"Es tut mir leid"

Geschlechtsdebatte beim Boxen – Olympiasprecher warnt vor „Kulturkrieg“

05.08.2024
Lesedauer: 4 Minuten
Nach dem Wirbel um ihre Olympia-Zulassung hat die algerische Boxerin Imane Khelif ihr Achtelfinale bei den Sommerspielen nach nur 46 Sekunden gewonnen. Jetzt meldet sich sogar Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zu Wort. Quelle: WELT TV

Nach ihrem K.o. bei Olympia gegen die umstrittene Boxerin Imane Khelif verweigerte Angela Carini den Handschlag. Das sei ein Missverständnis gewesen, sagt sie nun und verteidigt ihre Gegnerin. Inzwischen hat sich sogar die UN eingeschaltet.

Die unterlegene Italienerin Angela Carini hat ihr Unverständnis über die Geschlechtsdebatte um die algerische Boxerin Imane Khelif geäußert. „Wenn sie nach Meinung des IOC kämpfen darf, respektiere ich diese Entscheidung“, sagte die 25-Jährige der „Gazzetta dello Sport“. Sie habe versucht, die Diskussion auszublenden.

„Diese Kontroversen haben mich auf jeden Fall traurig gemacht und es tut mir leid für die Gegnerin, die auch nur hier ist, um zu kämpfen“, sagte Carini. Sie hatte in der ersten Runde nach 46 Sekunden durch technischen K.o. gegen Khelif verloren. Ihre Gegnerin war bei der WM 2023 wegen eines nicht bestandenen Geschlechtstests ausgeschlossen worden.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte eine Starterlaubnis für Paris erteilt und warnt vor einer Eskalation. „Wir dürfen daraus keinen Kulturkrieg machen, sondern müssen an die Menschen denken, die von Falschinformationen betroffen sind“, sagte IOC-Sprecher Mark Adams. Die Diskussion um das Geschlecht von Khelif und Lin Yu-Ting aus Taiwan sei „ein Minenfeld“, die Athletinnen könnten seelische Schäden erleiden.

Regelwerk schon in Rio und Tokio gültig

„Wissenschaftlich gesehen ist das kein Kampf eines Mannes gegen eine Frau“, betonte Adams Es gebe keine einfache Erklärung in dieser Frage, weder wissenschaftlich noch politisch gebe es einen Konsens in der Geschlechterdebatte. „Wenn ein gemeinsames Verständnis erreicht wird, wären wir die Ersten, die danach handeln würden“, sagte der IOC-Sprecher.

Das im Pass angegebene Geschlecht sei für viele Sportarten maßgeblich für die Zulassung zu den Wettbewerben. Im Boxen sei das Regelwerk schon bei Olympia 2016 in Rio und 2021 in Tokio so wie in Paris angewendet worden.

IOC-Präsident Thomas Bach äußerte sich gegenüber der Nachrichtenagentur Ansa klar. „Sie ist eine Frau, die seit sechs Jahren auf internationalem Niveau an Wettkämpfen teilnimmt“, sagte der 70-Jährige über Khelif und betonte nach einem Treffen mit Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni: „Wir waren uns einig, dass wir in Kontakt bleiben und den wissenschaftlichen Hintergrund klären und verbessern wollen, um die Situation verständlicher zu machen.“

Meloni heizt Debatte an

Carini hatte die Debatte zunächst selbst durch ihr Verhalten befeuert. Nach dem Ende des Kampfes gab es den üblichen Handschlag nicht. Dies sei jedoch ein Missverständnis gewesen. „Das war keine absichtliche Geste, ich entschuldige mich bei ihr und bei allen. Ich war wütend, weil die Olympischen Spiele für mich vorbei waren. Ich habe nichts gegen Khelif, wenn ich sie noch einmal treffen würde, würde ich sie umarmen“, sagte Carini.

Mit ihrer Aussage, es sei nicht fair, sei nicht Khelif gemeint gewesen. „Das ist absolut nicht so. Es war nicht fair, dass mein Traum so schnell zu Ende gegangen ist“, sagte Carini. Sie habe sich drei Jahre lang vorbereitet und wollte um eine Medaille kämpfen. Der zweite Schlag von Khelif sei für sie wie ein Schock gewesen: „Ich habe aufgegeben, da stimmte etwas nicht. Es war nicht geplant, es war eine instinktive Entscheidung.“

Nach Auffassung von Meloni hätte Khelif nicht zu den Sommerspielen zugelassen werden sollen. „Man muss in der Lage sein, auf gleicher Augenhöhe zu kämpfen. Von meinem Standpunkt aus war es kein Wettbewerb unter Gleichen“, sagte die 47-Jährige. „Ich denke, dass Athleten, die männliche genetische Merkmale haben, nicht zu Frauenwettbewerben zugelassen werden sollten. Nicht, weil man jemanden diskriminieren will, sondern um die Rechte der weiblichen Athleten zu schützen, damit sie unter gleichen Bedingungen konkurrieren können.“

Inzwischen haben sich sogar die UN zu dem Thema geäußert. Die jordanische UN-Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Reem Alsalem, äußerte ihre Bedenken.

Auf X schrieb sie: „Angela Carini ist zu Recht ihrem Instinkt gefolgt und hat ihre körperliche Sicherheit in den Vordergrund gestellt, aber sie und andere Sportlerinnen hätten dieser physischen und psychischen Gewalt aufgrund des Geschlechtes nicht ausgesetzt werden dürfen.

wolf mit dpa

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