Fehlende Zulieferer wegen Krieg

Autobauer drosseln Fahrzeugproduktion

03.03.2022
Lesedauer: 4 Minuten
Zulieferer arbeiteten mit Hochdruck daran, die Ausfälle und Behinderungen in den Lieferketten zu kompensieren. (Foto: dpa)

Egal, welcher Autohersteller, die Produktion wird gedrosselt. Wegen des Krieges in der Ukraine kommt zu erheblichen Beeinträchtigungen bei der Produktion von Fahrzeugen in Deutschland: Die Ukraine ist ein wichtiger Lieferant für Kabelbäume.

Der Krieg in der Ukraine bremst die Fahrzeugproduktion in Deutschland aus. VW, Porsche, BMW, Mercedes-Benz und der Lkw-Hersteller MAN müssen wegen fehlender Teile von Zulieferern aus dem Kriegsgebiet ihre Produktion drosseln. Dabei geht es vor allem um Kabelbäume, bei denen sich der Westen der Ukraine zu einem wichtigen Produktionsstandort entwickelt hat. Bei Porsche stehen zunächst bis Ende kommender Woche die Bänder in Leipzig still, wie ein Sprecher mitteilte. In Zuffenhausen werde die Produktion noch aufrechterhalten.

„In den kommenden Tagen und Wochen werden wir auf Sicht fahren und die Lage kontinuierlich bewerten.“ Schon am Dienstag hatte VW erklärt, wegen des Teilemangels die Produktion im Stammwerk in Wolfsburg drosseln zu müssen. MAN stoppte nach eigenen Angaben die Produktion im Werk im russischen St. Petersburg ganz, in dem 70 Mitarbeiter beschäftigt sind. Darüber hinaus komme es zu Versorgungsengpässen und in Folge dessen zu Ausfällen in der Produktion, so ein Sprecher. In den Werken München und Krakau würden Schichten gestrichen. Auch bei BMW kommt es zu Produktionsunterbrechungen wegen Lieferengpässen, wie das Unternehmen mitteilte. Weil Teile aus der Ukraine fehlen, werde die Produktion in Dingolfing in der kommenden Woche eingestellt. „Mit unseren Lieferanten sind wir in intensiven Gesprächen“, erklärte BMW.

Auch Mercedes-Benz ist von Zulieferern in dem von Russland mit Angriffen überzogenen Land abhängig. Es werde versucht, Ausfälle zu vermeiden. Ab der kommenden Woche müsse die Schichtplanung aber angepasst werden. „Derzeit laufen unsere Werke weltweit“, ergänzte der Stuttgarter Autobauer. Die Ukraine hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Herkunftsland für Kabelbäume entwickelt. Branchenkreisen zufolge kann es Monate dauern, bis Werke an anderen Standorten die Arbeit der ukrainischen Fabriken übernehmen können. Benötigt würden Platz, Werkzeuge, Mitarbeiter und die Finanzierung. Vor allem wenn Spezialmaschinen nötig sind, seien längere Wartezeiten häufig unumgänglich.

„Prüfen alle Optionen“

Nach Angaben der Regierung in Kiew haben 22 internationale Autozulieferer mehr als 600 Millionen Dollar in 38 Werke investiert – viele davon stellen Kabelbäume her. Zu den größeren Firmen der Branche gehören der Nürnberger Bordnetz-Spezialist Leoni, Fujijura, SEBN aus Japan oder die französische Nexans. Insgesamt sind rund 60.000 Menschen in der Branche beschäftigt. Vor dem Krieg galt die Ukraine als attraktiver Standort: Brancheninsider verweisen auf die gute Ausbildung der Menschen in der Ukraine und das vergleichsweise niedrige Lohnniveau. Zudem liegt die Westukraine nicht weit entfernt von den Autowerken in Ungarn, Tschechien oder der Slowakei.

„Wir arbeiten – in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Lieferanten – mit Hochdruck daran, die Folgen der momentanen Produktionsunterbrechungen in unseren beiden Werken in Stryi und Kolomyja, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, für alle Beteiligten bestmöglich zu beherrschen“, teilte Leoni mit. Es liege auf der Hand, dass die Produktionsausfälle in der Ukraine auch Folgen für die Verfügbarkeit von Teilen in der europäischen Autoindustrie hätten. „Wir prüfen aktuell alle Optionen, die Produktionsausfälle aufzufangen.“

Kabelbäume gehören zu den Bauteilen, die ganz zu Beginn benötigt werden, wenn ein Auto gebaut wird. Fehlen sie, steht die gesamte Produktion still, weil sie nicht nachgerüstet werden können – anders als etwa Halbleiter, die häufig auch erst zu einem späteren Zeitpunkt eingebaut werden können. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine führt nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) zur Unterbrechung von Lieferketten. Der Transport ist eingeschränkt, die Produktion in Zulieferbetrieben fällt aus, wie VDA-Präsidentin Hildegard Müller mitteilt.

Keine deutschen Autos mehr nach Russland

Langfristig werde die Automobilindustrie mit Knappheit und Preisanstieg bei Rohmaterialien konfrontiert sein. Aufgrund der sehr dynamischen Situation sei ein verlässlicher Ausblick schwierig. Fest stehe aber, dass es zu weiteren Beeinträchtigungen bei der Produktion von Fahrzeugen in Deutschland kommen werde. Deren Umfang könne der VDA aktuell aber noch nicht beziffern. Die Hersteller und Zulieferer arbeiteten mit Hochdruck daran, die Ausfälle und Behinderungen in den Lieferketten zu kompensieren und Alternativen hochzufahren.

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine ziehen die deutschen Autobauer die Reißleine. Mercedes-Benz stellt seine Exporte nach Russland sowie die Fertigung dort zunächst ein.

Quelle: ntv.de

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