Hannelore Elsners Garderobe

Aus den Schränken einer wirklichen Diva

16.07.2021
Lesedauer: 5 Minuten
Im Jahr 1990: Die Schauspielerinnen Hannelore Elsner (rechts) und Sonja Kirchberger (links) sowie der Filmproduzent Bernd Eichinger (2.v.l.) sitzen beim 17. Deutschen Filmball zusammen. Bild: PICTURE-ALLIANCE

Chanel-Perlen und Leoparden-Pumps: Die Garderobe der Schauspielerin Hannelore Elsner wird in München versteigert. Die Kleider sind Spiegel ihrer facettenreichen Persönlichkeit.

Die persönliche Garderobe berühmter Frauen, wo sie zum Verkauf kommt, hat immer diesen speziellen Reiz der körperlichen Berührung, wie sie sich zumindest vorstellen lässt. Die besondere Anziehung gilt für solche Kleidungsstücke womöglich noch stärker als für Kunstwerke, die von ihren prominenten Vorbesitzern geadelt sind. Weil sie nämlich eine Art von Kontaktreliquien darstellen, wie sie die höchste Stufe der Nähe versprechen. Darin sind sie wiederum verwandt mit der heftig bespielten Gitarre eines Rockstars oder dem noch mit Schweiß und Tränen getränkten Trikot eines Fußballers. Es ist dies ein Phänomen, das von so zeitloser Gültigkeit ist wie eben der Personenkult – und wie die Mode selbst. Wie weit das gehen kann, zeigt der bis heute uneingeholte Rekord in der Disziplin Filmstar, den Marilyn Monroes hautfarbene Glitzerrobe hält, in die eingenäht sie 1962 für John F. Kennedy „Happy Birthday, Mr. President“ hauchte. Sie wurde im November 2016 in Los Angeles an einen unbekannten Bieter für sagenhafte 4,8 Millionen Dollar abgegeben.

Allererst wirklichen Charme entfaltet eine solche Veranstaltung, wenn sich in der Bekleidung und in den Accessoires die Persönlichkeit ihrer einstigen Trägerin abbildet. Dann wird die Garderobe zu einem Spiegel, wenn schon nicht ihrer Seele, so doch ihres Charakters, der von ihr favorisierten Selbstinszenierung. So ist das vor vier Jahren geschehen bei der Nachlass-Auktion von Audrey Hepburn, in der sich ihr klarer Stil manifestierte, nicht zuletzt in der Anzahl ihrer Ballerinas. Und genau das geschieht, wenn Neumeister in München am 22. Juli die Garderobe von Hannelore Elsner versteigert.

Das Auktionshaus hat schon seit einem Jahrzehnt Veranstaltungen aus dem Terrain der Mode im Programm. Zuletzt vor zwei Jahren, als der Titel „Vintage Culture“ den Anspruch auf jene Kultiviertheit erhob, in der sich eben Stil manifestiert, als Beständigkeit im Wandel. Jetzt also die Sonderauktion „She“: Mehr als tausend Kleidungsstücke, Schuhe und weiteres Zubehör aus den offenbar unerschöpflichen Schränken von Hannelore Elsner bilden zugleich ein Stück Modegeschichte, über die fast sechs Jahrzehnte ihres Wirkens hin. Und in dieser Vielfalt wird der Geist ihrer Besitzerin sichtbar, deren Attitüde die Modetheoretikerin Barbara Vinken im Katalog sehr schön so beschreibt: „Hannelore Elsner war so mutig, das Stigma des Weiblichen nicht von sich zu weisen, nicht überwinden und übertünchen zu wollen, sondern es ironisch zu verkörpern. Sie zog es sich an.“

