Seit Monaten agiert die Mocro-Mafia über die niederländische Grenze hinweg. Die Drogenbande hinterlässt dabei eine Spur der Gewalt. Die Polizei scheint überfordert. Der Überblick.
Ein Knall weckt am Montag die Anwohner. Mitten in der Nacht kommt es zur einer Explosion in der Speditionsstraße im Düsseldorfer Medienhafen. Die Fassade rund um die Eingangstür des Luxushochhauses der Hausnummer 8 ist schwarz verkohlt. Es ist ein Explosionsanschlag von vielen in jüngster Zeit. Immer wieder prüft die Polizei einen Zusammenhang mit der sogenannten Mocro-Mafia aus den Niederlanden – wie auch in diesem Fall.
»Mocro« ist in den Niederlanden ein Slangwort für Marokkaner. Inzwischen hat sich der Begriff allerdings zu einem Synonym für organisierte Drogenkriminalität im großen Stil entwickelt. Viele der Gangs sind marokkanisch geprägt, Marokko galt lange als eine der Hauptquellen für Cannabis (Lesen Sie hier mehr dazu). Die Legalisierung des Rauschgifts in Holland hat sie reich und mächtig werden lassen.
Was will die Drogenbande in Deutschland? In einer Lagerhalle in Hürth bei Köln sollen Hunderte Kilogramm Cannabis mit einem Schwarzmarktwert von 1,5 Millionen Euro gestohlen worden sein. Die Drogen sollen der Mafia aus den Niederlanden gehört haben. Ermittler gehen davon aus, dass die Mocro-Mafia die vermeintlichen Diebe jagt. Nach SPIEGEL-Informationen kam es zuvor zu einem Konflikt zwischen Mitgliedern der Gruppierung und Angehörigen eines polizeibekannten arabischstämmigen Clans.
Inzwischen gehen die Ermittler auch davon aus, dass mehrere Explosionen der jüngere Ausdruck eines eskalierenden Drogenkrieges sind.
Anschlagsserie in Nordrhein-Westfalen
Der Drogenkrieg wird hauptsächlich in NRW ausgetragen. Der erste Angriff startet am 29. Juni um 2.30 Uhr. Nach einem lauten Knall gehen Fensterscheiben und die Eingangstür eines Mehrfamilienhauses zu Bruch. Rauch steigt aus dem Wohnhaus in der Keupstraße in Köln-Mülheim auf. Es gibt keine Verletzten, aber hohen Sachschaden.
Es stellt sich heraus, dass die Explosion durch pyrotechnische Gegenstände im Eingangsbereich ausgelöst wurde, wie die Kölner Polizei mitteilt. Nur 24 Stunden später ereignen sich zwei weitere Detonationen in unmittelbarer Nähe. Diesmal sind die Explosionen so stark, dass sie noch mehrere Häuser weiter zu hören sind.
Am 2. Juli knallt es erneut, diesmal in Engelskirchen. Wieder gehen durch die Wucht der Explosion Fensterscheiben zu Bruch, die Tür wird herausgerissen.
Folter im Keller
Ein paar Tage später, am 8. Juli, taucht ein Video in den sozialen Netzwerken auf. Darauf zu sehen: eine Geiselnahme. Ein Mann und eine Frau werden festgehalten und schwer misshandelt. Aufgenommen wurden die Sequenzen anscheinend von einem der Täter. In einem Video befragt er die beiden zu einem Lager, mutmaßlich einem Drogenversteck. Die Frau ist halb nackt an einen Stuhl gefesselt, der Mann liegt nackt und geknebelt mit blutender Kopfwunde vor ihr auf dem Boden. Nach einer Frage eines Peinigers hagelt es Schläge mit einem langen Gegenstand.
Spezialkräfte befreien die Frau und den Mann aus dem Keller in der Villa in Köln-Rodenkirchen. Sieben Beschuldigte werden in Untersuchungshaft genommen. Weitere Verdächtige sollen in die Niederlande geflohen sein.
Die Foltermethoden haben der Mafia anscheinend nicht viel gebracht. Dafür aber ein weiteres Problem: Der Vermieter, dem die Villa in Köln-Rodenkirchen gehört, soll mit der Polizei geplaudert haben. Am 11. Juli wird unweit der Düsseldorfer Königsallee gegen ein Uhr nachts ein selbst gebauter Sprengsatz an einem Haus in der Berliner Allee gezündet. Laut »Bild«-Zeitung soll der Anschlag dem Vermieter gegolten haben.
Explosionen in Köln und ein bestochener Polizist
Die nächsten Sprengungen fanden Ende Juli und Mitte August in Duisburg und Köln statt. Der Ablauf ist ähnlich: Mehrfamilienhäuser, Sachschaden, keine Verletzten. Die Behörden versuchen, die Puzzleteile zusammenzusetzen. Die Mafia treibt derweil weiter ihr Unwesen. Ausgerechnet ein 25-jähriger Polizist soll Spuren verwischt haben – gegen Geld.
Zudem soll er laut »Kölner Stadt-Anzeiger« aus dem Kreis der Beschuldigten Informationen zu einem Kriminalfall erhalten haben, die er jedoch nicht an seine Kollegen weitergegeben habe. Außerdem habe er das Personendatensystem der Polizei abgefragt und Ermittlungsergebnisse verfälscht. Auch dafür soll er Geld von der Mocro-Mafia erhalten haben.
Am 15. August kommt es erneut zu einer Explosion auf der Berliner Allee in Düsseldorf, am selben Haus wie schon am 11. Juli. Diesmal wird auch ein Schuss abgefeuert. Vier Tage später der bislang letzte Anschlag im vier Kilometer entfernten Medienhafen. Wie die »Bild«-Zeitung berichtet, soll dort eine Verwandte des Vermieters der Villa in Köln-Rodenkirchen wohnen.
Typisches Drohmittel der Drogenhändler
Explosionen vor Hauseingängen sind ein oft angewandtes Drohmittel niederländischer Drogenhändler – wie auch der Mocro-Mafia. Michael Mertens, NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sagte im Juli: »Die niederländische Drogenmafia ist längst hier, und NRW als Verkehrsdrehscheibe ist da ein Dreh- und Angelpunkt. Was man sich klarmachen muss: Das sind wirklich Täter von äußerster Brutalität.«
Eine Ermittlungskommission in Köln bearbeitet mittlerweile 25 Verfahren. »Die Verfahren richten sich gegen mindestens 20 Beschuldigte«, so ein Sprecher zur Nachrichtenagentur dpa.
Mit Material von der Nachrichtenagentur dpa