Streik am Montag:

Bahn stellt kompletten Fernverkehr ein – Keine Flüge aus München und Frankfurt

23.03.2023
Lesedauer: 6 Minuten
© Foto: picture alliance/dpa/ Carsten Koall

EVG und Verdi wollen mit einem Großstreik am 27. März den Verkehr in Deutschland lahmlegen. Der Flughafen BER und die Berliner Verkehrsbetriebe sind nicht betroffen.

Bei der Deutschen Bahn wird am Montag wegen des großangelegten Warnstreiks der gesamte Fernverkehr bundesweit eingestellt. Auch im Regionalverkehr werde „größtenteils kein Zug fahren“, teilte der Konzern am Donnerstag mit.

„Wir gehen davon aus, dass am Montag das Land lahmgelegt ist und dass so gut wie kein Eisenbahnverkehr möglich ist“, sagte der Personalvorstand der Deutschen Bahn, Martin Seiler am Donnerstag. „Selbstverständlich sind wir auch in solchen Situationen in sehr großem Umfang zur Kulanz bereit.“

Allen Fahrgästen riet er dennoch: „Jeder der umdisponieren kann, sollte das auch entsprechend tun.“

„Bereits am Sonntagabend sind laut Aussagen der Gewerkschaft erste Auswirkungen durch streikende Mitarbeitende möglich“, hieß es. Der Warnstreik werde sich demnach auch am Dienstag noch auf den Bahnverkehr auswirken.

Tickets bis 4. April flexibel nutzbar

Fahrgäste, die für Montag oder Dienstag eine Bahnreise gebucht haben, könnten das Ticket noch bis einschließlich zum 4. April flexibel nutzen, kündigte die Bahn an. Sitzplatzreservierungen könnten kostenlos storniert werden.

In ganz Deutschland müssen sich Pendler und Reisende am kommenden Montag auf weitreichende Einschränkungen im Bahn-, Luft- und Nahverkehr sowie auf Wasserstraßen einstellen.

Betroffen ist auch der Regional- und S-Bahnverkehr in Berlin und Brandenburg. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) werden hingegen nicht bestreikt, Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen fahren wie gewohnt.

Die Gewerkschaften begründen den Warnstreik mit dem Personalmangel in Bussen und Bahnen sowie an den Flughäfen. Die „dramatische Arbeitssituation im Verkehrssektor“ (Verdi) lasse sich nur mit deutlich höheren Gehältern beheben, allein im öffentlichen Personennahverkehr fehlten bis Ende des Jahrzehnts 110.000 Arbeitskräfte.

BER als einziger deutscher Flughafen nicht betroffen

Die Eisenbahnverkehrsgewerkschaft EVG ruft nach eigenen Angaben 230.000 Beschäftigte von Sonntag 24 Uhr bis zum Montag um Mitternacht zum Streik auf, bei Verdi sind es 120.000.

Bis auf den Berliner Flughafen BER sind alle deutschen Flughäfen betroffen. Die Flughafengesellschaften in Frankfurt und München haben bereits angekündigt, dass am Montag kein regulärer Passagier- und Frachtverkehr stattfinden wird. 

Die Beschäftigten im Mobilitätssektor „halten das Land am Laufen, werden aber viel zu schlecht bezahlt“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke am Donnerstag in Berlin.

Die Dienstleistungsgewerkschaft setzt am Montag in Potsdam mit den kommunalen Arbeitgebern und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst fort. Die EVG wiederum verhandelt mit der Bahn und rund 50 weiteren Bahnunternehmen über Einkommenserhöhungen.

Der nächste Verhandlungstermin mit der Bahn ist erst am 24. April, zuvor werde es keine weiteren Streiks geben. Für den öffentlichen Dienst wird Anfang der kommenden Woche mit einem Ergebnis gerechnet. „Wir fahren mit dem Ziel nach Potsdam, einen Tarifvertrag abzuschließen“, sagte Werneke.

Nach Verdi-Angaben beteiligten sich in den vergangenen Wochen rund 400.000 Beschäftigte an Warnstreiks, ein Großteil davon in kommunalen Krankenhäusern, Kitas und Müllabfuhren.

Mindestens 500 Euro mehr

Anlass für den Warnstreik ist die bislang ergebnislose Tarifrunde für die Beschäftigten bei Bund und Kommunen. Verdi fordert für die bundesweit 2,5 Millionen Beschäftigten in diesem Jahr eine Tariferhöhung um 10,5 Prozent, mindestens jedoch 500 Euro im Monat.

Die Arbeitgeber hatten in der zweiten Verhandlungsrunde am 22. Februar eine Lohnerhöhung von 3,0 Prozent zum 1. Oktober 2023 und eine weitere Erhöhung um 2,0 Prozent zum 1. Juni 2024 angeboten, bei einer Gültigkeit des Tarifvertrags bis März 2025.