Esprit der Lady als Tramp

Als Hannelore Elsner im April 2019 starb, verlor der deutsche Film eine wahre Diva. Ihr Weg hatte sie von den Sechzigern aus – als „bezaubernde Schülerin“, etwa neben Peter Alexander in einem der notorischen Pauker-Filme – hin zur Charakterdarstellerin von höchsten Graden geführt, wie in Oskar Roehlers Filmdrama „Die Unberührbare“ aus dem Jahr 2000, wo sie, viel gerühmt und ausgezeichnet, den Niedergang der unglücklichen Schriftstellerin Hanna Flanders verkörperte. Die Diva verfügte zugleich über den Esprit der Lady als Tramp. Zwar ist die breitschultrige schwarze Lederjacke, die sie in ihrer Rolle als TV-Kommissarin Lea Sommer von 1994 bis 2006 trug und unter die auch das Pistolenhalfter passte, nicht in der Auktion. Aber sie war ein Requisit, mit dem sie eins zu sein schien; kühl bis ans Herz, ironisch, erotisch. Und wenn das Leben mal wieder einen unerwarteten Auftritt für Lea Sommer vorgesehen hatte, auch im extravaganten Abenddress drunter, auf High Heels. Beim freundlichsten Schuhmacher Frankfurts im Bahnhofviertel stand lange im Fenster ein Paar für Hannelore Elsner handgearbeitete Pumps, solche der Art, auf denen frau richtig gut stehen, tanzen, rennen kann. Und als Los Nummer 1778 firmiert die Jacke aus kräftigem schwarzen Leder eines unbekannten Designers aus den neunziger Jahren (Taxe 200/300 Euro).

Der ungewöhnliche Auktionskatalog ist im Zeitungsformat und üppig bebildert wie ein Fanzine alter Schule aufgemacht – seiner Heldin entsprechend glamourös, kapriziös. So ist sie in dieser „Zeitung“ auf einem doppelseitigen Foto zu sehen, wie sie auf dem Tisch tanzt, in einem kupferfarbenen Ensemble aus Seide von Jil Sander, das auf tausend bis 1200 Euro geschätzt ist. Das war beim Münchner Filmball 2018 im Hotel Bayerischer Hof. Für diese Feste hatte sie dort stets ihre Suite, wo der Fotograf Michael Leis für das „She“-Journal einige ihrer Roben und Accessoires inszeniert hat. Es gibt transparente Träume aus Chiffon, wie ein Hauch von Nichts, über die sich gewiss ein superklassischer Leder-Trenchcoat von Louis Vuitton tragen ließ (Taxe 900/1000 Euro). Dann, ganz anders, verschwenderisch geblümte Abendmäntel für den entsprechenden Hier-bin-ich-Moment: In einem von ihnen, einem besonders aparten Modell von Dries van Noten, hatte sie ihren letzten Auftritt auf dem Roten Teppich, zur Premiere von Doris Dörries’ Film „Kirschblüten & Dämonen“ im Februar 2019 (Taxe 800/900 Euro). Dass sie Schuhe mochte, ist erkennbar. Dafür stehen Slingpumps mit Leomuster von Dolce & Gabbana (Taxe 250/280 Euro) oder eine kleine Phalanx von Western-Stiefeletten (Taxen um 500 Euro).

Hannelore Elsner war eine dedicated follower of fashion, im wundervoll verschwenderischen Sinn; ihre Garderobe kam von rund neunzig Designern. Wie nun sie wiederfinden in den Kleidern, die sie trug (oder auch gar nicht jemals anhatte, eben nur in ihrem Schrank wissen wollte)? „Wenn jemand meine Filme aufmerksam ansieht, erfährt er alles über mich“ – ihr Satz steht in schwarzen Versalien über zwei Seiten hin. Genauso lässt sich das vielleicht über ihre Kleider sagen, über die divaesken Roben und eigenwilligen Outfits: Ihr Stil war so vielseitig und wandelbar wie es ihre Ausstrahlung war.

In seinem Nachruf auf Hannelore Elsner schrieb Bodo Kirchhoff in der F.A.Z.: „Niemand, der sie kannte, wird vergessen, wie sie klein und doch groß, unübersehbar, einen Raum betritt, wie jeder und jede sie ansieht, einfach, weil ihr Gesicht auf eine so diskrete Weise schön ist. Das Schöne darin war nicht zu enthüllen, soweit sie nicht selbst etwas davon enthüllte.“ Da war ein Geheimnis. Ein wenig wird es nun gelüftet – von jenen Hüllen, in denen sie sich so gern und lustvoll zeigte.

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