Im Rahmen der Nord-Stream-Ermittlungen wurde ein Haftbefehl gegen einen Ukrainer erlassen. Berichte deuten auf eine staatliche Einmischung der Ukraine hin.
Update vom 15. August, 8.40 Uhr: Der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes August Hanning hat gegenüber der Welt erklärt, er gehe bei der Vorbereitung des Anschlags auf die Nord-Stream-Pipelines von einer Zusammenarbeit Polens und der Ukraine aus. Der Ex-BND-Chef erklärte: „Ich glaube, dass es Verabredungen zwischen Präsident Selenskyj und Duda gab, den Anschlag auszuführen.“
Am Donnerstag veröffentlichte das Wall Street Journal einen Bericht, wonach der ukrainische Präsident Selenskyj den Anschlag auf die Pipelines in der Ostsee zunächst genehmigt haben soll. Später soll Selenskyj auf Forderung der CIA den Auftrag widerrufen haben. Kiew bestreitet eine Beteiligung.
Die Bundesanwaltschaft hat laut einer Recherche deutscher Medienhäuser im Juni im Rahmen der Nord-Stream-Ermittlungen einen Haftbefehl gegen einen Ukrainer erlassen. Polnische Behörden gaben am Mittwoch an, dass der Ukrainer im Juli zurück in die Ukraine gereist sei. Darüber, dass der Tatverdächtigte aus Polen ausgereist sein soll, nachdem die polnischen Behörden bereits Kenntnis von dem Haftbefehl gehabt haben sollen, sagte Hanning, Polen habe „kein Interesse an einem Erfolg der Ermittlungen“, weil das Land „in die Vorbereitung des Anschlags massiv involviert“ gewesen sei.
Bericht über Selenskyjs an Nord-Stream-Sprengung: Kiew weist Vorwürfe zurück
Update vom 15. August, 14.58 Uhr: Ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat die Vorwürfe im Zusammenhang mit der Nord-Stream-Sprengung zurückgewiesen. Mychailo Podoljak bestritt laut Reuters die Beteiligung der ukrainischen Regierung an dem Anschlag auf die Gas-Pipelines im Jahr 2022. Selenskyjs Berater halte es hingegen für wahrscheinlich, dass Russland an der Sabotage-Aktion beteiligt gewesen sei. „So eine Tat kann nur ausgeführt werden mit großen technischen und finanziellen Ressourcen. Und wer hatte all das zum Zeitpunkt des Anschlags? Nur Russland“, erklärte Podoljak.
Zuvor hatte Wall Street Journal eine Recherche veröffentlicht, wonach der ukrainische Präsident den Plan, die Pipelines zu sprengen, zunächst genehmigt haben soll. Später soll Selenskyj nach Aufforderung der CIA angeordnet haben, die Operation abzubrechen (siehe Meldung von 10.26 Uhr).
Neue Recherche zu Nord-Stream-Sprengung: Selenskyj soll Sabotage-Plan zunächst genehmigt haben
Update vom 15. August, 10.26 Uhr: Einem Bericht des Wall Street Journal zufolge soll der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines genehmigt haben. Selenskyj soll den Plan zunächst mündlich abgesegnet haben. Das gaben mehrere Quellen und ein an dem Plan beteiligter Offizier gegenüber der Zeitung an.
Später soll die CIA von dem Vorhaben erfahren und Selenskyj aufgefordert haben, die Operation abzubrechen. Daraufhin habe Selenskyj den Abbruch angeordnet. Der damalige Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, der die Operation angeblich überwachte, soll beschlossen haben, den Plan fortzusetzen. Saluschnyj streitet laut Wall Street Journal ab, von der Operation gewusst zu haben.
Neue Details zu Nord Stream: Selenskyj soll Bescheid gewusst haben
Wie es in der Recherche heißt, sollen sich im Mai 2022 mehrere hochrangige ukrainische Militärs und Geschäftsleute getroffen haben. Dabei sei die Idee für den Anschlag auf die Ostsee-Pipelines entstanden. Angeblich sei dabei vereinbart worden, dass Geschäftsleute das Projekt finanzieren und bei der Umsetzung helfen würden, da die Armee nicht über die entsprechenden Mittel verfügt haben soll.
