Hubschrauber in Bereitschaft

Niedersachsen bittet Bundeswehr um Hilfe beim Hochwasser

29.12.2023
Lesedauer: 8 Minuten
Sandkrug: Ein Hubschrauber vom Typ Super Puma der Bundespolizei ist am Barneführer Holz im Einsatz, um einen Deich mit großen Sandsäcken zu sichern Quelle: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Um bei möglichen Deichbrüchen zu helfen, hat die Bundeswehr auf Bitten Niedersachsens sechs Hubschrauber in Bereitschaft versetzt. Der Deutsche Wetterdienst sagt in Teilen Deutschlands weiteren Regen voraus. An der Elbe in Dresden entspannt sich hingegen die Lage. Ein Überblick.

Die Bundeswehr soll Einsatzkräfte in Niedersachsen im Kampf gegen das Hochwasser unterstützen. Die Landesregierung in Hannover stellte am Donnerstagabend ein Amtshilfeersuchen beim Territorialen Führungskommando (TFK). Daraufhin seien sechs Hubschrauber in Bereitschaft versetzt worden, sagte am Freitag ein Sprecher des TFK dem „Spiegel“.

Die Hubschrauber sollen beim Deichschutz helfen. Wenn Deiche aufgeweicht sind oder gar brechen, sollen die Helikopter Textilbehälter abwerfen, die mit Baumaterial gefüllt sind. So sollen die Deiche stabilisiert und der Wasserfluss gebremst werden.

Vielerorts sind die Deiche so stark aufgeweicht, dass Helfer diese mit Fahrzeugen nicht mehr erreichen können. Darüber hinaus sieht das Amtshilfeersuchen der Landesregierung vor, dass die Truppe beim Transport von Material und Menschen hilft. Die Bundeswehr soll sich für Evakuierungen bereithalten.

In Oldenburg sind die Bundespolizei und die Marine bereits mit je einem Hubschrauber im Einsatz. Die beiden Helikopter bringen besonders große Sandsäcke zu den Deichen bei Hatte, um diese zu sichern, wie ein Sprecher der freiwilligen Feuerwehr sagte.

Wassermassen schieben sich von den Mittelgebirgen in den Nordwesten Niedersachsens

Nach Angaben des Landesbranddirektors Dieter Rohrberg verschiebt sich die Hochwasserlage innerhalb Niedersachsens. Es gehe derzeit etwa vom HarzRichtung der Landkreise Celle und Oldenburg, sagte Landesbranddirektor Dieter Rohrberg. Der am Freitagmorgen gemessene Pegelstand überstieg in zahlreichen Gebieten weiterhin die höchste Meldestufe. Das betraf mehrere Orte an der WeserAller und Leine. Flussabwärts der Weser würden die Pegelstände noch weiter ansteigen.

Befürchtungen einer Sturmflut hätten sich bislang nicht bestätigt, sagte Rohrberg. Die Hochwassersituation sei regional unterschiedlich, für ganz Niedersachsen könne noch keine Entwarnung gegeben werden. Auch Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sagte, die Schwerpunkte des Hochwassers hätten sich in den vergangenen Tagen mit den Wassermassen vom Südosten in den Nordwesten des Landesverschoben.

Hochwasser in Niedersachsen - Verden
Verden (Aller): Blick auf die teilweise unter Wasser stehende Altstadt an der Aller
Quelle: dpa/-

In sechs Landkreisen sowie der Stadt Oldenburg ist Rohrberg zufolge weiterhin ein sogenanntes außergewöhnliches Ereignis festgestellt worden. In den Landkreisen Hildesheim und Northeim sei es hingegen mittlerweile aufgehoben worden. Durch das sogenannte außergewöhnliche Ereignis können Landkreise beispielsweise einfacher auf Hilfskräfte zugreifen.

An einigen Orten wurden Evakuierungen vorbereitet. In der Gemeinde Langlingen im Landkreis Celle verließen in der Nacht zum Freitag etwa 120 Menschen vorsorglich ihre Häuser und Wohnungen. Der Wetterprognose zufolge werde es in den nächsten Tage weiter Regen geben, zudem Sturm. Das entspanne die Lage nicht, sondern „verschärft sie an der einen oder anderen Stelle noch“.

