Die Kaufpreise eilen den Mieten davon. Dass trotzdem noch so viele zugreifen, bereitet Fachleuten Sorge.
Während Gastronomen, Einzelhändler und Kulturveranstalter seit zwei Jahren ächzen, kommt zumindest ein Wirtschaftszweig nahezu unbeschadet durch die Corona-Krise: die Wohnimmobilien. Den zu Beginn der Pandemie befürchteten Preisdämpfer gab es auch im Jahr 2021 nicht, im Gegenteil: Die Kaufpreise legten noch einmal überdurchschnittlich zu. Seit dem Tiefpunkt im Jahr 2009 haben sie sich mehr als verdoppelt. Auf 146 Prozent beziffert das am Dienstag vorgestellte Gutachten des Rats der „Immobilienweisen“ den Preisanstieg seitdem.
2021 haben sich Eigentumswohnungen im bundesweiten Durchschnitt um 14,3 Prozent verteuert, auf nun 3140 Euro je Quadratmeter. Gegenüber dem Vorjahr hat sich der Preisanstieg damit nochmals verstärkt. Von 2020 auf 2021 betrug das Plus „nur“ 11,2 Prozent. Auffällig ist, dass die Preise in Ostdeutschland zuletzt stärker gestiegen sind als im Westen. Die kreisfreien Städte im Osten – Berlin herausgerechnet – verzeichneten im vergangenen Jahr einen Anstieg um 19,6 Prozent auf einen Quadratmeterpreis von 2621 Euro. In den kreisfreien Städten im Westen stiegen die Preise dagegen nur um 12,5 Prozent, wenngleich das Niveau mit 4096 Euro auch deutlich höher liegt.
Die Mieten sind zwar auch gestiegen, allerdings bei weitem nicht so stark: um 3,7 Prozent auf durchschnittlich 8,46 Euro je Quadratmeter. Den stärksten Anstieg der Angebotsmieten beobachteten die Autoren des Gutachtens in westdeutschen Landkreisen mit 4,1 Prozent auf 8,27 Euro.
Spitzenreiter München
In den sogenannten A-Städten – das sind Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Köln, Hamburg, München und Stuttgart – verteuerten sich neue Mietverträge dagegen nur um 2,7 Prozent auf nun 12,27 Euro Kaltmiete je Quadratmeter. Ein Ausreißer nach oben bildet weiter Berlin: Dort stiegen die Angebotsmieten um 4,7 Prozent auf 9,70 Euro, absoluter Spitzenreiter ist weiter mit großem Abstand München mit Kaltmieten von durchschnittlich 16,99 Euro (plus 2,6 Prozent).
Wenn der Anstieg der Kaufpreise dem der Mieten enteilt, verheißt das wenig Gutes. Zumindest aus Sicht auf die Rendite lohnt sich der Kauf einer Wohnung immer weniger. Mancherorts haben die Kaufpreise für Wohnungen ein Niveau erreicht, das 47 Jahresmieten entspricht. Die Bruttoanfangsrendite in den sieben größten Städten seien 2021 gegenüber dem Vorjahr weiter gesunken, auf 2,2 bis 3 Prozent. „Wer heute Geld investiert, ist sicher unter der Nulllinie“, sagte Harald Simons vom Analysehaus Empirica, der einer der Autoren des Gutachtens ist.
Er machte keinen Hehl daraus, dass er diese Entwicklung für keine gute hält. Die Bundesbank geht schon seit längerem davon aus, dass Immobilien in Deutschland um bis zu 30 Prozent überbewertet sind. Von einer Blase wollten die Autoren des Immobiliengutachtens dennoch nicht sprechen – und vor dem drohenden Platzen erst recht nicht. Nur so viel: „Wenn die Zinsen nach oben gehen, wird es eine Korrektur geben“, sagte der Ökonom Lars Feld, einst Chef des Sachverständigenrats, neuerdings Berater von Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Mitautor des Gutachtens.
Für einen weiteren Preisanstieg spricht, dass laut dem Gutachten die Neubauzahlen nur geringfügig steigen, das Angebot an Wohnungen also knapp bleibt. Nach den 306.000 fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2020 schätzt das Immobiliengutachten die Zahl für 2021 auf 315.000. Die Ampelkoalition will die jährlichen Neubauzahlen auf 400.000 im Jahr steigern, allerdings sind die Kapazitäten vieler Bauunternehmen und Handwerker jetzt oft schon voll ausgelastet. Simons hält das Ziel von 400.000 deshalb frühestens in der nächsten Legislaturperiode für realistisch. Mit Blick auf die sieben größten Städte heißt es im Gutachten: „Der Neubau von Wohnungen stagniert.“
Zugleich kritisierte Simons, dass am Bedarf vorbei gebaut werde. „Wir bauen kleine Schuhschachteln statt Familienwohnungen“, kritisierte er. Die Folge: Der Trend, dass Menschen zwischen 30 und 50 ins Umland der Städte ziehen, verstärke sich. Da auch die Zuwanderung aus dem Ausland in die Städte nicht mehr so groß ist wie noch vor einigen Jahren, könnte das gegen einen weiteren Preisauftrieb sprechen. Dass Städte immer größer werden, sei jedenfalls kein Naturgesetz, so Simons: „München ist bis Ende der neunziger Jahre geschrumpft.“
Quelle: F.A.Z.