Wie bereits von anderen Medien recherchiert, soll an der Operation eine gemietete Yacht, die Andromeda, mit einer sechsköpfigen Besatzung beteiligt gewesen sein. Darunter ausgebildete zivile Taucher. Am Mittwoch veröffentlichten ARD, Süddeutscher Zeitung (SZ) und Zeit eine Recherche, wonach der erste Haftbefehl im Rahmen der Nord-Stream-Ermittlungen gegen einen Ukrainer im Juni erlassen worden ist. Der Tatverdächtige Wolodymyr Z. soll nach Angaben polnischer Behörden im Juli von Polen zurück in die Ukraine gereist sein.
Nord-Stream-Ermittlung: Deutschland reagiert auf Bericht über tatverdächtigen Ukrainer
Update vom 14. August, 15.40 Uhr: Nachdem im Rahmen der Nord-Stream-Ermittlungen ein Haftbefehl gegen einen Ukrainer erlassen wurde, äußerte sich ein Regierungssprecher auf Anfrage eines Journalisten in Berlin. Der stellvertretende Regierungssprecher, Wolfgang Büchner, betonte auf Nachfrage, „dass hier die Ermittlungen nach Recht und Gesetz geführt werden, auch völlig unabhängig davon, zu welchem Ergebnis solche Ermittlungen führen“.
Die Ermittlungen hätten auch keinen Einfluss darauf, ob und in welchem Umfang Deutschland die Ukraine auch in Zukunft unterstützen werde. Denn sie änderten „nichts an der Tatsache, dass Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt“, fügte er hinzu. Die Aufklärung des Sabotageaktes habe für die Bundesregierung „höchste Priorität“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher. Ob die polnischen Behörden dabei ausreichend kooperieren, wollte er nicht bewerten.
Die polnischen Behörden hatten zuvor gegenüber der Deutschen Presse-Agentur angegeben, dass der Tatverdächtige „Anfang Juli die Grenze zwischen Polen und der Ukraine überquert“ haben soll.
Ermittlungen nach Sprengung der Nord-Stream-Pipelines: Haftbefehl gegen Ukrainer erlassen
Erstmeldung: Berlin – Explosionen und vier Lecks an den Gaspipelines Nord-Stream 1 und 2 im September 2022 haben Rätsel aufgetan und fast zweijährige Ermittlungen nach sich gezogen. Den Ermittlern scheint in dem Fall ein Durchbruch gelungen. Einer Recherche von ARD, Süddeutscher Zeitung (SZ) und Zeit zufolge hat Generalbundesanwalt Jens Rommel einen ersten Haftbefehl gegen den tatverdächtigen Ukrainer Wolodymyr Z. erwirkt. Zwei weitere ukrainische Staatsangehörige stehen demzufolge unter Verdacht, an der Sprengung der Pipelines beteiligt gewesen zu sein.
Die nun veröffentlichten Informationen stützen sich demnach auch auf „Hinweise eines ausländischen Nachrichtendienstes“. Der Tatverdächtige, der inzwischen per europäischem Haftbefehl gesucht wird, soll sich zuletzt in Polen aufgehalten haben. Laut Spiegel-Bericht wirft die Bundesanwaltschaft dem Ukrainer verfassungsfeindliche Sabotage und das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion vor. Polen soll Z. mittlerweile verlassen haben, heißt es in dem Bericht. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen könnte der Ukrainer gewarnt worden sein.
Nord-Stream-Tatverdächtiger: „Anfang Juli Grenze zwischen Polen und der Ukraine überquert
Die Tagesschau beschreibt den Fall als einer „der spektakulärsten Verfahren der vergangenen Jahrzehnte“. Der Recherche der drei Medien zufolge sollen die Ermittler den Haftbefehl gegen Z. bereits im Juni am Bundesgerichtshof erwirkt haben. Darauf soll ebenso im Juni der Europäische Haftbefehl gefolgt sein. Mit diesem seien die Ermittler auf die polnischen Behörden zugegangen, um den damals mutmaßlich in Polen befindlichen Ukrainer festzunehmen.
