Kanzler-Vertrauter im Gremium

Scholz noch tiefer in China-Deal um Hamburger Hafen verstrickt als gedacht

24.10.2022
Lesedauer: 6 Minuten
Scholz noch tiefer in China-Deal um Hamburger Hafen verstrickt als gedacht Foto: FOCUS online/Wochit

Vor einem Jahr hat der Hamburger Hafen einen Deal mit chinesischen Partnern über den Teilverkauf eines Terminals geschlossen. Jetzt droht das Geschäft doch noch zu platzen. Mittendrin in dem Schlamassel: Bundeskanzler Olaf Scholz.

Das Containerterminal Tollerort ist die kleinste Verladestation im Hamburger Hafen, wo es insgesamt vier Terminals gibt, und es steht ziemlich in der Ecke, hinten in der Nähe der Köhlbrandbrücke. Aber das kleine Terminal sorgt derzeit für großen Ärger.

Und zwar Ärger, den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aushalten muss. Der Grund: Ein langjähriger Geschäftspartner des Hamburger Hafen-Betreibers, der ausgerechnet aus China kommt, soll 35 Prozent dieses Terminals kaufen. Und Scholz steht hinter dem Deal. Bislang jedenfalls.

Hamburger Hafen-Geschäft wird zum Politikum

Das Geschäft war fast schon unter Dach und Fach, bevor es jetzt zum Politikum hochgekocht ist. Der Aufsichtsrat des Hamburger Hafen-Betreibers HHLA hatte es bereits genehmigt. In dem Gremium sitzt mit Andreas Rieckhoff ein enger Vertrauter von Bundeskanzler Olaf Scholz aus gemeinsamen Hamburger Tagen. Beide vertrauen sich seit ihrer Zeit im SPD-Bezirk Hamburg Altona.

Das „Hamburger Abendblatt“ kennt ein Foto von einem miteinander verbrachten Spanienurlaub in den Neunziger Jahren. Als Scholz in Hamburg Oberbürgermeister wurde, holte er Rieckhoff als Staatsrat in die Wirtschaftsbehörde. Seit 2020 sitzt der Kanzler-Freund als Vertreter der Hansestadt im Aufsichtsrat des HHLA.

Er ist eine Art hanseatischer Multiaufsichtsrat: Beim Flughafen der Hansestadt mischt er genauso mit, wie im Aufsichtsrat der Messe, der Tourismus GmbH und des Zentrums für Luftfahrtforschung. Insgesamt ist der vielbeschäftigte Staatsrat und Scholz-Vertraute laut Lebenslauf in acht Aufsichtsräten, davon in sechs als Vorsitzender.

Tollerort solle zum bevorzugten Umschlagpunkt der Chinesen werden

Er stimmte zu, als es im vergangenen Jahr darum ging, dass die chinesischen COSCO Shipping Ports Limited (CSPL) „eine strategische Beteiligung“ am Container Terminal Tollerort erhalten sollte, wie es in einer gemeinsamen Mitteilung aus dem September 2021 heißt.

Man sehe darin „eine Stärkung der Kundenbeziehung mit dem chinesischen Partner sowie eine nachhaltige Planungssicherheit für den Container Terminal“, lautet die Einschätzung vom vergangenen Herbst. Tollerort solle zum bevorzugten Umschlagpunkt der Chinesen werden.

„Langjährige und vertrauensvolle Kundenbeziehungen“, wie sie der Hafen seit 40 Jahren im Warenverkehr mit China pflege, seien wichtig, sagte bei Vertragsunterzeichnung Angela Titzrath, Chefin der HHLA. Sie erinnerte daran, dass an dem Terminal seit vier Jahrzehnten chinesische Frachter abgefertigt werden.

Fast jeder dritte Container stammt aus China oder ist für China bestimmt

Der Hamburger Hafen ist tatsächlich seit Jahrzehnten der wichtigste logistische Knotenpunkt für den maritimen und den kontinentalen Warenverkehr zwischen China und Europa. Fast jeder dritte Container, der in Hamburg über die Kaikante geht, stammt aus China oder ist für den chinesischen Markt bestimmt.

Durch die Partnerschaft sollte „die Position Hamburgs als Logistikhub in der europäischen Nordrange und gegenüber dem Ostseeraum gestärkt“ werden.