An den Talsperren im Harz sinken die Füllstände. Nach der Okertalsperre wird nun auch an der Innerstetalsperre kein Wasser mehr über den Notüberlauf abgegeben, wie ein Sprecher der Harzwasserwerke am Freitag sagte. Die Lage sei allerdings weiter angespannt, da noch immer zu viel Wasser in den Reservoirs sei. Am Freitagvormittag war die Innerstetalsperre zu 99 Prozent gefüllt.

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte am Donnerstag, ein Hochwasser dieses Ausmaßes habe es zuvor nicht gegeben. „Experten warnen seit Langem davor, dass die immer häufigeren Wetterextreme mit dem Klimawandel zusammenhängen“, sagte er. Am Freitag kann es vor allem in Südniedersachsen zu Regen kommen. Niedersachsen hat bislang noch nicht entschieden, ob es wegen des Hochwassers ein Landeshilfsprogramm geben wird. Dafür sei es noch zu früh, sagte eine Regierungssprecherin.

Tiere im Serengeti-Park müssen zur Evakuierung narkotisiert werden

Mit einem Notfallplan bereitet sich der Serengeti-Park Hodenhagen auf weitere Evakuierungen von Tieren wegen des Hochwassers vor. Sorgen bereite vor allem das von Wasser umschlossene Haus der Antilopen und Giraffen, sagte eine Sprecherin des Tierparks nördlich von Hannover am Freitag. „Diese Tiere müssten für eine Evakuierung narkotisiert werden, das ist ein großes Risiko.“ Für den Notfall werde auch überlegt, wie die Tiere unter Narkose überhaupt durch die Wassermassen transportiert werden könnten. Mit Lastwagen und Pritschen seien die Wege dorthin nicht mehr befahrbar. Das Haus der Antilopen und Giraffen werde derzeit mit Sandsäcken geschützt, berichtete die Sprecherin.

Auch rund um Bremen gibt es noch keine Entwarnung. Das Ordnungsamt erließ in den vom Hochwasser stark betroffenen Ortsteilen Borgfeld und Timmersloh sowie in Teilen von Oberneuland ein Böllerverbot für die Silvesternacht erlassen. Eine ähnliche Verfügung gelte bereits für Lilienthal, wie die Bremer Innenbehörde am Freitag mitteilte. Die Einsatzkräfte müssten von silvestertypischen Einsätzen entlastet werden, sagte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Bei Verstößen drohen Platzverweise und eine Wegnahme des Feuerwerks.

Keine Entwarnung beim Hochwasser in NRW

Beim Hochwasser in Nordrhein-Westfalen gibt das Umweltministerium trotz stagnierender oder sinkender Pegelstände ebenfalls keine Entwarnung. „Wir haben nach wie vor eine große Hochwasserlage“, sagte Umweltminister Oliver Krischer (Grüne). Bisher seien die Folgen überschaubar geblieben, keine Opfer zu beklagen. An den Talsperren drohten weder Dammbrüche noch unkontrollierte Überläufe. Die Hochwasserschutzanlagen hätten gehalten.

Allerdings seien die Deiche an vielen Stellen aufgeweicht. Es habe sich hier deutlich gezeigt: „Wir haben einen Sanierungsbedarf“, sagte Krischer. Es sei den Einsatzkräften vor Ort zu verdanken, dass sie Schwachstellen erkannt und energisch gegengesteuert hätten, um Deichbrüche zu verhindern.

Der Klever Stadtteil Schenkenschanz ist vom Rheinhochwasser umschlossen
Der Klever Stadtteil Schenkenschanz ist vom Rheinhochwasser umschlossen
Quelle: dpa/Arnulf Stoffel

Nach wie vor ist am Niederrhein ein kleiner Ortsteil von Kleve vom Wasser umschlossen – und ist so vor ein paar Tagen zur Insel geworden. Ein Fährboot sorgt dafür, dass die Bewohner von Schenkenschanz über den Rhein gelangen. Mitarbeiter der Hilfsorganisation organisierten den ungewöhnlichen Hochwasser-Pendelservice.

