Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk wirft der Bundesregierung vor, sich vor Russland wegzuducken. In der SPD wächst nach SPIEGEL-Informationen der Unmut über den Diplomaten.
In der SPD wächst nach SPIEGEL-Informationen der Ärger über Vorwürfe des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk, die Bundesregierung agiere gegenüber Russland zu weich. Aus Melnyks Sicht sei »immer alles zu wenig, zu wenig, zu wenig«, beklagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer Teilnehmern zufolge in einer Sitzung der Parlamentarischen Linken, der größten Strömung der Fraktion. »Melnyk kann nicht ständig die deutsche Politik desavouieren, das geht einfach nicht.«
Dass der Botschafter die Sozialdemokraten als »Kumpels von Putin« hinstelle, sei eine »Unverschämtheit«, wird Schäfer zitiert. »Und dass er gestandene Außenpolitiker wie Michael Roth als ›Arschloch‹ bezeichnet, ist schlicht unanständig.« In einem aktuellen SPIEGEL-Porträt war Melnyk mit der fraglichen Beschimpfung über Roth zitiert worden.
Schäfer ist langjähriger Bundestagsabgeordneter, zudem Verantwortlicher für das Russland-Monitoring im Europarat.
Am Mittwochmorgen hatte auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bauministerium, Sören Bartol, den ukrainischen Diplomaten scharf angegriffen. Dieser sei aus seiner Sicht mittlerweile »unerträglich«, schrieb der SPD-Bundestagsabgeordnete auf Twitter: »So verhält man sich nicht gegenüber einem befreundeten Land.«
Bartol hatte den Post später wieder gelöscht und Melnyk um Entschuldigung gebeten. Sein Tweet sei »respektlos« gewesen, schrieb der Sozialdemokrat. Intention sei gewesen, darauf hinzuweisen, dass die Bundesregierung viel unternehme, um der Ukraine zu helfen und öffentliche Schuldzuweisungen nicht sinnvoll seien. »Ich selber habe aber mit meinem Tweet ebenjene Zurückhaltung vermissen lassen.«
Seit Wochen drängt Melnyk die Bundesregierung offen dazu, mehr für die Ukraine zu tun und härtere Sanktionen gegen Russland zu ergreifen. Zuletzt war er im Bundestag vor der Regierungserklärung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) für seinen Einsatz gefeiert worden, fast alle Parlamentarier erhoben sich für ihn applaudierend von ihren Sitzen.
Intern aber wird Melnyks Stil in der SPD bis hinein in Führungskreise der Partei als zu aggressiv gesehen. Öffentliche Kritik am Diplomaten war aus Sorge davor, unsolidarisch zu erscheinen, bisher vermieden worden.
vme