AKW-Laufzeitverlängerung

Umweltministerium blamiert sich durch fehlende Fachkenntnisse

27.03.2022
Lesedauer: 3 Minuten
Björn Peters ist Bundesvorstandsmitglied und ehrenamtlicher Ressortleiter Energiepolitik beim Deutschen Arbeitgeberverband e.V. © Björn Peters/Peters Coll.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat eine „ideologiefreie Prüfung“ einer Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke angekündigt. Doch im Umweltministerium wurde seine Absicht hintertrieben, schreibt Björn Peters vom Deutschen Arbeitgeberverband im Gastbeitrag.

Wiesbaden – Als Russland in der Ukraine einmarschierte und die Energiekrise, die seit dem Sommer des vergangenen Jahres die Öl-, Gas-, Kohle- und Strompreise in die Höhe getrieben hatte, eskalierte, bot Habeck an, alle Optionen zu prüfen, um die Versorgungssicherheit zu verbessern und die Energiekosten zu dämpfen. Im ZDF-Morgenmagazin sagte er, dass er selbst einen Weiterbetrieb der letzten noch betriebsbereiten Kernkraftwerke „ideologiefrei“ prüfen werde.

Ein Weiterbetrieb der Kernkraftwerke wäre die mit Abstand wirkungsvollste, preisgünstigste und am einfachsten umzusetzende Maßnahme, mit der die Versorgungssicherheit für Strom und damit auch Gas auf umweltfreundlichem Wege erhöht werden könnte. Nur die Politik müsste mitspielen.

Atomausstieg: Argumente des Umweltministeriums nicht stichhaltig

Die zuständigen Ressorts für Energie – neben dem Bundeswirtschaftsministerium das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz BMUV – machten sich an eine Prüfung. Am Ende stand ein „Prüfvermerk“ zur Laufzeitverlängerung in Deutschland. Das Ergebnis war, dass nach „einer Abwägung von Nutzen und Risiken […] eine Laufzeitverlängerung der drei noch bestehenden Atomkraftwerke auch angesichts der aktuellen Gaskrise nicht zu empfehlen“ sei. Damit sollte die Diskussion um eine Laufzeitverlängerung nach Aussage ihrer Autoren „beerdigt“ werden.

Doch enthält der Prüfvermerk des BMUV zahlreiche Ungereimtheiten. Keines der Argumente des BMUV ist bei näherem Hinsehen stichhaltig.

Das BMUV äußert Sicherheitsbedenken. Technisch sind die Anlagen nach Aussagen der zuständigen Gesellschaft für Reaktorsicherheit jedoch auf dem neuesten Stand der Sicherheitsanforderungen. Personal ist bei den Betreibern vorhanden und Personalpläne ließen sich ändern. Die Brennelemente können noch etliche Monate weiter genutzt und neuer Brennstoff in kurzer Zeit geliefert werden.

Alle sechs Kraftwerke sind entgegen den Behauptungen des BMUV nach Aussagen der Gesellschaft für Reaktorsicherheit in einem hervorragenden technischen Zustand. Sämtliche Sicherheitsanforderungen werden erfüllt.

Atomausstieg: Alle laufenden AKWs laut Experten in einem hervorragenden Zustand

Das BMUV behauptet eine Verfassungsproblematik, die es so nicht gibt. Nach wiederholter Rechtsprechung billigt das Bundesverfassungsgericht dem Bundestag einen weiten Ermessensspielraum zu. Im Jahr 2011 betrachtete dieser die Kernkraft als Hochrisikotechnologie; kommt er heute im Einklang mit dem Stand der Wissenschaft zum gegenteiligen Schluss, muss Karlsruhe ihm folgen.

Besonders problematisch ist, dass die Mitarbeiter des BMUV grundlegende Begriffe ihres Metiers durcheinanderbringen. Sie verwechseln zum Beispiel die Betriebsgenehmigung – diese liegt für alle Anlagen auch während der Zeit des Rückbaus vor – mit der Genehmigung zum Leistungsbetrieb. Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass fachliche Qualifikation im BMUV nicht in hinreichender Menge vorhanden ist.

Atomkraft: Zuständige Mitarbeiter im Ministerium kennen grundlegende Fachbegriffe nicht

Es ist beunruhigend, wenn die für die Atomaufsicht Zuständigen nicht mal die grundlegenden Fachbegriffe auseinanderhalten können und mit viel Phantasie fehlerhafte Argumente konstruieren, um selbst Blockadepolitik zu betreiben. Offensichtlich ist die Abteilung „Nukleare Sicherheit, Strahlenschutz“ im BMUV für die anspruchsvolle Aufgabe, die Sicherheit der kerntechnischen Anlagen in Deutschland zu gewährleisten, fachlich nicht gerüstet.

Robert Habeck sollte dafür sorgen, dass die Abteilung schnellstmöglich außerhalb des BMUV neu und mit ausreichender Fachkompetenz aufgestellt wird. Sie wird gebraucht, um der Politik gangbare und rechtssichere Wege für eine Laufzeitverlängerung aufzuzeigen.

Zur Person: Dr. Björn Peters ist Bundesvorstandsmitglied und ehrenamtlicher Ressortleiter Energiepolitik beim Deutschen Arbeitgeberverband e.V. Er verantwortet dort die energiepolitische Kolumne „Die Energiefrage“. Privat leitet er das von ihm gegründete energiepolitische Forschungs- und Beratungsinstitut Peters Coll., das politischen Institutionen bei der Neuformulierung der Energiepolitik unterstützt. Im Bereich Unternehmensberatung unterstützt er Unternehmen aus der Energie- und Rohstoffwirtschaft bei der Herstellung von Kapitalmarktfähigkeit, strategischen Fragen und der Entwicklung neuer Geschäftsfelder

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