Die Welt nimmt Abschied vom emeritierten Papst: Nach dem Tod von Benedikt XVI. ist dessen Leichnam im Petersdom für die Öffentlichkeit aufgebahrt. Einige Trauernde standen seit der Nacht an, um das frühere Kirchenoberhaupt noch einmal zu sehen.
Seit Montagmorgen können sich Gläubige im Petersdom vom emeritierten Papst Benedikt XVI. verabschieden. Der frühere Pontifex wurde dort zwei Tage nach seinem Tod öffentlich aufgebahrt. Um kurz nach 9.00 Uhr öffneten die Pforten der großen Basilika im Vatikan. Vor der Kirche und den Sicherheitskontrollen standen Menschen lange in der Schlange – manche warteten seit mitten in der Nacht.
Der gebürtige Bayer war am Samstag im Alter von 95 Jahren in seiner Residenz im Vatikan gestorben und dort anschließend in der hauseigenen Kapelle des Klosters Mater Ecclesiae aufgebahrt worden – in rotem Papstgewand und mit einem Rosenkranz in den Händen.


Quelle: dpa/Michael Kappeler
Am frühen Montagmorgen wurden die sterblichen Überreste dann von einem Kleinbus den kurzen Weg vom Kloster zum Petersdom gebracht. Dort liegt Benedikt vor dem großen Altarraum. Links und rechts steht jeweils ein Mitglied der Schweizer Garde, der historischen Leibgarde der Päpste. Die Besucher stehen im Mittelgang an.
Unter den ersten Trauergästen war Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Staatspräsident Sergio Mattarella war kurz vor 9.00 Uhr in der Basilika, wie Agnello Stoia, der Pfarrer des Petersdoms, der Nachrichtenagentur Ansa sagte. Auch Benedikts langjähriger Weggefährte und Privatsekretär Georg Gänswein war im Dom.
Vor der Kirche standen mehrere Hundert Leute um den ganzen Petersplatz herum Schlange, um Einlass zu bekommen. „Ich möchte mich von ihm verabschieden“, sagte ein Gläubiger aus Deutschland, der stundenlang anstand. „Seit 1.00 Uhr, ich war der Erste“, erzählte er. „Ich erwarte eine gewisse Stille und Demut, so wie er es sich gewünscht hat“, sagte ein Mann aus Regensburg, wo der gebürtige Bayer Ratzinger einst Universitätsprofessor war und wo dessen Bruder Georg 2020 starb.


Quelle: dpa/Michael Kappeler


Quelle: dpa/Alessandra Tarantino


Quelle: dpa/Andrew Medichini
Am Donnerstag will Benedikts Nachfolger Papst Franziskus dann einen Trauergottesdienst auf dem Petersplatz abhalten. Zehntausende Besucher werden erwartet. Im Anschluss soll Benedikt XVI. in der Krypta des Petersdoms beigesetzt werden – dem Vernehmen nach in jenem Grab, in dem einst die Überreste Johannes Pauls II. lagen, bis sie nach dessen Heiligsprechung an einen anderen Ort in der Basilika verbracht wurden.
Während der Feierlichkeiten zu Silvester und Neujahr würdigte Papst Franziskus seinen Vorgänger als „treuen Diener“ der Kirche. Franziskus hatte noch am vergangenen Mittwoch während der Generalaudienz in der vatikanischen Audienzhalle zum Gebet für den schwer erkrankten Papa Emeritus aufgerufen – und damit überhaupt erst auf dessen schlechten Gesundheitszustand aufmerksam gemacht.
Wie anschließend bekannt wurde, bekam Benedikt schon an jenem 28. Dezember die Krankensalbung – im Volksmund auch letzte Ölung genannt. Sein Zustand war danach laut Vatikan zwar besorgniserregend, aber stabil. Am Silvestertag starb er schließlich, was weltweit für große Anteilnahme sorgte. Seine letzten Worte sollen „Herr, ich liebe dich“ gewesen sein, wie Vatikan-Sprecher Matteo Bruni und das vatikanische Medienportal „Vatican News“ später berichteten.
Kurz nach dem Tod Benedikts war Franziskus der Erste gewesen, der in seine Residenz kam und an seinem leblosen Körper betete. Kardinäle und andere Kirchenvertreter kamen später, um vom früheren Chef der Glaubenskongregation Abschied zu nehmen. Benedikt lebte in den vergangenen Jahren nach seinem freiwilligen Rücktritt 2013, dem ersten eines Papstes seit mehr als 700 Jahren, sehr zurückgezogen in dem Kloster in den Vatikanischen Gärten, wo sich sein Privatsekretär Georg Gänswein um ihn kümmerte.
Der Umgang zwischen Benedikt und seinem Nachfolger galt als respektvoll, wenn auch nicht ganz einfach. Joseph Ratzinger, wie sein bürgerlicher Name lautete, wurde in Oberbayern geboren und am 19. April 2005 als Nachfolger von Johannes Paul II. zum Papst gewählt. Er war der erste deutsche Pontifex seit mehr als 480 Jahren. Geistliche und Politiker würdigten ihn nach seinem Tod als klugen Theologen. Kritiker beklagten jedoch den konservativen Kurs in seiner Zeit als Kirchenoberhaupt – eine Parallele zu seinem polnischen Vorgänger Johannes Paul II.
Kritik im Missbrauchsgutachten
Benedikt XVI. stemmte sich gegen eine Modernisierung der Kirche, was ihm viel Kritik einbrachte. Seine Amtszeit wurde von dem Missbrauchsskandal überschattet, der die katholische Kirche in eine tiefe Krise stürzte. Und auch nach seinem Rücktritt holten ihn die Vergangenheit und sein Umgang mit Missbrauchsfällen wieder ein.
Ein vom Münchener Erzbistum in Auftrag gegebenes Missbrauchsgutachten warf ihm Anfang 2022 Fehlverhalten in seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising in vier Fällen vor. Kurz nach der Veröffentlichung des Gutachtens musste Benedikt über seinen Privatsekretär Gänswein eine Aussage nachträglich korrigieren.
Dabei war es Benedikt, der noch als Kardinal Ratzinger im Amt des Präfekten der einflussreichen Glaubenskongregation erste Weichenstellung zur Verfolgung von Missbrauch in der Kirche vornahm. Seine mehr als 20-jährige Amtszeit in der äußerst wichtigen Vatikan-Behörde war aber auch von strenger Haltung zu Themen wie Verhütung, Abtreibung und Zölibat geprägt, was insbesondere in Europa viele Gläubige ablehnten. In anderen Teilen der katholischen Weltkirche, etwa in Ländern Afrikas und Lateinamerikas, erfuhr seine Linie dagegen breite Unterstützung.