In diesem Jahr gestorben

Von ihnen mussten wir uns 2022 verabschieden

28.12.2022
Lesedauer: 7 Minuten

Königin, Rapper, Kammerschauspielerin und Torjäger – auch 2022 sind zahlreiche Persönlichkeiten gestorben, deren Lebensgeschichten viele Menschen bewegt haben. Eine Erinnerung in Bildern und Texten.

Sidney Poitier, 94: Der in Miami geborene Schauspieler war einer der ersten Afroamerikaner, die in Hollywood Hauptrollen spielten. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren, als Drehbuchautoren und Regisseure anfingen, sich mit Rassismus zu beschäftigen, wurde er zum ebenbürtigen Partner weißer Stars. In dem Sozialdrama »Die Saat der Gewalt« (1955) verkörperte er einen ebenso aufsässigen wie talentierten Schüler, der erst gegen seinen von Glenn Ford gespielten Lehrer rebelliert, sich dann aber mit ihm verbündet. In »Flucht in Ketten« (1958) stellen Poitier und Tony Curtis zwei flüchtende Strafgefangene dar, die mit einer Kette aneinander gefesselt sind. Poitier gab seinen Figuren Kraft, Würde, Intelligenz und eine gehörige Portion Stolz. Das großartige Duell mit Rod Steiger in dem Krimimalfilm »In der Hitze der Nacht« (1967) hat bis heute kaum etwas von seiner Wirkung verloren. Poitier spielt einen eleganten, gebildeten Ermittler, den es in den Süden der USA verschlägt, wo er auf den von Steiger dargestellten Redneck-Polizeichef trifft – doch gegenseitige Verachtung verwandelt sich mehr und mehr in Respekt. Poitier, der damals schon ein Star war, vermittelte in dieser Rolle ein starkes, bisweilen sogar an Überheblichkeit grenzendes Selbstbewusstsein. Der Pionier Poitier erschloss für afroamerikanische Darsteller in Hollywood neues Terrain. Der Schauspieler gewann im Laufe der Jahre viele Preise, darunter einen Oscar, und war nach dem Ende seiner Filmkarriere zeitweise im diplomatischen Dienst. Sidney Poitier starb am 6. Januar in Los Angeles.

