Neuer britischer Premierminister

Rishi Sunak – ein Hedgefonds-Manager in der Downing Street

25.10.2022
Lesedauer: 4 Minuten
© Foto: Imago/ZUMA Wire

Teure Privat-Schulen und eine Elite-Uni ebneten seinen Weg nach oben. Was den neuen Regierungschef von seinen Vorgängern unterscheidet.

Schon vergangenen Sommer war Sunak bereit, doch das konservative Parteivolk war anderer Meinung. Liz Truss wurde Parteichefin und damit automatisch auch zur letzten Premierministerin von Queen Elizabeth II. Nach Truss’ sechswöchiger Amtszeit steht nun der 42-Jährige als erster Nicht-Weißer auf der Schwelle der Downing Street 10.

Sunak ist der älteste Sohn eines Allgemeinmediziners und einer Apothekerin, sein Bruder arbeitet als klinischer Psychologe, seine Schwester ist in New York für die UN tätig. „Wenn sie sich mal geistig richtig unterlegen fühlen wollen“, hat ein Jugendfreund der „Times“ anvertraut, „sollten sie einen Abend mit den Sunaks verbringen“.

Nach dem Besuch teurer Privatschulen und der Elite-Uni Oxford arbeitete Sunak in der Finanzindustrie für die Investmentbank Goldman Sachs und Hedgefonds, ehe er in die Politik ging. „Abgesehen von der Hautfarbe“ habe Sunak also „die klassische Karriere“ der großbürgerlichen Oberschicht hinter sich, analysiert Sunder Katwala vom Migrations-Thinktank British Future.

„Rishi“ ist im Hinduismus ein Weissager oder Prophet. Dem Glauben seiner Eltern ist der 42-Jährige treu geblieben: „Er gibt mir Stärke und Bestimmung“, sagt Sunak. Als der Abstinenzler – statt Alkohol trinkt er lieber Cola – 2015 erstmals ins Unterhaus gewählt wurde, legte er seinen Amtseid auf die Gita, eine zentrale Schrift des Hinduismus, ab.

Zu den schönsten Momenten seiner Amtszeit als Schatzkanzler zählt er ein Lichter-Fest (Diwali), an dem er, wie es der Tradition entspricht, auf der Schwelle seines damaligen Amtssitzes in der Downing Street 11 eine Öllampe (Diya) entzündete. Am Montagabend könnte Sunak die Tradition aufrechterhalten, nur eben ein Haus weiter: In diesem Jahr fiel Diwali ausgerechnet auf den Tag des Tory-Wettstreits um die Truss-Nachfolge.

Dem schottischen Labour-Premier Gordon Brown verdanken alle Nicht-Anglikaner wie Sunak, dass ihnen eine Peinlichkeit erspart bleibt: Bis der Sohn eines protestantischen Pfarrers ins Amt kam, durften Premierminister über die Besetzung der Bischofsposten in der anglikanischen Staatskirche von England mitbestimmen.

Brown übergab diese Aufgabe einem kirchlichen Gremium, um den Abstand zwischen säkularer Regierung und den Kirchen zu verdeutlichen. Ohnehin bilden auf der Insel, Christen, Muslime, Hindus und Vertreter anderer Glaubensrichtungen zunehmend die Minderheit gegenüber Nicht-Gläubigen und Atheisten.

Sunak ist der einzige Kandidat für die Nachfolge von Truss.
Sunak ist der einzige Kandidat für die Nachfolge von Truss. 
© Foto: AFP/DANIEL LEAL

Aufs Premiersgehalt ist Sunak nicht angewiesen. Vorgänger Boris Johnson war beinahe unablässig in Finanz-Skandale verwickelt, wollte sich von Tory-Spendern teure Tapeten bezahlen lassen. Sunak hingegen könnte auf das dem Premierminister zustehende Jahresgehalt von umgerechnet 180.960 Euro problemlos verzichten.

Der frühere Investmentbanker und Hedgefonds-Manager ist nämlich nicht nur selbst mehrfacher Millionär, sondern auch mit einer Milliarden-Erbin verheiratet, mit der er zwei Töchter hat. Der Modedesignerin Akshata Murty gehören 0,93 Prozent des von ihrem Vater mitgegründeten IT-Giganten Infosys. Allein im vergangenen Jahr erhielt sie Dividendenzahlungen von mehreren Millionen. Gemeinsam verfügt das Paar laut Reichenliste der „Sunday Times“ über ein Vermögen von 838 Millionen Euro.

838.000.000 Euro.

So hoch wird das Vermögen von Sunak und seiner Frau geschätzt.

Wegen Sunaks Milliarden-schweren Schwiegervater und dessen Nähe zu Indiens Populisten-Premier Narendra Modi kamen Zweifel auf. In der Politik gegenüber dem indischen Subkontinent wird der neue Premier also besondere Vorsicht walten lassen müssen.

Im Frühjahr kamen Steuerakten ans Licht, denen zufolge Murty den hochumstrittenen Status als Steuer-Ausländerin („non-dom“) wahrgenommen und damit dem britischen Fiskus hohe Summen vorenthalten hatte. Zudem wurde bekannt, dass Sunak selbst aus seiner Zeit als Investmentbanker bei JP Morgan noch immer eine Green Card für die Arbeit in den USA besaß.

Der enorme Rufschaden verfestigte den Eindruck von Sunak als einen brillanten Finanz-Akrobaten, dem es an politischem Fingerspitzengefühl mangelt. Anders als in Großbritannien üblich hat der neue Premier auch keine breite Erfahrung in unterschiedlichen Ressorts. Vielmehr war seine politische Karriere bisher ausschließlich auf das Finanzministerium konzentriert.

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