Die polnische Staatsanwaltschaft bestätigte am Mittwoch gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, von der Bundesanwaltschaft einen Europäischen Haftbefehl zur Festnahme eines Verdächtigen erhalten zu haben. Die Ermittler hätten ihn jedoch an seinem Wohnort nicht angetroffen, sagte die Sprecherin der polnischen Generalstaatsanwaltschaft weiter. „Der Mann hat Anfang Juli die Grenze zwischen Polen und der Ukraine überquert.“
Haftbefehl nach Pipeline-Sprengung: Polen weist auf angebliche Versäumnisse deutscher Behörden hin
Möglich sei dies gewesen, weil von deutscher Seite kein Eintrag in das Schengen-Register erfolgt sei, in dem die mit Europäischem Haftbefehl Gesuchten geführt werden. „Wolodymyr Z. hat die polnisch-ukrainische Grenze überquert, bevor es zur Festnahme kam, und der polnische Grenzschutz hatte weder die Informationen noch die Grundlage, um ihn festzunehmen, da er nicht als Gesuchter aufgelistet war“, sagte die polnische Sprecherin gegenüber dpa.
Auch den Berichten zufolge soll der Tatverdächtige vor Kurzem untergetaucht sein. Aus den Recherchen soll sich bislang keine direkte Verbindung des Verdächtigen zu staatlichen Stellen in der Ukraine ergeben haben. Bereits nachdem Spuren der Ermittlungen im Jahr 2023 in die Ukraine geführt hatten, bestritt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Interview mit Bild, Welt und Politico, eine Beteiligung Kiews an dem Anschlag auf die Pipelines.
Ermittlungen nach Sprengung der Nord-Stream-Pipelines: Falsche Fährten und Sackgassen
Nord Stream 1 und 2 waren milliardenteure Projekte. Beide Pipelines bestehen aus parallelen Strängen, die auf dem Meeresboden der Ostsee von Russland nach Deutschland verlaufen und für den Transport von russischem Gas vorgesehen waren. Die Ermittlungen im Rahmen der Nord-Stream-Sprengungen führten in den vergangenen Jahren immer wieder auf falsche Fährten und in Sackgassen. Dass die Explosionen durch Sabotage ausgelöst worden waren, stand früh fest. Wer für die Sprengung verantwortlich war, war lange umstritten. Im Raum standen Theorien über russische, ukrainische und US-Beteiligung.
Pipeline-Sprenung: Segeljacht „Andromeda“ im Mittelpunkt von Nord-Stream-Ermittlungen
Bisherige Ermittlungen hatten eine Segeljacht im Visier gehabt, auf der im Juli 2023 Sprengstoffspuren entdeckt wurden. Es wurde vermutet, dass die „Andromeda“ möglicherweise für den Transport des Sprengstoffs zum Einsatz kam. Berichten zufolge gehen die Ermittler davon aus, dass das Sabotage-Kommando an Bord des Bootes mutmaßlich aus fünf Männern und einer Frau bestand. Die Anmietung soll die Gruppe unter Vorlage gefälschter Papiere vollzogen haben.
Infolge des Anschlags kam schnell die Frage auf, wie die Sprengladungen angebracht wurden. Experten hielten es für möglich, dass ausgebildete Taucher Sprengsätze an den Orten angebracht haben könnten. Den Medienberichten zufolge soll der per Haftbefehl gesuchte Ukrainer Tauchlehrer sein.
Deutschland, Schweden und Dänemark ermittelten im Fall der Nord-Stream-Sprengungen
Nicht nur Deutschland hat in dem Fall ermittelt. Da zwei Lecks in der ausschließlichen Wirtschaftszonen von Schweden und Dänemark lagen, haben auch die beiden skandinavischen Länder Ermittlungen aufgenommen. Schweden stellte im Februar 2024 die Ermittlungen in dem Nordstream-Fall ein, Wochen später folgte Dänemark. In einem Bericht der Tagesschau von Februar hieß es, Deutschland könne von den Erkenntnissen Schwedens möglicherweise profitieren, da Schweden gesammelte Ermittlungsunterlagen an deutsche Behörden weitergaben. (pav mit dpa)