»Kein schöner Land in dieser Zeit« ist ein Volkslied, das erstmals 1840 veröffentlicht wurde. Nun haben die Grünen den Text umgedichtet – in einem Werbespot für die Bundestagswahl im September.
Im Spot thematisieren die Grünen unter anderem Heimatverbundenheit, Grillen, Landwirte, Handwerk, Kirche und Fußball. Eine Zeile der Grünen-Version des Liedes lautet: »Es regt sich Aufbruch weit und breit – auf neuen Wegen – bleiben nicht stehen – in dieser Zeit«. Am Ende tauchen auch die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und Co-Parteichef Robert Habeck auf. Die beiden singen aber nicht.
Der Spot richtet sich nach Angaben der Grünen vor allem an Menschen über 60 Jahre, die eher konservativ eingestellt sind. Der Parteivorstand mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock war zuvor in die Entwicklung des Werbespots eingebunden.
In den sozialen Netzwerken sind die Meinungen sehr unterschiedlich. Auf Twitter landete in kurzer Zeit das Wort »cringe« in den Trends, was häufig ein Gefühl des Fremdschämens ausdrücken soll. Einige lobten den Spot aber auch als Ohrwurm und passend für die gewünschte Zielgruppe. Außerdem äußerten sich mehrere Prominente. »Vielleicht WOLLEN die Grünen gar nicht gewählt werden!?«, fragte der Satiriker Jan Böhmermann auf Twitter. Die Autorin Sophie Passmann schrieb unter dem Spot: »Ist der Song schon auf Spotify?«
Auch einige Politikerinnen und Politiker der Grünen, die für den Bundestag kandidieren, kommentierten den Spot. »Wählt die Grünen: Für konsequenten Klimaschutz und damit wir aufhören zu singen«, twitterte zum Beispiel Jakob Blasel, der im Landkreis Rendsburg-Eckernförde antritt.
»Wir wollen damit ein Gefühl von Aufbruch, einen positiven Blick in die Zukunft vermitteln – und natürlich auch ein Schmunzeln bei den Zuschauern hervorlocken«, sagte Annkathrin Schäfer, Wahlkampfmanagerin der Grünen. »Gute Werbung eckt halt auch mal an.«
Keine professionellen Sängerinnen und Sänger gewählt
Urheber des Spots, der nach Angaben der Grünen ab diesem Dienstag in »ausgewählten Online-Kanälen« läuft, ist die parteieigene Agentur »Neues Tor 1«. Im Fernsehen soll der Clip demnach erstmals am Dienstagabend in der ARD laufen.
Agentur und Partei setzten dabei »auf mehr als 20 Unterstützerinnen und Unterstützer« anstelle von professionellen Sängern und Sängerinnen, so die Grünen. Demnach singen sie zu Hause oder am Arbeitsplatz einzelne Zeilen des umgeschriebenen Liedtextes.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Grünen sich traditionellen deutschen Liedguts bedienen. 2018 starteten die Parteichefs Habeck und Baerbock auf eine Sommerreise, die unter dem Motto »Des Glückes Unterpfand« stand, einer Zeile aus der Nationalhymne.
Heftige Kritik an Werbespots der Union und SPD
Im diesjährigen Wahlkampf standen bereits Werbespots von CDU/CSU und SPD im Mittelpunkt. Ein Video von Unionskanzlerkandidat Armin Laschet mit Szenen vom Berliner Denkmal für die ermordeten Juden Europas und aus einer Kohlezeche hatte Kritik hervorgerufen. Laschet wurde vorgeworfen, sich zu inszenieren und den Besuch des Denkmals zu instrumentalisieren.
Aus dem Konrad-Adenauer-Haus hieß es daraufhin, die Verwendung der Szenen für den Spot sei dem Zentralrat der Juden vor Veröffentlichung bekannt gewesen und mit diesem abgestimmt. Der Zentralrat twitterte am Sonntagabend als Reaktion auf die Kritik, dass er den Einsatz gegen Antisemitismus und Hass sowie Engagement für Demokratie von allen demokratischen Parteien unterstütze. Dazu gehöre auch die aktive Erinnerung an die Schoa.
Eine andere Szene des Videos zeigt Laschet offensichtlich beim Besuch einer Zeche. Hier hat der Politiker ein staubverschmiertes Gesicht, die Menschen um ihn herum hingegen nicht. Beobachtern erschien dies merkwürdig.

Die SPD hatte einen Wahlkampfspot nach einiger Kritik sogar wieder zurückgezogen. In dem Video wurde auf frühere religiöse Positionen eines Vertrauten von Unionskanzlerkandidat Armin Laschet Bezug genommen. Gezeigt wurde eine Puppe mit dem Konterfei des Düsseldorfer Staatskanzleichefs und Laschet-Vertrauten Nathanael Liminski. Hier sagte eine Stimme »Wer Armin Laschet und die CDU wählt, wählt erzkatholische Laschet-Vertraute, für die Sex vor der Ehe ein Tabu ist«.
Dies spielte auf eine Äußerung des bekennenden Katholiken Liminski noch als Student an, die dieser 2007 in der ARD-Sendung »Maischberger« als eine »persönliche Entscheidung« rechtfertigte. In der Sendung sprach er sich auch »gegen jede Art von künstlicher Verhütung« aus.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz kündigte danach gegenüber der »Neuen Osnabrücker Zeitung«, den Spot nicht mehr zu nutzen. Er trat Vorwürfen entgegen, mit dem Spot würden religiöse Bekenntnisse für den Wahlkampf missbraucht. lau/dpa