Titzraths chinesischer Vertragspartner Zhang Dayu, Chef von CSPL stimmte ihr zu: „Wir freuen uns darauf, gemeinsam mit unserem Partner HHLA die vorhandenen Potenziale zu entfalten und den Standort erfolgreich weiterzuentwickeln.“

Inzwischen freut sich niemand mehr. Denn, was vor einem Jahr galt, ist vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine Schnee von gestern. Die neue Parole in der EU und in Deutschland, schmerzhaft gelernt durch die Folgen der Energieabhängigkeit von Russland, heißt „Decoupling“.

Die chinesische Staatsreederei Cosco möchte 35 Prozent der Betreibergesellschaft kaufen, die das Containerterminal Tollerort betreibt.
Die chinesische Staatsreederei Cosco möchte 35 Prozent der Betreibergesellschaft kaufen, die das Containerterminal Tollerort betreibt. Foto: picture alliance/dpa/Markus Scholz

Die Wirtschaft soll nicht von einem Hauptpartner abhängig sein

Auf Deutsch: Entkopplung. Die Wirtschaft hierzulande soll nicht nur von einem Hauptpartner abhängig sein – und das ist nicht nur auf Russland gemünzt, sondern eben auch auf China als Produktions- und Absatzmarkt. Angesichts dieser Auswirkungen der von Scholz selbst so betitelten „Zeitenwende“ ist ein Deal wie der in Hamburg heutzutage keine gute Idee mehr.

Forderungen, das Geschäft, das schon abgeschlossen schien, doch noch platzen zu lassen, werden deswegen laut:  So sagt beispielsweise Grünen Co-Chef Omid Nouripour: „Wir haben im Krieg um die Ukraine gelernt, dass Abhängigkeiten von Staaten wie Russland und China brandgefährlich sein können.“ 

Wir sollten „aus diesen Fehlern lernen“. Ganz ähnlich äußerten sich FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Sie alle warnten davor, Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.

Erst Anfang der Woche hatten die Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes und Bundesnachrichtendienstes im Bundestag eindringlich vor möglichen Bedrohungen durch China gewarnt. Russland sei der Sturm, China der Klimawandel, auf den man sich einzustellen habe, sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang.

Am 31. Oktober läuft die Frist ab

Das klingt ganz anders als im vergangenen Jahr, in dem der Vollzug des Deals nur noch an Formalien zu hängen schien. Von „verschiedenen wettbewerbs- und außenwirtschaftsrechtlichen Genehmigungen“ war damals die Rede. Die allerdings könnten jetzt entscheidend werden.

Am 31. Oktober läuft die Frist in dem damals angestoßenen Investitionsprüfverfahren ab. Das bestätigte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums. Eine Fristverlängerung wäre möglich, falls alle Beteiligten zustimmen. Sollte die Frist nicht verlängert werden und sollte es keinen Kabinettsbeschluss geben, gilt das faktisch als Zustimmung und der Deal ist durch.

Danach sieht es allerdings nicht aus. Denn Scholz, der sich schon in einem Untersuchungsausschuss wegen seiner Hamburger Beziehungen zu den Cum-Ex-Betrügern der Warburg Bank verantworten muss, will nicht in den nächsten Strudel von Hamburger Kaufmannsklüngel hineingezogen werden, der angesichts seiner Bekanntschaft mit Hafenaufsichtsrat Rieckhoff droht.

Scholz: „Es ist noch gar nichts entschieden“

Nach einem EU-Gipfel in Brüssel äußerte er sich am Wochenende zurückhaltender als sonst zu dem Deal: Es sei „noch gar nichts entschieden“. In dem Prüfverfahren seien noch „so viele Fragen zu klären, dass es gegenwärtig da auch keinen Zwischenstand zu vermelden gibt.“

Das Ganze klingt ein bisschen wie bei Nord Stream 2: Dort hatte Scholz kurz nach seiner Wahl zum Kanzler davon gesprochen, dass die Frage der Inbetriebnahme eine rein wirtschaftliche Angelegenheit sei und die Verantwortung von sich geschoben.

Kurze Zeit später revidierte er diese Ansicht und machte letztlich die Inbetriebnahme politisch unmöglich. Putins Russland guckte in die leere Röhre. Es könnte sein, dass demnächst auch Chinas Staatschef Xi Jinping diese Erfahrung mit Scholz und den Deutschen macht.

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