Windräder und PV-Anlagen nutzen nichts, wenn es nicht genügend Stromleitungen für den Transport gibt. Der Ausbau großer „Stromautobahnen“ ist für das Gelingen der Energiewende essenziell. Jetzt hat die Bundesnetzagentur ihren großen Ausbau-Plan vorgelegt – und bestätigt, was der kosten wird.
Die Bundesnetzagentur hat am Freitag neue Pläne für den Ausbau des Strom-Übertragungsnetzes, der sogenannten Stromautobahnen, vorgelegt. Demnach sind an Land unter anderem fünf neue Gleichstrom-Verbindungen mit einer Kapazität von jeweils zwei Gigawatt geplant. Drei davon verlaufen in Nord-Süd-Richtung, zwei in Ost-West-Richtung. Geplant sind auch weitere Leitungen zur Anbindung von Windparks auf See.
Der sogenannte Netzentwicklungsplan Strom 2023-2037/2045 (NEP Strom) legt nach Angaben der Behörde den vordringlichen Ausbaubedarf im Stromübertragungsnetz fest. Vorangegangen war ein monatelanges Verfahren, in dem alle Interessengruppen und die Öffentlichkeit die Gelegenheit hatten, Stellung zu beziehen. Der Plan dient als Grundlage für eine Neufassung des Bundesbedarfsplans, der in einem Gesetz festgeschrieben wird.
Die Zentren verändern sich
Der Ausbau des sogenannten Höchstspannungsnetzes ist nötig, weil sich die Zentren der deutschen Stromerzeugung verändern : Weg von Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken, die über das ganze Bundesgebiet verteilt sind, hin zu großen Windparks in der Nordsee. Zukünftig müssen also weitaus größere Mengen Strom vom Norden in den Süden transportiert werden.
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Der neue Plan beschreibt jetzt, welches Übertragungsnetz für eine vollständige Umstellung des Energiesystems auf erneuerbare Energien bis 2045 nötig ist. In den Regionen übernehmen dann Strom-Verteilnetze mit niedrigerer Spannung die von den „Stromautobahnen“ angelieferte Energie und leiten sie an die Verbrauchsstellen.
„Dieser Netzentwicklungsplan zeigt erstmals, welches Stromnetz wir brauchen, um die Energiewende zu vollenden“, erklärte Behördenpräsident Klaus Müller laut einer Mitteilung. Alle von den vier Übertragungsnetzbetreibern vorgeschlagenen Projekte seien sorgfältig geprüft worden. „Für ein klimaneutrales Stromsystem brauchen wir bis 2045 in erheblichem Umfang zusätzliche Stromleitungen“, betonte er. Im Netzentwicklungsplan seien lediglich die Anfangs- und Endpunkte der Leitungen definiert worden. „Der genaue Verlauf der Leitungen steht noch nicht fest, sondern wird in nachfolgenden Verfahrensschritten bestimmt.“
„Zum ersten Mal vom Ziel her gedacht“
Für den Ausbau an Land umfasst der neue NEP Strom rund 4800 Kilometer neue Leitungen sowie rund 2500 Kilometer Verstärkung bereits vorhandener Verbindungen im Vergleich zum bestehenden Bundesbedarfsplan.
Die fünf neuen Leitungen, sogenannte Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Verbindungen, sollen unter der Bezeichnung DC32 von Schleswig-Holstein nach Mecklenburg-Vorpommern, von Niedersachsen nach Hessen (DC35), von Niedersachsen nach Sachsen (DC40), von Niedersachsen nach Baden-Württemberg (DC41) und von Schleswig-Holstein nach Baden-Württemberg (DC42) verlaufen. Zudem enthält der neue NEP 116 weitere Wechselstromverbindungen im Vergleich zum aktuellen Bundesbedarfsplan.
Der für die Energiewende in Schleswig-Holstein zuständige Landesminister Tobias Goldschmidt (Grüne) sprach von einem Meilenstein und einem Paradigmenwechsel. „ Zum ersten Mal wird das deutsche Stromnetz vom Ziel her gedach t – und zwar von dem der Klimaneutralität in Deutschland im Jahr 2045“, sagte Goldschmidt.
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„Die Bestätigung des Netzentwicklungsplans ist erfreulich“, sagte auch Kerstin Andrae, Vorsitzende des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Nun gehe es darum, den Rahmen zügig umzusetzen – und auch Sicherheit für Investoren zu schaffen. Das sei auch deswegen wichtig, weil noch „weitere Milliarden-Investitionen für den Um- und Ausbau der Verteilnetze“ hinzukämen, so Andrae.
Zusatzleitung für Bayern nötig
Neu: Der Plan der Bundesnetzagentur enthält auch ein Vorhaben, das unter der Bezeichnung P540 eine Wechselstromleitung zwischen Thüringen und Bayern vorsieht. „Die Berechnungen der Bundesnetzagentur haben ergeben, dass zusätzliche Übertragungskapazitäten zur Versorgung Bayerns benötigt werden“, hieß es dazu. Die Übertragungsnetzbetreiber hätten deshalb im Konsultationszeitraum das Vorhaben nachgereicht.
Die Bundesnetzagentur erstellt derzeit nach eigenen Angaben einen Umweltbericht zum Bundesbedarfsplan, der die voraussichtlichen Umweltauswirkungen der Vorhaben beinhaltet. Die Veröffentlichung des Umweltberichts ist für Ende Mai geplant.
Im Netzentwicklungsplan ermitteln die vier Übertragungsnetzbetreiber Amprion, TransnetBW, 50Hertz und Tennet alle zwei Jahre, welche Maßnahmen für einen zuverlässigen Netzbetrieb erforderlich sind. Derzeit hat das Übertragungsnetz in Deutschland laut Bundeswirtschaftsministerium eine Gesamtlänge von 37.000 Kilometern.
flr/dpa