Rote Hilfe und Antifa

Wie die linksradikale Szene ihre Gewalttäter fördert

22.04.2021
Lesedauer: 5 Minuten
Die Antifa-Szene in Stuttgart bei einer Demonstration im März Quelle: picture alliance/dpa

Am Rande einer Corona-Demo sind drei Männer zum Teil lebensgefährlich verletzt worden. Die mutmaßlichen Täter erhalten von Antifa und Roter Hilfe ideologische und finanzielle Unterstützung im Prozess. Der Verfassungsschutz sieht ein Muster.

Stuttgart-Stammheim ist wegen der dortigen RAF-Prozesse bundesweit bekannt. Dort müssen sich seit Anfang der Woche zwei junge Männer wegen eines Angriffs am Rande einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen verantworten. Sie sollen laut Staatsanwaltschaft als „Teil einer Gruppe von etwa 20 bis 40 Personen aus der linken Szene“ drei „aus Sicht der Angreifer der rechten Szene zuzuordnende Personen auch mittels Schlagwerkzeugen“ verletzt haben.

Dabei „sei geplant gewesen, die Angriffe als koordiniert und homogen auftretende Gruppe durchzuführen, um dadurch eine Identifizierung einzelner Handelnder zu erschweren“.

Einem der Angeklagten, der zum Tatzeitpunkt im vergangenen Mai 20 Jahre alt war und der in Stammheim neben dem Gerichtsgebäude in Haft sitzt, wird versuchter Totschlag vorgeworfen. Er soll eines der Opfer mit Schlägen gegen den Kopf lebensgefährlich verletzt haben. Der 54-jährige Mann lag mehrere Wochen im Koma. Ein zur Tatzeit 24 Jahre alter mutmaßlicher Komplize ist wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt.

Weil die Opfer der Gewerkschaftsgruppe „Zentrum Automobil“ angehören, deren Vorsitzender dem rechtsradikalen Magazin „Compact“ Interviews gibt, werden die beiden Angeklagten nun in der Antifa-Szene als Helden gefeiert. Auf einer eigens für die Unterstützung der beiden geschalteten Homepage heißt es:

„Antifaschismus heißt für uns, den Kampf gegen rechts selbst in die Hand zu nehmen“, dazu zähle „eben auch, Faschisten körperlich daran zu hindern, ihre Hetze zu verbreiten. Für eine solche konsequente antifaschistische Haltung sollen jetzt Jo und Dy stellvertretend für die gesamte antifaschistische Bewegung vor Gericht gezerrt werden. Es gilt weiterhin: Getroffen hat es die beiden, gemeint sind wir alle.“ Im Kampf gegen rechts sei „auf diesen Staat kein Verlass. Staat und Polizei sind nicht die Lösung, sondern Teil des Problems!“

Antifa-Szene hat Kampagne ins Leben gerufen

Um die Solidaritätsarbeit für die beiden Angeklagten zu organisieren, hat die Antifa-Szene im Großraum Stuttgart die Kampagne „Antifaschismus bleibt notwendig“ ins Leben gerufen. Insbesondere die beiden vom Verfassungsschutz als „linksextremistisch“ eingestuften Antifa-Gruppen wie das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region (AABS) und das Offene Antifaschistische Treffen Rems-Murr (OAT RM) führen regelmäßig Solidaritätsaktionen für die beiden Tatverdächtigen durch. Wie bei anderen Prozessen gegen Antifa-Angehörige demonstrierten auch am Montag Szenemitglieder in Stammheim vor dem Gericht.

Laut baden-württembergischem Verfassungsschutz ist der Stuttgarter Ortsgruppe der sogenannten Roten Hilfe e. V. eine „besondere Bedeutung in allen Fragen der Unterstützungsarbeit für die beiden Angeklagten“ beizumessen. Der Verein verkündet auf seiner Homepage, den beiden Angeklagten „zur Seite“ zu stehen, man engagiere sich etwa bei der Vermittlung von Rechtsanwälten, berate politisch und juristisch, helfe bei der Pakete- und Briefzustellung „im Knast“ und leiste „finanzielle Unterstützung“.