Auf eine Vertragslaufzeit über mehr als zwölf Monate lässt sich Verdi aber nur bei deutlich höheren Lohnprozenten ein. Die Arbeitgeber wiederum wollen unbedingt die Einkommen von Führungskräften erhöhen, weil die auf dem Arbeitsmarkt zunehmend schwerer zu rekrutieren seien.

Streikführer Frank Werneke war in den vergangenen Tagen viel unterwegs. Von Montag an sitzt der Verdi-Chef in Potsdam am Verhandlungstisch.
Streikführer Frank Werneke war in den vergangenen Tagen viel unterwegs. Von Montag an sitzt der Verdi-Chef in Potsdam am Verhandlungstisch. 
© dpa/Henning Kaiser

Statt eines monatlichen Mindestbetrags, von dem untere Einkommen überproportional profitieren, legten die öffentlichen Arbeitgeber zwei einmalige steuerfreie Inflationsprämien auf den Tisch: 1500 Euro im kommenden Mai und weitere 1000 Euro im nächsten Januar.

Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr aufgrund der Preisentwicklung die steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie von bis zu 3000 Euro beschlossen. Das Geld kann bis Ende 2024 gezahlt werden. Verdi, aber auch die EVG, lehnen die Prämie ab und beharren auf einer dauerhaften Erhöhung der Einkommen. Das Argument dafür: Auch die Preise bleiben dauerhaft hoch.

Die EVG will 650 Euro mehr im Monat

Die EVG fordert für 180.000 Bahn-Beschäftigte zwölf Prozent oder mindestens 650 Euro mehr im Monat. Zuzüglich weiterer Spezialwünsche wie höhere Mindestlöhne hat Bahn-Personalchef Martin Seiler ein Kostenvolumen von 2,5 Milliarden Euro oder 25 Prozent ausgerechnet; das sei nicht finanzierbar.

In der vergangenen Woche hat Seiler fünf Prozent in zwei Schritten angeboten, zum 1. Dezember dieses Jahres drei und zum 1. August 2024 weitere zwei Prozent. Außerdem schlägt der Konzern Inflationsausgleichsprämien von insgesamt 2500 Euro vor, nämlich 1000 Euro Anfang Mai und 1500 Euro Anfang Januar kommenden Jahres.

Dieser Vorschlag „verdient den Namen Angebot nicht, das brüskiert unsere Kolleginnen und Kollegen“, reagierte die EVG empört.  

An den Flughäfen geht es um Zuschläge

In der Auseinandersetzung an den Flughäfen geht es nicht um die monatlichen Tarifeinkommen, über die wird erst Anfang nächsten Jahres verhandelt, sondern um höhere und einheitliche Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit von rund 20.000 Sicherheitsleuten. Verdi verhandelt hier mit dem Bundesverband der Luftsicherheitsfirmen, dem unter anderem Securitas, Wisag und Gegenbauer angehören.

Das Thema höherer Zuschläge für besonders belastende Arbeitszeiten war bereits 2018 aufgerufen worden. Doch zwischenzeitlich gab es andere Prioritäten, die Gehälter wurden erhöht und bundesweit angeglichen. Und in den Coronajahren passiert auch nichts. Nun gehe es den Arbeitnehmern schlicht um Respekt, erklärt Verdi die Streikbereitschaft. Ein Verhandlungstermin ist direkt nach Ostern vorgesehen. Bis dahin sind keine weiteren Flughafenstreiks geplant.

Nach Einschätzung des Flughafenverbands ADV wird der Warnstreik am Montag Hunderttausende Passagiere treffen. „Rund 380.000 Geschäfts- und Privatreisende werden ihren Flug nicht antreten können“, teilte der Verband am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin mit. Der ADV sprach von „Streikeskalation nach französischem Vorbild“. Ein ganzes Land werde vom internationalen Luftverkehr abgeschnitten.

Das Unverständnis bei den Flughäfen sei deshalb so groß, da nächste Woche Tarifgespräche in Potsdam in dritte Runde bevorstünden. Die jüngste Serie der Warnstreiks an Flughäfen brächten erhebliche Folgeprobleme mit sich. „Das Image des Luftverkehrsstandorts Deutschland bei internationalen Reisenden nimmt Schaden.“

Auch die Autobahngesellschaft soll bestreikt werden, ebenso wie die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung.

Auf der Schiene sind neben der Deutschen Bahn laut EVG unter anderem die Bahn-Unternehmen Transdev, AKN, Osthannoversche Eisenbahnen, erixx, vlexx, eurobahn sowie die Länderbahn betroffen. 

(mit dpa)

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