Haintchen (Hessen) – Das Dorf liegt idyllisch im Taunus. 908 Einwohner, Barock-Kirche, Kita, Sportplatz, Wald und Wiesen, die Großstadt Frankfurt scheint Lichtjahre entfernt. Doch bald könnten 250 Meter hohe Windräder Haintchen überragen.
Elf Anlagen sollen mitten im Naturpark gebaut werden, um die Energiewende zu stemmen. Die Grünen, die bis Herbst 2023 in Hessen mitregierten, hatten sich dafür starkgemacht.
Ein Windrad wäre nur 1000 Meter hinter dem Haus von Alexandra Dowidat-Berboth (53). Sie sagt: „Dafür muss man bis zu 1,5 Hektar Wald abholzen. Wir haben Hirschrudel mit über 100 Tieren und geschützte Rotmilane. Das wäre das Ende für das kleine Paradies.“


Am Dorfbrunnen hängt das Plakat „Pro Natur! Gegen Windkraft!“ Zehn Bewohner von Haintchen sind da. Sie sind keine Klima-Leugner. „Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss mit Augenmaß geschehen“, so Michaela Hönig (49) zu BILD. „Pro Windrad werden 1000 Tonnen Beton in den Boden gepumpt. Die werden wir nie mehr wieder los“, fürchtet Ewald Stath (69).
Ortsvorsteher David Liesering (39, CDU): „Fast 80 Prozent der Wahlberechtigten haben an einer Meinungsumfrage teilgenommen, über 90 Prozent davon haben gegen die Windkraftanlagen gestimmt.“


Foto: wegmann-schepp.de
Fast jeder Vierte wählte die AfD
Dann der Schock bei der Landtagswahl Oktober 2023: 22,4 Prozent haben in Haintchen AfD gewählt – fast jeder Vierte. Auch aus Windrad-Frust? „Die Menschen hier sind keine Rechtsextremen. Das sind Protestwähler. Das machen die Ampel in Berlin und allen voran die Grünen. So kann es nicht weitergehen“, ist Alexandra Dowidat-Berboth überzeugt.


Foto: Andreas Arnold/dpa
Als sie Hessens Ex-Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (53) wegen der Windkraft-Pläne schrieb, bekam sie den Flyer „Erneuerbare Energien: Mythen und Wahrheiten“ zurück. Der Grünen-Politiker: „Vielleicht können Sie es danach etwas differenzierter sehen.“
Die Windräder haben die Dorfgemeinschaft gespalten. Viele reden nicht mehr offen, Freunde vertrauen sich nicht mehr. Deshalb ist auch Kristina Engesser (63) zum Dorfbrunnen gekommen, obwohl sie als Atomkraft-Gegnerin für Windkraft ist: „Wir müssen doch alle miteinander reden.“
Appell an Ministerpräsident Boris Rhein
Fakt ist: Die alte schwarz-grüne Landesregierung wollte die Hälfte des künftigen Strombedarfs mit Windenergie decken. Das neue CDU-Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt schiebt die BILD-Anfrage jetzt weiter zu den unteren Genehmigungsbehörden.
Das Regierungspräsidium Darmstadt erklärt: Der Wald bei Haintchen gehört zu den „Vorranggebieten für Windenergie, die nach einem mehr als zehn Jahre laufenden Planungsprozess ausgewiesen wurden“.


Ein Rad im „Windpark Laubus“ könnte theoretisch bis zu 4500 Haushalte mit Strom versorgen – wenn genügend Wind weht. Laut Behörden hätten bisher Vorgespräche stattgefunden, „ein Genehmigungsantrag nach Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) liegt noch nicht vor“.
Allerdings: Drei Anlagen in Nachbar-Dörfern wurden zuletzt genehmigt. Hinzu kommt: Der Wald ist Staatsforst, der Einfluss der Kommunen begrenzt. Damit würde Haintchen auch keine Pacht, allenfalls wenige tausend Euro Umlage bekommen.
Alexandra Dowidat-Berboth appelliert direkt an Ministerpräsident Boris Rhein (52, CDU): „Schauen Sie sich an, wie schön es hier ist. Soll das wirklich zerstört werden?“

