Tübingens Oberbürgermeister hat mehrfach mit Äußerungen Empörung ausgelöst – auch in der eigenen Partei. Nun wollen die baden-württembergischen Grünen Boris Palmer rauswerfen.
Boris Palmer gilt als eine Reizfigur der baden-württembergischen Grünen. Nach einem halben Jahr Vorbereitungszeit hat der Landesvorstand nun das Parteiausschlussverfahren gegen den Tübinger Oberbürgermeister beantragt. Wie die Partei mitteilte, wurde der 33-seitige Antrag der Kreisschiedskommission und Palmers Anwalt, dem ehemaligen Grünen-Bundespolitiker Rezzo Schlauch, übergeben. Schlauch hatte erst kürzlich kritisiert, die Partei verschleppe das Parteiausschlussverfahren bewusst.
Auf einem Grünen-Landesparteitag im Mai hatten die Delegierten einem Antrag des Landesvorstands auf den Parteiausschluss Palmers zugestimmt, nachdem sich der Politiker in einem Facebook-Post über den Fußballer Dennis Aogo geäußert hatte. Dabei benutzte er – ebenfalls unter Bezug auf Aogo – einen rassistischen Begriff für das Geschlechtsorgan eines schwarzen Mannes.
Der Grund für den Parteiausschluss seien jedoch keine Einzelfälle, erklärten die Grünen-Landeschefs Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand.
»Seit Jahren gegen die politischen Grundwerte der Partei«
Es gebe eine lange Liste von kalkulierten Ausrutschern und inszenierten Tabubrüchen. Die Vorsitzenden nannten vor allem Palmers Äußerungen zur Einwanderungs-, Flüchtlings- und Menschenrechtspolitik. So hatte Palmer sich während der Flüchtlingskrise 2015 für Abschiebungen in Kriegsgebiete in Syrien und Afghanistan ausgesprochen sowie für notfalls bewaffnete Schließungen der EU-Grenzen.
Er habe sich außerdem mehrfach ablehnend zum Adoptionsrecht für homosexuelle Paare geäußert. Auch mit seinen Äußerungen, mit dem Lockdown würden Menschen geschützt, die ohnedies bald sterben würden, »steht Boris Palmer weit außerhalb des programmatischen Rahmens von Bündnis 90/Die Grünen und wohl auch außerhalb des Grundgesetzes«, erklärten Detzer und Hildenbrand. Palmer richte sich »seit Jahren gegen die politischen Grundwerte der Partei«.
Palmer, seit 2007 Oberbürgermeister von Tübingen, gilt als einer der profiliertesten, aber auch umstrittensten Politiker seiner Partei. 2018 wurde der von ihm geprägte Begriff »Menschenrechtsfundamentalismus« zum Unwort des Jahres gekürt.
Zuletzt entschied der Grünen-Stadtverband Tübingen, vor einer neuerlichen Nominierung Palmers bei der Oberbürgermeisterwahl eine Mitgliederbefragung anzuberaumen. Wann das Kreisschiedsgericht in der Sache entscheidet, ist offen. lau/AFP