Ziemiak gerät selbst in Kritik

Verbale Entgleisung auf Grünen-Parteitag? CDU fordert umgehenden „Klartext“ von Baerbock

14.06.2021
Lesedauer: 3 Minuten
Publizistin Carolin Emcke war als Gastrednerin beim Grünen-Parteitag dabei.© Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Beim Grünen-Parteitag will Annalena Baerbock neuen Schwung in den zuletzt ins Stocken geratenen Wahlkampf bringen. Doch eine Gastrednerin sorgt für Irritation.

Berlin – Auf ihrem Online-Parteitag läuten die Grünen die heiße Wahlkampfphase ein. Am Samstag (12. Juni) wurde Annalena Baerbock mit einer deutlichen Mehrheit als Kanzlerkandidatin der Partei für die Bundestagswahl bestätigt. Doch ein als verbale Entgleisung gerügter Beitrag einer Gastrednerin überschattete teils den virtuellen Parteitag.

Die renommierte Autorin und Publizistin Carolin Emcke sprach in einer Videobotschaft über Klimaforscher. Und den Umstand, dass diese häufig Zielscheibe heftiger Kritik sind. Emcke ließ sich in ihrer Rede diesbezüglich zu einem fragwürdigen Vergleich hinreißen.

Grünen-Parteitag: Gastrednerin Carolin Emcke zieht fragwürdigen Vergleich

„Es wird sicher wieder von Elite gesprochen werden“, meinte die vielfach ausgezeichnete 53-Jährige: „Und vermutlich werden es dann nicht die Juden und Kosmopoliten, nicht die Feministinnen und die Virologinnen sein, vor denen gewarnt wird, sondern die Klimaforscherinnen.“ Vergleicht Emcke die Verfolgung der Juden während der Nazi-Zeit mit der (teils in Hatespeech ausufernden) Antipathie einiger Menschen gegen Klimaforscher? Zumindest könnte die Aussage der Publizistin entsprechend interpretiert werden.

Emcke gilt als anerkannte Autorin. Seit 2017 ist sie Trägerin des Bundesverdientskreuzes, 2020 verlieh ihr Ministerpräsident Armin Laschet den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen. Doch nun polarisierte sie mit ihrer Äußerung auf dem Grünen Parteitag.

Auch auf Twitter gab es Umutsbekundungen über Emckes Wortwahl: „Ich war ja zeitweise beeindruckt von Carolin Emcke. Aber der Teil ihrer aktuellen Rede, wo sie Juden in eine Reihe mit ‚verfolgten Virologen’ und kritisierten Klimaforscherinnen stellt, ist ganz, ganz furchtbar!“, schrieb eine Userin.

Grünen-Parteitag: Böhmermann und Özdemir reagieren auf Emcke-Rede – Ziemiak stellt Forderung

ZDF-Satiriker Jan Böhmermann reagierte ebenfalls auf Emckes Rede. Er postete ein Foto Hans-Georg Maaßens, auf dem der Ex-Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz breit grinst – gegen Maaßen hatte es zuletzt Antisemitimusvorwürfe gegeben. Zu lesen war auch die Kritik, der CDU-Politiker verbreite in sozialen Netzwerken Verschwörungstheorien.

Unterdessen forderte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock zu einer zeitnahen Stellungnahme auf. „Das ist eine unglaubliche und geschichtsvergessene Entgleisung auf dem Parteitag der Grünen“, twitterte Ziemiak. Der Christdemokrat fügte hinzu, dass er von Baerbock dazu noch am Samstag „absolute Klarheit“ erwarte. Bezüglich Antisemitismus dürfe es keinen Raum für Interpretation geben, schrieb Ziemiak weiter. „Da gibt es nur Klartext.“

Parteitag der Grünen: Ziemiak fordert nach Emcke-Botschaft Klarstellung – und gerät selbst in die Kritik

Ziemiak wurde daraufhin aber ebenfalls von mehreren Seiten kritisiert. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner reagierte darauf – ebenfalls auf Twitter. „Dass Paul Ziemiak Carolin Emcke und den Antisemitismus-Vorwurf für ein billiges Wahlkampfmanöver instrumentalisiert, ist daneben. Dafür ist der Kampf gegen Antisemitismus zu wichtig und zu ernst. Ich erwarte eine Entschuldigung an Carolin Emcke, die in ihrer Haltung glasklar ist.“ SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ergänzte am Abend: „Ich kenne und schätze Carolin Emcke. Ihr Antisemitismus zu unterstellen ist wirklich schäbig.“ Die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley schrieb auf Twitter von einer „Nebelkerze“ der CDU – wohl auch mit Blick auf eine umstrittene Kampagne der Lobby-Organisation INSM gegen Baerbock.

Eine Reaktion kam bereits von Ex-Grünenchef Cem Özdemir. „Unsere Demokratie wird von vielen Seiten bedroht. Das hat Carolin Emcke in ihrer Rede sehr deutlich gemacht“, schrieb Özdemir auf Twitter. Er ergänzte aber auch: „An einer Stelle war das aber in der Rede unglücklich formuliert. Vergleiche mit dem Hass, dem Menschen jüdischen Glaubens ausgesetzt sind, sind nicht angemessen.“

Erst am Freitag hatte es Aufregung in umgekehrter Richtung gegeben: Die Lobby-Organisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft attackierte Baerbock in einer Großkampagne – das gewählte Motiv verstanden einige Beobachter als unterschwellig judenfeindlich(kh)

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