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Foto: Archive Photos / Getty Images
Peter Bogdanovich, 83: Er war das große Versprechen des New-Hollywood-Kinos – und schaffte es dann doch immer nur in einigen großen Momenten, die Hoffnungen zu erfüllen, die sich mit ihm verbanden. Geboren als Kind europäischer Einwanderer, schrieb Bogdanovich wie die französischen Nouvelle-Vague-Regisseure Kritiken, bevor er anfing zu filmen. Klassiker wie »Die letzte Vorstellung«, »Is‘ was Doc?« und »Paper Moon« begründeten ab Ende der Sechzigerjahre seinen Ruhm. Doch dann begann er, die Regieangebote für Filme wie »Der Pate« auszuschlagen, drehte stattdessen Flops und hatte ein chaotisches Privatleben. 1985 und 1997 musste er Insolvenz anmelden. Er arbeitete dann als Schauspieler, etwa in der Serie »Sopranos« und hatte 2014 mit »Broadway Therapy« ein kleines Comeback als Regisseur. Peter Bogdanovich starb am 6. Januar in Los Angeles.
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Foto: Ettore Ferrari / epa / picture alliance / dpa
Ali Mitgutsch, 86: Er selbst hatte keine glückliche Kindheit, machte aber Millionen Kinder glücklich. Sie verdanken dem Münchner die Freude an Unordnung, kleinen Missgeschicken und einem pinkelnden Jungen, den der Illustrator gern in seinen XXL-Bildern versteckte. Alfons Mitgutsch, seit der Kindheit Ali genannt, gilt als Erfinder der Wimmelbücher, die sich millionenfach verkauften. Sein erstes Werk dieser Art, »Rundherum in meiner Stadt« von 1968, ist ein Klassiker des Genres. Fantasie spielte in seinem Leben schon früh eine zen­trale Rolle. Seine religiöse Mutter nahm ihre Kinder auf lange Wallfahrten mit und hielt sie mit erfundenen Geschichten bei Laune. Wenn Mitschüler ankündigten, den schmächtigen Ali zu verprügeln, floh der Außenseiter in Gedanken zu zwei erdachten Rettern: dem starken Jumbo und dem listigen Fritz. Sein vielleicht schönstes Kindheitserlebnis nach dem Krieg war eine Fahrt mit dem Riesenrad. Von oben staunte Mitgutsch über »Bilder mit vielen Details«, wie er in seiner Autobiografie schrieb, »es passierte so viel gleichzeitig«. Diese Vogelperspektive auf das Gewusel übernahm er, angeregt vom Pädagogen Kurt Seelmann, in seinen Büchern. Sie lösten Kontroversen aus: Kritiker fürchteten, das Gewimmel überfordere Kinder. 2018 erhielt Mitgutsch das Bundesverdienstkreuz. Er arbeitete bis ins hohe Alter und bastelte dreidimensionale Wimmelbilder für Erwachsene: Guckkästen, die kleine Geschichten erzählen. Ali Mitgutsch starb am 10. Januar in München.
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Foto: Anja Köhler / picture alliance / dpa
Dixie Dörner, 70: Den Spitznamen »Beckenbauer des Ostens« mochte er nicht so gern. Er hatte seinen eigenen Stil, Fußball zu spielen. Und außerdem hatte Hans-Jürgen Dörner ja auch schon seinen eigenen Spitznamen: Jeder im Fußball nannte ihn Dixie. Dixie Dörner, das war wie ein Synonym für Dynamo Dresden. Von 1967 bis 1986 hielt er dem sächsischen Traditionsklub die Treue. Als Libero der Schwarz-Gelben prägte Dörner die erfolgreichste Zeit des Vereins: Seine elegante Art, mit der er aus der Abwehr heraus das Spiel seines Teams dirigierte und organisierte, machte ihn zu einem der besten deutschen Fußballer seiner Zeit. Mit ihm und durch ihn wurde Dynamo fünfmal DDR-Meister und fünfmal Pokalsieger. Dazu war Dörner bei den legendären Europapokalduellen gegen Bayern München 1973 dabei, als die Bayern nur haarscharf am Ausscheiden vorbeischrammten. 100 Länderspiele bestritt Dörner für die DDR, und es wären noch mehr gewesen, wenn er die WM 1974 in der Bundesrepublik nicht wegen einer Gelbsucht verpasst hätte. Die olympische Gold­medaille 1976 in Montreal, als die DDR im Endspiel Polen besiegte, entschädigte ihn. Nach der Wende versuchte sich Dörner als Trainer, unter anderem bei Werder Bremen. Der Erfolg, der ihn als Spieler stets begleitet hatte, blieb ihm dabei allerdings versagt. So kehrte er am Ende zu seinem Herzensklub Dynamo Dresden zurück, dem er ab 2013 als Aufsichtsrat diente. Dixie Dörner starb nach langer Krankheit in der Nacht zum 19. Januar in Dresden.
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Foto: Sebastian Kahnert / picture alliance / dpa
Hardy Krüger, 93: Er war ein Aufklärer. Ganz gleich ob er als Schauspieler, Schrift­steller oder Reisereporter wirkte. Hardy Krüger klärte die Welt nach dem Zweiten Weltkrieg darüber auf, dass nicht alle Deutschen schlechte Menschen sind. Und die Deutschen klärte er darüber auf, dass die Welt groß und frei und schön ist. Seine Eltern waren glühende Faschisten, er sollte auf einer NS-Kaderschmiede erzogen werden. Seine Besetzung für einen Propagandafilm öffnete dem 15-Jährigen die Augen, er erfuhr von den Verbrechen. 1945 gelang es ihm, als Jugendlicher noch an die Front geworfen, sich von der Truppe abzusetzen. Angewidert vom seichten Kino der Nachkriegszeit ging Krüger nach Frankreich, dann nach England – wo er 1957 in »Einer kam durch« die Hauptrolle spielte, einen kriegsgefan­genen deutschen Jagdflieger. Es war der Beginn einer Karriere im internationalen Kino, auch an der Seite von Größen wie James Stewart oder Charles Aznavour. Zeitweise lebte Krüger in einer Lodge in Tansania, später verwandelte er sein Fernweh in erfolg­reiche Fernsehformate (»Weltenbummler«), Reiseberichte und Romane. Zeitlebens engagierte er sich gegen den Faschismus. Hardy Krüger starb am 19. Januar in Palm Springs, Kalifornien.

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Foto: Daniel Reinhardt / picture alliance / dpa

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