Täter nehmen kritische Infrastruktur ins Visier ++ Experten vermuten Insiderkenntnisse bei Tätern ++ Wer war es? ++ Bundespolizei ermittelt mit Hochdruck
Am Samstagmorgen stand die Bahn in weiten Teilen Norddeutschlands für mehrere Stunden still. Nichts ging mehr, tausende Passagiere blieben auf der Strecke. Schnell stellte sich heraus: Es ist ein Sabotageakt, ein Anschlag auf das öffentliche Leben in Deutschland!
„Wir wissen, dass an zwei unterschiedlichen Standorten in Deutschland die Kabel vorsätzlich durchtrennt worden sind“, sagte Verkehrsminister Volker Wissing (52, FDP). Und weiter: „Klar ist, dass es sich um ein gezieltes und mutwilliges Vorgehen handelt.“ Die Hintergründe der Tat seien aber noch unklar. Innenministerin Nancy Faeser (52, SPD) und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (57, SPD) versprachen rasche Aufklärung.
Wer war das? Und wie verwundbar ist die kritische Infrastruktur hierzulande?
Zu dieser zählen nach einer Definition der Bundesregierung alle „Organisationen oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden“ – neben Energieversorgern und Gesundheitswesen eben auch die Bahn.
DIE SPUREN-SUCHE
Nach BILD-Informationen hatten Unbekannte wichtige Glasfaserkabel in der Nähe des Hauptbahnhofs Herne und in Berlin-Hohenschönhausen durchtrennt. Am Standort Herne befindet sich eine Art Kabel-Knotenpunkt. Für diesen Angriff braucht man gute Insider-Kenntnisse, dass man dort großen Schaden anrichten kann, denn: Diese Kabel befinden sich dort relativ versteckt unter einem Brückenbauwerk.
Ein Sprecher der Bundespolizei Berlin sprach gegenüber BILD von „zielgerichteter Außeneinwirkung“, es werde in alle Richtungen ermittelt.
►Betroffen war vor allem der Zugverkehr der Deutschen Bahn in den Bundesländern Niedersachsen, Hamburg und Bremen. Die Ausfälle betrafen sowohl den Fern- als auch den Regional- und Güterverkehr. Allerdings waren auch die Fernverbindungen etwa nach Nordrhein-Westfalen sowie Berlin betroffen.
„Wir haben einen Tatort in Berlin-Hohenschönhausen“, sagte ein Sprecher der Bundespolizeidirektion Berlin der Deutschen Presse-Agentur. „Ein weiterer befindet sich in Nordrhein-Westfalen.“ Aus Sicherheitskreisen hieß es, es seien am Karower Kreuz in Berlin und in Herne in NRW vorsätzlich sogenannte Lichtwellenleiterkabel beschädigt worden. Auch das Backup-System sei damit ausgefallen.
Die Ermittlungen würden mit Hochdruck in alle Richtungen geführt, erklärte die Bundespolizei. „Aktuell ist von einer zielgerichteten Fremdeinwirkung von außen auf Kabel der Deutschen Bahn auszugehen“, sagte der Sprecher. Zu weiteren Details könne er auch aus ermittlungstaktischen Gründen keine Auskunft geben.
An zwei Orten unverzichtbare Kabel durchtrennt
Immerhin: Noch am Vormittag konnte der Bahnbetrieb wieder aufgenommen werden. Die Sicherheitsbehörden hätten die Ermittlungen aufgenommen, teilten sowohl Wissing als auch die Bahn mit.
►Innenministerin Faeser: „Wir müssen von vorsätzlichen Taten ausgehen, die den Bahnverkehr in Norddeutschland mehrere Stunden lahmgelegt haben. (…) Die Bundespolizei ermittelt mit Hochdruck.“
Verteidigungsministerin Lambrecht sagte bei einem Besuch im litauischen Rukla: „Es könnte sich um Sabotage handeln, aber soweit ich weiß, gibt es keine gesicherten Erkenntnisse.“ „Sollte es einen verfassungsfeindlichen Hintergrund geben, wird der Generalbundesanwalt ermitteln“, betonte Justizminister Marco Buschmann (FDP) auf Twitter.
Grünen-Chef Omid Nouripour (47) forderte verstärkte Investitionen in den Schutz der kritischen Infrastruktur. „Wer systematisch kritische Infrastruktur unseres Landes angreift, bekommt eine entschlossene Antwort unserer Demokratie. Wir lassen uns nicht einschüchtern“, twitterte er. Die bisherigen Mittel für den Schutz der Infrastruktur reichten nicht aus.
Sabotage-Akte deuten auf gewisse Expertise hin
▶︎In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Anschläge auf die Bahn gegeben, etwa durch Linksextremisten. Zudem gab es Störungen durch Kabeldiebstähle. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine und den Lecks in den Gaspipelines durch die Ostsee wächst allerdings die Furcht vor gezielten Anschlägen auf die kritische Infrastruktur in Deutschland, auch durch ausländische Akteure.
Am Vormittag hatte die Bahn auf die Frage nach einer Fremdeinwirkung noch gesagt, dass es sich um eine technische Störung handele. Diese wurde aber offenbar durch die Kabelschäden verursacht, die den Funkverkehr lahmlegten. Bei den sabotierten Kabeln handelt es sich um Verbindungen des Funksystems, die gezielt zerstört wurden. Aus Bahnkreisen hieß es, bei der Attacke auf die sogenannten GSMR-Kabel der Bahn brauche man bestimmte Kenntnisse, um diese gezielt zu unterbrechen.
Die gleichzeitige Sabotage an zwei Kabeln deute zumindest auf eine gewisse Expertise hin, hieß es in Sicherheitskreisen. Hinweise auf die mutmaßlichen Täter gebe es noch nicht. Die Bundespolizei hat die Ermittlungen aufgenommen.