Opposition fragte Ministerium

Wie viele Geimpfte gibt es wirklich? Lauterbach-Antwort offenbart Daten-Lücke

17.02.2022
Lesedauer: 4 Minuten
In der Kritik: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Kay Nietfeld/dpa-Pool/dpa

Das Gesundheitsministerium wusste offenbar rechtzeitig von der RKI-Entscheidung über einen verkürzten Genesenenstatus. Das zeigt ein Papier, welches FOCUS Online vorliegt. Dieses offenbart auch eine besorgniserregende Unwissenheit über die Daten von Geimpften.

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Karl Lauterbach (SPD) muss sich den Vorwurf gefallen lassen, seine Hausaufgaben als Gesundheitsminister an einer entscheidenden Stelle nur mangelhaft erledigt zu haben. Es geht um die vermeintlich plötzliche Veränderung des sogenannten Genesenenstatus in der Corona-Pandemie.

Bis Mitte Januar galt: Wer Corona überstanden hatte, wurde sechs Monate lang wie jemand behandelt, der eine Impfung bekommen hat. Scheinbar über Nacht war diese Frist durch das Robert-Koch- und das Paul Ehrlich-Institut auf drei Monate halbiert worden, was für Erstaunen, Verunsicherung und teilweise Empörung gesorgt hatte. So verloren plötzlich unzählige Bürger ihr Recht, in Restaurants, Bars oder in Fitnessstudios zu gehen.

Brisante Anfrage der Union zu Verhalten von Lauterbach

Selbst der eigenen Partei war dieses Pandemie-Management zu abrupt. Aus dem Fraktionsvorstand der SPD hieß es, dass solche Entscheidungen in Zukunft besser kommuniziert werden müssten. Ähnlich äußerten sich die Ministerpräsidenten. Der in Bedrängnis geratene Minister erklärte darauf hin, von der Entscheidung des RKI und des Paul Ehrlich-Instituts über eine unmittelbar bevorstehende Verkürzung des Genesenenstatus nichts gewusst zu haben. Vier Wochen später entzog Lauterbach den Instituten sogar die Befugnis, über solche Themen zu entscheiden.

Vor diesem Hintergrund ist die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Union brisant. Die Oppositionsparteien CDU und CSU hatten nach der wissenschaftlichen Begründung für die Verkürzung gefragt und wollten auch erfahren, wie es passieren konnte, dass Lauterbach über so weitreichende Änderungen in der Pandemiepolitik nicht ausreichend informiert war. 

Verklausulierte Antwort aus dem Gesundheitsministerium

Die Antwort des Lauterbach-Ministeriums kommt etwas verklausuliert in dem mehrseitigen Papier daher, das FOCUS Online vorliegt: Das RKI habe „in der 2. Kalenderwoche 2022 dem Bundesgesundheitsministerium Vorschläge zur potenziellen Verkürzung des COVID-19-Genesenenstatus im Zusammenhang mit der Umsetzung der Beschlüsse des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 7. Januar 2022 vorgelegt. Diese Vorschläge waren eingebettet in den Themenkomplex der Ausnahmen von den Quarantäneregeln für Personen mit Auffrischimpfung.“

Die zweite Kalenderwoche reichte vom 10. bis 16. Januar. Zum 15.Januar kam es zu der plötzlichen Änderung durch das RKI. Wann genau das Ministerium informiert wurde, bleibt in dieser Antwort unklar. Dass es allerdings informiert wurde und nicht durch einen plötzlichen Hinweis auf der Website des RKI überrascht wurde wie Millionen Deutsche auch, geht jetzt aus der Antwort hervor. Offenbar wusste nur Lauterbach nicht, was sich da so plötzlich anbahnte.

Das Ministerium beruft sich in seiner Antwort auch davon, dass die Änderungen „an leicht zugänglicher Stelle“, nämlich der Homepage des RKI, einsehbar gewesen. Kritik kommt dazu von der Union: „Anscheinend wird erwartet, dass sich jeder vor dem Frühstück auf der Homepage des Robert-Koch-Institutes informiert. Realitätsferner kann man nicht argumentieren“, heißt es von deren gesundheitspolitischen Sprecher Tino Sorge.

Ministerium weiß nicht, wer doppelt mit Johnson & Johnson geimpft ist

Noch eine zweite Antwort der Regierung auf die Anfrage der Opposition ist interessant. Es geht um den Impfstoff von Johnson & Johnson und die Tatsache, dass Menschen mit dieser Impfung doch nicht wie vollständig Geimpfte behandelt werden, wenn sie keine zweite Impfung vorweisen können. Vor dieser Entscheidung hatte bei Johnson & Johnson-Geimpften eine Dosis gereicht, um sie als vollständig Geimpfte zu behandeln. Auch diese Maßnahme im Januar hatte für große Kritik gesorgt.

Jetzt kommt heraus: Die Behörden wissen zwar, dass nach ihren Daten rund 3,6 Millionen Menschen mit Johnson & Johnson geimpft sind. Sie haben aber keine Ahnung, wie viele davon eine zweite Impfung erhalten haben. Dieses Unwissen sorgt dafür, dass sich eine Ermittlung der alles entscheidenden Quote vollständig Geimpfter in Deutschland nicht mehr seriös durchführen lässt.

Vertrauen in Lauterbachs Ministerium angekratzt

„Massive Wissenslücken“ bei der Bundesregierung erkennt Unions-Mann Tino Sorge. Lauterbach wisse entweder nicht, wie seine Gesetze wirken, oder er habe sein Ministerium nicht im Griff. „Beides wäre fatal.“ Lauterbach hat mittlerweile zwar Fehler in der Kommunikation des RKI eingeräumt und die Befugnisse des Instituts beschnitten. Doch der Minister, ursprünglich der Star im Kabinett von Kanzler Olaf Scholz, ist aus Sicht der Opposition angezählt.

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