Über das Spendenkonto der Roten Hilfe Stuttgart werden unter dem Stichwort „kriminalisierte Antifas“ finanzielle Mittel für die Tatverdächtigen gesammelt. Laut Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz ist es „naheliegend, dass die akquirierten Spenden auch für den Rechtsbeistand der Beschuldigten verwendet werden“.

Demnach übernimmt die Rote Hilfe auch die „ideologische Unterstützung“ der beiden Angeklagten. So könne beispielsweise Post mit Solidaritätsbekundungen an die Adresse des Vereins in Stuttgart versendet werden, welche diese den sich in Haft befindenden „Genossen“ übermittelt.

Laut dem aktuellen Bundesverfassungsschutzbericht ist die Rote Hilfe „mit rund 10.500 Mitgliedern und bundesweit etwa 50 Ortsgruppen eine der größten und wichtigsten Gruppierungen im deutschen Linksextremismus“. Innerhalb der vergangenen drei Jahre habe die Rote Hilfe einen starken Mitgliederzuwachs erfahren (2017: 8300). Ihr primäres Betätigungsfeld sei die „Unterstützung von linksextremistischen Straftätern sowohl im Strafverfahren als auch während der Haftzeit“, um diese „zum ‚Weiterkämpfen‘ zu motivieren“.

Die Organisation biete „politischen und sozialen Rückhalt“ und leiste „juristische sowie finanzielle Unterstützung“, beispielsweise bei „anfallenden Anwalts- und Prozesskosten sowie bei Geldstrafen“. Bei der Auswahl der „Unterstützungsfälle“ lasse die Rote Hilfe erkennen, „dass sie die Anwendung von Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung nicht nur befürwortet, sondern auch unterstützt“. Die Organisation fordere „dazu auf, grundsätzlich die Zusammenarbeit mit Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Straftaten zu verweigern“.

Trotz dieser Erkenntnisse erfährt die Rote Hilfe Unterstützung aus den linken Parteien. Mehrere Linke-Politiker bis hin zur innenpolitischen Sprecherin im Bundestag, Ulla Jelpke, sind Mitglied. Als Ende 2018 eine Diskussion über ein Verbot der Organisation aufkam, stellte sich die SPD-Parteijugend hinter die Radikalen. Auf dem Juso-Bundeskongress wurde ein Antrag des damals von Kevin Kühnert geführten Bundesvorstandes angenommen, in dem es hieß: „Wir solidarisieren uns mit der Roten Hilfe e.V. und sprechen uns gegen das Verbot der Roten Hilfe aus. Wir fordern die SPD auf, das angekündigte Verbot zu verhindern.“

Die Grüne-Parteijugend in Niedersachsen positionierte sich in der Debatte „eindeutig gegen die Kriminalisierung der Roten Hilfe, zum Beispiel durch die Nennung in den Verfassungsschutzberichten“. Der Landesverband erkenne „die Wichtigkeit der Roten Hilfe für alle emanzipatorischen Kämpfe, zum Beispiel gegen Rassismus, Faschismus, Sexismus, Nationalismus, Kapitalismus und Umweltzerstörung an“.

Zwar sei es zu kritisieren, „dass die Rote Hilfe auch Geld an Aktivisten auszahlt, die aufgrund von Aktionen, die sich gegen den Staat Israel richten, Repressionen erfahren haben“, doch insgesamt sei sie „eine enorm wichtige linke Solidaritäts- und Hilfsorganisation, und wir rufen zur Unterstützung zum Beispiel durch Spenden auf“. In dem Appell rief die Grüne Jugend Niedersachsen sogar „ihre Mitglieder zum Eintritt in die Rote Hilfe auf“.

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