Die Krise ist beim Wahlvolk in Mecklenburg-Vorpommern angekommen. Die politische Stimmung hat sich laut einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap im Auftrag des NDR deutlich verändert. Die SPD verliert, die AfD wächst – ebenso wie die Sorgen der Menschen im Land.
Die Triumph-Stimmung der SPD und ihrer Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ist längst verzogen. Denn nach der gewonnenen Landtagswahl im September vor einem Jahr kämpft die Partei mit einem Vertrauensverlust. Die Sozialdemokraten kommen laut NDR Umfrage nur noch auf 28 Prozent – ein Minus von fast 12 Punkten im Vergleich zum Wahlergebnis 2021.
AfD profitiert offenbar von Proteststimmung
Bitter für die SPD: Sie kann Platz 1 zwar behaupten, aber der Vorsprung zur rechtspopulistischen AfD schrumpft. Die „Alternative“ klettert laut Umfrage auf 24 Prozent, ein Zuwachs von gut sieben Punkten. Die größte Oppositionspartei kann offenbar die Proteststimmung für sich nutzen, sie macht sich trotz des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für den Kauf von russischem Gas stark und fordert ein Ende der Russland-Sanktionen. Kaum eine Rolle scheint zu spielen, dass die AfD-Landtagsfraktion zerrissen ist.
Keine Mehrheit mehr für Rot-Rot – FDP rutscht unter 5 Prozent
Mit Abstand folgt in der Umfrage die CDU. Sie kommt auf 17 Prozent, das ist mehr als bei der Wahl, aber weniger als bei der vergangenen Umfrage im Juni. Der Trend geht für die Christdemokraten wieder nach unten. Die Linke würde sich im Vergleich zu den desaströsen 9,9 Prozent bei der Wahl leicht auf 11 Prozent verbessern. Als Protestpartei gelingt es ihr, den Abwärtstrend aufzuhalten.
Etwas zugelegt haben die Grünen mit 8 Prozent. Für die FDP setzt sich dagegen auch in Mecklenburg-Vorpommern die Schussfahrt ins Tal fort – mit 4 Prozent würde sie den Einzug in den Landtag verpassen. Die Zahlen zeigen, dass die rot-rote Koalition keine eigene Mehrheit mehr hätte, die SPD müsste sich einen dritten Partner ins Regierungsboot holen oder sie schmiedet mit der CDU eine Neuauflage der rot-schwarzen Koalition.
Knappe Mehrheit mit Schwesigs Arbeit unzufrieden
Dass sich die Stimmung gedreht hat, macht ein Blick auf die Zufriedenheitswerte deutlich. Immer mehr Wahlberechtigte sehen die Arbeit der rot-roten Koalition kritisch, 55 Prozent sind mit ihr nicht zufrieden. In die roten Zahlen rutscht auch die bekannteste Politikerin im Land. Eine knappe Mehrheit – 48 Prozent – gibt Ministerpräsidentin Schwesig, die sich noch im Wahlkampf als „Frau für MV“ stilisierte, schlechte Noten, 47 Prozent sind dagegen zufrieden mit ihr. Bemerkenswert: Im Vergleich mit den deutschen Länderchefs schneidet Schwesig schlecht ab. Nur Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat noch schlechtere Werte. Allerdings liegen einige Befragungen etwas zurück, sie würden bei einer Aktualisierung wahrscheinlich anders ausfallen.
Bei Bundestagswahl wäre Abstand zur AfD noch geringer
Schwesig darf für sich verbuchen, dass die Landes-SPD noch vergleichsweise gut dasteht. Denn bei einer Bundestagswahl wäre in Mecklenburg-Vorpommern der Abstand zur AfD noch knapper. Die Sozialdemokraten hätten nur einen hauchdünnen Vorsprung von einem Prozentpunkt. Auffällig ist, dass Schwesig sich von der Politik der Ampel in Berlin, in der ihre SPD den Kanzler stellt, gerne auch mal abgrenzt. Zuletzt forderte sie Nachbesserungen beim Entlastungspaket für die hohen Energiepreise.
Entlastungen des Bundes gehen für viele nicht weit genug
Die Instinkt-Politikerin Schwesig weiß, dass diese Fragen die Leute umtreiben. Die Umfrage spiegelt nur wider, was offenkundig auf der Hand liegt: 70 Prozent reichen die angekündigten Entlastungen der Bundesregierung nicht, nur drei Prozent halten die Hilfen für überzogen. Auch deshalb ist der Rückhalt für die „Energieproteste“ auch in Mecklenburg-Vorpommern groß. 82 Prozent der Wähler und Wählerinnen haben Verständnis dafür.
Viele besorgt wegen Preissteigerungen und Krieg
Die Krise beherrscht das Denken im Alltag: 87 Prozent machen sich laut Umfrage große Sorgen, dass die Preise immer weiter steigen. Gleich danach kommt die Angst vor einem Krieg – 71 Prozent fürchten, dass Deutschland in den Krieg hineingezogen wird. Fast genauso viele sorgen sich um eine sichere Energieversorgung. 66 Prozent fürchten, dass ihr Wohlstand sinkt und sie im Alter zu wenig Geld haben. Und immerhin zwei von dreien sorgen sich, dass der Klimawandel sich beschleunigt. Corona spielt nach mehr als zwei Jahren Pandemie eine eher kleine Rolle: Nur 42 Prozent haben Sorge, dass die Zahlen steigen. In der Krise verändern die Menschen auch ihren Alltag: Zwei Drittel wollen im Winter weniger heizen und ihren Stromverbrauch senken.
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