weiter vermarktet werden kann. „E-Fahrzeuge kommen nun gebraucht zurück in den Markt, und die große Frage ist, welchen Wert sie noch besitzen.“  Bei Verbrennern kennt man die Gesetze der Preisbildung. Bei E-Fahrzeugen sieht es ganz anders aus. Ein wesentlicher Anteil an den Fahrzeugkosten fällt auf die Batterie. Die Kunden fragen zurecht, wie belastbar der Akku noch nach zwei, drei oder vier Jahren ist. Aber das ist nicht das einzige Problem. Neufahrzeuge werden stark rabattiert und sind technisch fortgeschrittener als die Modelle, die gebraucht angeboten werden.

„Aktuell sehen wir, dass es nur eine sehr geringe Nachfrage nach gebrauchten Elektrofahrzeugen gibt. Daher erwarten wir hier in Zukunft Preissenkungen,“ sagt der Experte des Gebrauchtwagenportals. Bei Elektrofahrzeugen ist das Innovationstempo bei Reichweite, Ladegeschwindigkeit etc. größer als bei Verbrennern. Entsprechend schneller „vergreisen“ die Typen.

Phase mit hoher Innovationsgeschwindigkeit 

„Das ist ein Riesenproblem für den Kunden“, so Puhl. Das Innovationstempo wird auch noch einige Zeit beibehalten werden. Der Kunde fragt sich dann: Will ich überhaupt einen Gebrauchten? Oder ist er inzwischen komplett outdated? „Im Bereich E-Mobilität leben wir in einer Übergangsphase. Die Frage, wer das Restwert-Risiko übernimmt, wird entscheidend sein. Wenn es der private Käufer ist, wird die Nachfrage eher nicht steigen und nur über Rabatte gesteigert werden können.“ Der private Kunde ist gut beraten, das Restwert-Risiko nicht einzugehen, sondern den Wagen so zu mieten, zu leasen oder zu finanzieren, dass er ihn zu einem definierten Preis zurückgeben kann.

Volkswirtschaftlich verschwindet das Problem damit nicht, das Risiko bleibt bei Händlern und Herstellern. „Ich glaube nicht, dass man E-Autos, die älter als fünf Jahre sind, problemlos vermarkten kann“, so lautet das Verdikt des Experten. Auf „heycar“ könne man schon jetzt sehen, dass zwei, drei Jahre alte Autos nur schwer zu verkaufen seien. „Wie soll das bei noch älteren Fahrzeugen sein, wenn mehrere Generationen dazwischen liegen?“ Man kann davon ausgehen, dass das Innovationstempo in der Elektromobilität sogar zunehmen wird. Sollten neue Elektromodelle mit aktueller Akkutechnik im Preissegment von unter 20.000 Euro angeboten werden, wird es noch schwerer Gebrauchte aus höheren Klassen zu verkaufen.

Vielleicht überhaupt nicht zu verkaufen  

In der Theorie dachte man, dass der Unterhalt eines E-Autos günstiger als der eines Verbrenners sei. Schon wegen der Technik: Ein Elektromotor ist ungleich einfacher aufgebaut als ein Diesel. Der Verschleiß der Bremsen ist geringer. Verschleißteile wie der Auspuff existieren gar nicht. In der Praxis hat sich oft gezeigt, dass Reparaturen von E-Autos ungleich teurer sein können – etwa, wenn die gesamte Batterie streikt. Ein Punkt, der ältere Fahrzeuge außerhalb der Garantie unattraktiv macht. Die hohen Strompreise in Deutschland machen einen anderen Vorteil der Stromer zunichte. In vielen Ländern ist Stromtanken sehr viel billiger als Benzin. 

Für den Absatz von E-Fahrzeugen bedeutet das nichts Gutes. Der niedrige Restwert macht das Auto in den ersten Jahren sehr teuer, wenn er umgelegt wird. Das führt dazu, dass sich bereits Großkunden im Flottengeschäft von E-Modellen zurückziehen. Die Hersteller werden die Fahrzeuge nicht dauerhaft unter Preis – etwa mit „subventionierten“ Leasingraten – anbieten können. Eine Lösung könnten erneute Subventionen für diese Übergangsphase sein. Bleibt es so, wie es ist, droht ein Stillstand. „Wenn zwei bis drei Jahre alte Wagen nicht in den Markt abfließen, verstopft das den Verkauf von neuen E-Fahrzeugen“, so Puhl.

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