"Cyrano" als Musical

Peter Dinklage in seiner tragischsten Rolle

04.03.2022
Lesedauer: 4 Minuten
Cyrano liebt Roxanne, doch Roxanne liebt einen anderen. (Foto: imago images/Picturelux)

Verfilmt wurde die Geschichte des Cyrano de Bergerac, der wegen seines Aussehens an Minderwertigkeitskomplexen leidet, schon oft. Eine neue Musical-Adaption wäre zwar nicht nötig gewesen, trotzdem muss man am Ende zum Taschentuch greifen.

Es ist die Bürde eines kleinwüchsigen Schauspielers wie Peter Dinklage, dass seine Körpergröße in seinen Produktionen zum zentralen Thema wird. In seiner bekanntesten Rolle etwa als Tyrion Lannister in „Game of Thrones“ spielt der 1,35 Meter große Mann den klügsten Bruder seiner Familie, der jedoch häufig nicht ernstgenommen wird. Auch in „Cyrano“ kann Peter Dinklage davon nun – im wahrsten Sinne des Wortes – ein Lied singen. Nach mehreren Verfilmungen, darunter mit José Ferrer (1950), Steve Martin (1987) und Gérard Depardieu (1990) in der Hauptrolle, haben sich Regisseur Joe Wright („Stolz und Vorurteil“) und Drehbuchautorin Erica Schmidt nun an eine Musical-Adaption der Geschichte über den tragischen Helden gewagt, der mit ansehen muss, wie sich seine Angebetete in einen anderen Mann verliebt.

Anders als im originalen Theaterstück von Edmond Rostand (1897) und bei seinen Film-Vorgängern ist es aber nicht seine große Nase, die das Selbstbewusstsein von Cyrano de Bergerac schmälert. Bei Peter Dinklage in der Hauptrolle hält natürlich seine Körpergröße als besonderes Merkmal hin, weshalb er davon überzeugt ist, nicht geliebt werden zu können. Überhaupt scheint ihm die Rolle auf den Leib geschnitten zu sein – was vermutlich daran liegt, dass Dinklage seit 2005 mit Erica Schmidt verheiratet ist und zwei Kinder mit ihr hat.

Es ist die klassische Geschichte des besten Freundes, in dessen Haut man nicht stecken möchte. Als Offizier und mit seinem Degen in der Hand strotzt Cyrano de Bergerac Ende des 17. Jahrhunderts in Frankreich nur so vor Selbstbewusstsein. Doch wenn es um Herzensangelegenheiten geht, leidet er unter solchen Minderwertigkeitskomplexen, dass er Roxanne (Haley Bennet), seiner besten Freundin von Kindheitstagen an, seine Liebe nicht eingestehen kann. In der Friendzone gefangen muss er ertragen, wie sich seine Angebetete in den Kadett Christian de Neuvillette (Kelvin Harrison Jr.) verliebt, ohne zu merken, dass der Richtige eigentlich die ganze Zeit schon an ihrer Seite war. Der Unterschied: In „Cyrano“ tragen die Charaktere alle Strumpfhosen und viel mehr Rouge als heutzutage üblich ist.

Cyrano schreibt die schönsten Liebesbriefe

Doch noch in einem weiteren Punkt grenzt sich Cyrano von Helden ähnlicher klassischer Romanzen ab: Statt der Hauptdarstellerin nur eine Schulter zum Anlehnen anzubieten, während sie sich von einem anderen Mann den Kopf verdrehen lässt, hilft ihr Cyrano sogar tatkräftig dabei, diesen zu gewinnen. Denn Christian ist zwar attraktiv, keine Frage, doch was er an gutem Aussehen hat, fehlt ihm an Sprachgewandtheit.

Roxanne hat sich jedoch in sein Äußerliches verliebt und erwartet nun, dass er auch in allen anderen Bereichen so perfekt ist, wie sie sich ihn vorstellt. So soll er ihr nicht nur ausschweifende Liebesbriefe schreiben, sondern auch persönlich überschwängliche Liebesbekundungen übermitteln. Da Christian jedoch nicht mit mehr als „Ich liebe dich so sehr!“ oder ein paar Engel- und Blumenvergleiche dienen kann, beginnt Cyrano, all seine eigenen Gefühle für Roxanne in die schönsten Briefe zu verwandeln, die Christian dann als seine eigenen ausgeben kann.

Anders als im Originaltext hat Regisseur Wright in der Musical-Adaption auf das Versmaß verzichtet und lässt die Hauptcharaktere stattdessen über ihre Gefühle singen. Komponiert wurde die melancholische Musik von den Brüdern Aaron und Bryan Dessner der Indie-Band The National. Die passt zwar gut zur Handlung und harmonisiert mit den Stimmen der Schauspieler, wäre aber nicht nötig gewesen, um die Neuverfilmung von ihren Vorgängern abzuheben. Dafür geraten die einzelnen Lieder – bis auf „Where I Fall“, als Cyrano und Christian in den Krieg ziehen – zu schnell wieder in Vergessenheit, ein bisschen was Einprägsameres wäre wünschenswert gewesen.

Überschattet wird die Musik auch von den übertriebenen Choreografien, die sich durch den Film ziehen. Denn wenn oberkörperfreie Bäcker um einen Brotteig tanzen und ihn anzüglich kneten oder Roxanne sich beim Lesen der Liebesbriefe alleine in ihrem Bett wälzt wie beim heißen Sex, rücken die Melodien in den Hintergrund. Doch wenn Dinklages Stirn tiefe Furchen zeigt, weil er von seiner Angebeteten übersehen wird, kann man nicht anders, als mit ihm mitzuleiden. Überhaupt brilliert der 52-Jährige in dieser undankbaren Rolle als heimlicher Verehrer und spielt sie mit einem Feingefühl, dass man, Musik hin oder her, am Ende zum Taschentuch greifen muss.

Cyrano läuft ab sofort in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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