Presse-Gespräch in Sankt Petersburg

Putin spricht von „verlässlichen Freunden“ in Deutschland – und zweifelt an deutscher Souveränität

08.06.2024
Lesedauer: 4 Minuten
Treffen internationaler Presseagentur-Chefs vor der Kulisse des Sankt Petersburger Hafens © VALENTINA PEVTCOVA/ POOL/ AFP

Inmitten des Ukraine-Krieges verbreitet Wladimir Putin gegenüber Nachrichtenagenturen eine Menge Propaganda. Seine Aussagen über Deutschland und AfD lassen aufhorchen.

Sankt Petersburg – Wladimir Putin hat am Mittwoch die Vertreter der Weltpresseagenturen in Sankt Petersburg empfangen. Es war eine beeindruckende Kulisse: Der Kreml-Chef saß für das erste internationale Medientreffen dieser Art in Russland vor einer Glasfront, im markanten Wolkenkratzer Lachta-Zentrum des Gasriesen Gazprom, hinter sich den Hafen von Sankt Petersburg.

Die Chefs der internationalen Medienagenturen sitzen Putin gegenüber. Putin ist Gastgeber des 27. St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforums. Bei dem jährlichen Treffen von Unternehmern aus aller Welt will sich Russland trotz der Sanktionen des Westens im Zuge des Moskauer Angriffskrieges gegen die Ukraine als ökonomisch starke Rohstoffmacht präsentieren. Die Medienvertreter hören zu und schreiben mit, als der Kreml-Chef über das Verhältnis Russlands zur Nato, über den Einsatz von Nuklearwaffen spricht – und die Souveränität des deutschen Staates anzweifelt.

Wladimir Putin bedient sich Reichsbürger-Narrativ und spricht Deutschland die politische Souveränität ab

„Wir verstehen, dass die Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nie im wahrsten Sinne des Wortes ein souveräner Staat war“, sagte Putin laut der russischen Nachrichtenagentur Tass im Gespräch. Diese Argumentation brachte Putin am Mittwoch nicht zum ersten Mal. Bereits in der Vergangenheit hatte er über die deutsche Regierung gespottet und argumentiert, dass die deutsche Politik aus den USA kontrolliert werde.

Kremlchef Putin bei © Valentina Pevtsova/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Die deutsche Souveränität zu leugnen, ist das zentrale Motiv der Reichsbürger-Szene. Deren Argumentation: Deutschland sei von den „westlichen Siegermächten besetzt“. Als Konsequenz daraus lehnen sie alle demokratischen Institutionen ab und sprechen und handeln sehr häufig antisemitisch, rechtsextrem und geschichtsrevisionistisch.

Deutsche Rolle im Ukraine-Krieg: Russlands Präsident trauert um Gas-Exporte

Wladimir Putins Gedanken dazu gehen im Juni 2024 noch weiter: „Es ist sogar seltsam, dass niemand in der heutigen deutschen Führung die deutschen Interessen verteidigt. Es ist klar, dass Deutschland nicht die volle Souveränität hat, aber es gibt Deutsche – wir müssen über ihre Interessen nachdenken“, sagte Putin laut der Agentur Tass. Er frage sich außerdem, warum Deutschland kein Gas mehr aus Russland beziehe, stattdessen Flüssigerdgas kaufen möchte, das „zu exorbitanten Preisen über den Ozean transportiert“ werde? In Deutschland hat man sich von russischem Erdgas nach dem Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine abgewandt, um Putin ein Druckmittel zu entziehen.

Putin spricht über „Freunde in Deutschland“ die er schützen müsse

Und noch in einem weiteren Punkt kam Putin vor der Weltpresse auf Deutschland zu sprechen. Er habe enge Freunde in Deutschland, die er nicht gefährden möchte, sagte er. „In Deutschland habe ich viele Freunde, denen ich nicht zu nah kommen möchte, um sie keiner Art von Behinderung auszusetzen. Ich versuche, Beziehungen zu ihnen aufrechtzuerhalten. Ich weiß, dass sie verlässliche Freunde sind . Und ich habe viele davon in Deutschland“, sagte Putin.

Wie die Deutsche Presseagentur dpa schreibt, hat Putin im Anschluss daran auch Treffen russischer Vertreter mit Repräsentanten der in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD verteidigt. „Wir werden mit allen zusammenarbeiten, die mit Russland kooperieren wollen“, sagte er demnach. Und weiter: „Wir sehen keine Anzeichen von Neonazismus in den Handlungen der AfD“, sagte der Kremlchef. 

Putin über das Verhältnis zur AfD in Deutschland – Scholz: „Das ist schon peinlich“

Es gebe zwar keine „systemischen Beziehungen“ zur AfD. Aber wenn sich jemand für normale Beziehungen zu Russland einsetze, dann unterstütze Moskau das. Es sei dabei nicht Sache Russlands zu bewerten, ob eine politische Kraft sich im Rahmen der Verfassung bewege. „Wir sehen aber nichts, was bei uns Besorgnis auslösen würde.“

Vertreter alternativer Standpunkte würden in Deutschland gleich zu Gegnern des Staates erklärt, beklagte Putin, der selbst jedwede russische Opposition im Keim erstickt und Gegner politisch verfolgen lässt. „Jeder alternative Standpunkt wird wie eine gegen den Staat gerichtete Haltung aufgenommen. Und alle werden gleich zu Agenten des Kreml ernannt“, kritisierte der russische Präsident. In der Vergangenheit hatte etwa der russische Außenminister Sergej Lawrow den AfD-Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla in Moskau wie einen Staatsgast empfangen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach in seiner Regierungserklärung am Donnerstag die AfD darauf an und sagte: „Das ist schon peinlich, dass Sie gestern Lob vom russischen Präsidenten bekommen haben. Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland werden das zu würdigen wissen.“ Die Umfragewerte der AfD waren zuletzt gesunken. (dpa/kat)

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