Der Bundestagsabgeordnete Eugen Schmidt (AfD) stellt Deutschland in russischen Medien als Land dar, in dem Andersdenkende unterdrückt und verfolgt werden.
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Eugen Schmidt stellt Deutschland in den vergangenen Wochen wiederholt in russischen Medien als Unrechtsstaat dar, in dem Andersdenkenden durch „die regierende Elite“ Zensur und körperliche Gewalt droht – dies ergeben Recherchen des ARD-Politikmagazins Kontraste.
Wörtlich erklärte Schmidt in einem Interview, das am vergangenen Sonntag auf der Webseite des russischen Radio „Komsomolskaja Prawda“ veröffentlicht wurde: „Es gibt keine Demokratie in Deutschland. Das heißt, es wird eine einheitliche Meinung aufgedrängt, und zwar von der regierenden Elite, und alle anderen politischen Meinungen werden mit allen möglichen Mitteln unterdrückt: im Internet, in den Medien, unter anderem auch durch körperliche Übergriffe auf Andersdenkende.“
Weiter bestreitet er, dass Deutschland ein Rechtsstaat ist, so nennt er es „illusorisch“ zu glauben, dass Gerichte in Deutschland faire und gesetzeskonforme Urteile fällen würden. Das Schmidt-Interview wurde einen Tag, nachdem Russland per Gesetz die freie Berichterstattung über den Ukraine-Krieg unter hohe Strafen stellte, veröffentlicht.
Gleichzeitig gibt es zahlreiche Berichte über Verhaftungen und Misshandlungen – bis hin zu Folter – von Anti-Kriegs-Demonstrierenden in ganz Russland. Nach einem Bericht des russischen Menschenrechtsprojekts OVD-Info sollen seit dem russischen Angriff auf die Ukraine rund 13.500 Menschen deswegen in Russland verhaftet worden sein.
Im Dienst russischer Staatspropaganda
Der Politologe Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) betont im Interview mit Kontraste, dass Schmidt sich mit seinen Äußerungen in den Dienst der russischen Staatspropaganda stellt. „Damit spielt man letztlich auch Putin in die Hände. Und natürlich wird auch Deutschland in der Welt und in Russland diskreditiert. Es diskreditiert Deutschland als Demokratie und als ein Land, wo es eben im Gegensatz zu Russland freie Medien gibt“, so Meister.
Interviews mit dem russischen Militärsender
Schmidt stellte sich in jüngster Zeit auch mindestens zweimal dem Propagandasender des russischen Verteidigungsministeriums, „Zvezda“, als Interviewpartner zur Verfügung. Am 25. Februar, dem zweiten Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine erklärt Schmidt dort: „Die Medien werden in Deutschland selbstverständlich komplett von der Regierung kontrolliert. Alternative, oppositionelle Meinungen sind nicht vertreten.“
Russisch im Bundestag
Schon vor Beginn des Krieges, am 17. Februar, beendete Schmidt eine Bundestagsrede auf Russisch mit den Worten „Wollen die Russen Krieg? Nein!“ („Хотят ли русские войны? Нет!“). Diese Äußerung deckte sich mit den damaligen Aussagen des Kreml und erwies sich als hilfreich für die Propaganda russischer Medien, die Schmidts Zitat umgehend aufgriffen und seither vielfach zitierten.
Fraktionsklausur soll Haltung zu Russland klären
Kontraste konnte Eugen Schmidt am Rande der Klausur der AfD-Bundestagsfraktion im thüringischen Oberhof treffen – Fragen zu seinen Äußerungen wollte der 46-jährige jedoch nicht beantworten. Schriftlich teilte die AfD-Fraktion Kontraste dazu mit, es handele sich um die „Meinung von Herrn Schmidt, die sich die AfD-Fraktion nicht zu eigen macht.“ Auf ihrer Klausurtagung möchte die AfD-Fraktion am heutigen Donnerstag auch ihr Verhältnis zu Russland klären.
Manager russlanddeutscher Netzwerke der AfD
Der 46-jährige Schmidt stammt ursprünglich aus Kasachstan, 1999 kam er als Spätaussiedler nach Deutschland. 2021 zog er für die nordrhein-westfälische AfD in den Bundestag ein. Dort fungiert er als „Landesbeauftragter für Russlanddeutsche“ und managt das Netzwerk „Russlanddeutsche in der AfD“.
Nach Kontraste-Recherchen waren Schmidt und andere AfD-Funktionäre 2019 an der Gründung eines Vereins namens „Zentralrat der Russlanddeutschen e.V.“ beteiligt. Vorsitzender des „Zentralrates“ ist ein AfD-Funktionär, der vor einigen Jahren sogenannte „Lisa-Demonstrationen“ wegen der angeblichen Vergewaltigung eines russlanddeutschen Mädchens organisierte. Der Fall gilt als exemplarische russische Einflussoperation in Deutschland und hatte damals für erhebliches Aufsehen und diplomatische Verstimmungen gesorgt.
Momentan ruft der „Zentralrat“ – genau wie die Russische Botschaft in Deutschland und ein ebenfalls von AfD-Politikern gegründeter „internationaler Volksrat der Russlanddeutschen e.V.“ – in sozialen Medien dazu auf, Fälle der Diskriminierung von Russischsprachigen in Deutschland zu melden. Auch Eugen Schmidt warnt via Social-Media vor zunehmender „Russophobie“ in Deutschland.
Der vermeintlich notwendige Schutz der dortigen russischsprachigen Bevölkerung vor Übergriffen war auch eine der Begründungen, mit denen der Kreml den Überfall auf die Ukraine zu rechtfertigen versuchte. Stephan Kramer, Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes warnte vor einigen Tagen gegenüber tagesschau.de vor gezielten Desinformationskampagnen mit diesem Motiv.
Reisen auf die russisch besetzte Krim
Schon vor seinem Einzug in den Bundestag zeigte Eugen Schmidt eine auffällige Nähe zu PR-Aktionen im Sinne der russischen Regierung. So gehörte er, wie sein jetziger Bundestagskollege Roger Beckamp schon 2018 den ersten AfD-Reisegruppen auf die von Russland annektierte ukrainische Halbinsel Krim an.
Für solche Reisen wurden von russischer Seite kremlfreundliche Politiker und Politikerinnen aus der ganzen Welt eingeladen. Ihre Anwesenheit sollte die internationale Akzeptanz der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim vortäuschen und medial verwertbares Propagandamaterial erzeugen. Russische Medien berichteten ausführlich und hoch erfreut über die deutschen Gäste.
AfD in russischen Medien stark präsent
Eine Auswertung russischer Medien durch Kontraste ergab seit Beginn der Legislaturperiode mehr als 60 Äußerungen von AfD-Bundestagsabgeordneten in verschiedenen staatlichen und regierungsfreundlichen russischen Medien.
Über dieses Thema berichtet der rbb in der Sendung Kontraste am 10. März 2022 um 21:45 Uhr.