Am Freitag sanken die Pegelstände an der Stelle deutlich. Man rechne aber mit neuen Regenfällen zu Wochenbeginn und dann wieder einem verstärkten Fährboot-Bedarf, sagte ein THW-Mitarbeiter.

In Minden sei es durch die massive Hochwasserlage der letzten Tage zu einer Belastung des Trinkwassers mit Bakterien gekommen, warnte die Stadt am Freitag. Ein großer Teil des Stadtgebiets sei betroffen. Die Belastung mit Keimen könne Durchfälle und andere Erkrankungen hervorrufen. Wasser zum Trinken, Kochen, aber auch etwa zum Geschirrspülen, Waschen oder Zähneputzen müsse abgekocht werden. Auch das „Mindener Tageblatt“ hatte berichtet.

Neue Niederschläge erwartet

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) sagt zum Teil ergiebige Regenfälle voraus. In den Staulagen des Bergischen Landes und des Siegerlandes in Nordrhein-Westfalen sowie des Harzes sei von Freitagfrüh bis in die Nacht zum Samstag hinein mit Dauerregen zu rechnen. Dabei könnten bis zu 40 Liter pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden fallen.

Auch in den kommenden Tagen ist weiterhin vielerorts mit Regen zu rechnen. „Es kommt bis Samstag noch mal ein ordentlicher Schwung rein, allerdings regnet es nicht mehr in so großen Mengen“, sagte der Meteorologe Christian Herold vom DWD am Freitagmorgen. Danach schwäche es ein wenig ab.

Sechs-Meter-Schwelle an der Elbe wird gekratzt

In Sachsen beschränken sich die Niederschläge laut Herold auf die Region nördlich von Dresden. „Aber das sind nur ganz vereinzelte Schauer.“ An der Elbe in Dresden entspannt sich unterdessen die Hochwasserlage, das Elbe-Hochwasser hat seinen Höchststand in Sachsen erreicht. Dabei blieb der maximale Wasserstand niedriger als zunächst prognostiziert. Für die anderen Flüsse in Sachsen sei die Hochwassergefahr mittlerweile komplett gebannt, teilte das Landesumweltamt am Freitag mit.

Die Stadt Dresden begann mit dem Abbau eines Flutschutztores. Bis zum Sonntag rechnet die Stadt damit, dass das Wasser unter den Richtwert der Alarmstufe 2 auf unter 5 Meter sinkt.

An der Elbe in Dresden entspannt sich die Hochwasserlage ein wenig
An der Elbe in Dresden entspannt sich die Hochwasserlage ein wenig
Quelle: picture alliance/dpa/Sebastian Kahnert

Der Hochwasserscheitel der Elbe habe bereits am Donnerstag die Pegel in Schöna an der tschechischen Grenze und in Dresden passiert. In der Landeshauptstadt stieg der Wasserstand der Elbe auf 5,95 Meter – und blieb damit unter der Sechs-Meter-Marke, ab der die zweithöchste Alarmstufe 3 ausgerufen worden wäre. Auch flussabwärts in Riesa werde der Richtwert für die Alarmstufe 3 nicht erreicht.

Auch im überflutungsgefährdeten Thüringer Ort Mönchpfiffel-Nikolausrieth (Kyffhäuserkreis) hat sich die Situation nach Behördeneinschätzung am Freitag entspannt. In der Nähe des 300 Einwohner zählenden Dorfes war am Donnerstagabend ein Deich der Helme an der Landesgrenze von Thüringen und Sachsen-Anhalt kontrolliert geöffnet worden, um das Wasser aus dem Fluss auf Felder abzuleiten.

In Thüringen sei vor allem der Norden von Schauern betroffen. „Da könnte es dann auch ein kleines bisschen mehr werden. Aber wahrscheinlich wird es dort auch nicht über zehn Liter pro Quadratmeter gehen“, erläuterte Herold. Auch in Sachsen-Anhalt sei zunächst noch mit Schauern zu rechnen.

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