Protokolle des "Krisenstabs"

Neue Corona-Dokumente: „Düsteres Bild“

26.05.2024
Lesedauer: 5 Minuten
General Carsten Breuer steht beim Bund–Länder Treffen 2021 zur Corona-Pandemie im Bundeskanzleramt zwischen der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem designierten Nachfolger Olaf Scholz (SPD). Breuer sollte nach dem Willen der Ampel-Parteien die schleppenden Corona-Impfungen auf Trab bringen.

Der Krisenstab von General Breuer hatte ein Problem: Es wurde viel Impfstoff gekauft – der musste unters Volk. Die Berliner Zeitung hat die Protokolle gelesen. 

Nach den Protokollen des Robert-Koch-Instituts (RKI) und jenen des „Expertenrats“ sind nun auch die Protokolle des unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eingerichteten „Krisenstabs“ zugänglich. Der Frankfurter Allgemeinarzt Christian Haffner hat die Protokolle angefordert und mit beträchtlichen Schwärzungen erhalten.

Die Leitung war dem erfahrenen Bundeswehr-General Carsten Breuer übertragen worden. Die Bundeswehr schrieb zur Ernennung Breuers im November 2021, dem General könne „durch seine Erfahrungen in der Corona-Amtshilfe und der Organisation der deutschlandweiten Impfstoffverteilung möglicherweise die Wende in der Pandemie gelingen“. Die Tagesschau schrieb: „Ein Generalmajor soll die schleppende Corona-Impfkampagne auf Trab bringen.“ Die Bundeswehr schrieb zur Qualifikation des Generals für den Job, dass unter anderem „die Beseitigung von Schneemassen in Bayern, die Bekämpfung des Borkenkäfers“ oder „die Eindämmung von Großwaldbränden“ unter die „Ägide von Breuers Kommando“ gefallen seien.

Entsprechend arbeitete auch der Krisenstab. Die der Berliner Zeitung vorliegenden Protokolle vermitteln den Eindruck, dass Breuers Aufgabe nicht in der umfassenden Beratung und Maßnahmen-Abwägung für den Kanzler bestand. Sein Job war offensichtlich, den in gewaltigem Umfang vorab eingekauften Impfstoff unters Volk zu bringen. Der Krisenstab ging daher militärisch-systematisch an die Sache heran. So heißt es am 16. Dezember 2021: „(Geschwärzt) hat mehrfach betont, dass die Impfquote zu erhöhen ist. Delta-Welle und Omikron-Welle nur brechbar, wenn Booster-Impfungen gesteigert werden. Ziel 30 Mio. Impfdosen bis Ende des Jahres. Große Impfbereitschaft in der Bevölkerung.“ In späterer Folge verzichtet der Krisenstab auf die „Impfquote“ als Leistungskriterium und spricht stattdessen stets vom „Impftempo“. Am 4. Januar weist der Corona-Krisenstab ausdrücklich darauf hin, „dass Erstimpfung von mindestens 80 Prozent der Bevölkerung kein vordringliches Ziel der BReg ist“.

Grundsätzliche Erörterungen über eine nuancierte Strategie fanden in dem Gremium nicht statt: Wie bei den Borkenkäfern und den Schneemassen verließen sich die Logistik-Planer auf „die Wissenschaft“ und arbeiteten ab, was qua RKI und Expertenrat als Lage definiert worden war. Im Bestreben, möglichst viele Dosen zu verimpfen, gab es zahlreiche Widersprüche. So wurde bald festgestellt, es bestehe die Gefahr, dass „die Impfgeschwindigkeit sinkt“: „Größtes Problem sind die Ungeimpften. Boosterung verlangsamt Virusausbreitung dennoch nur gering.“

Als man später feststellte, dass die Ungeimpften nicht zu gewinnen waren, wurde mehrfach über eine vierte Impfung als Lösung diskutiert, um mehr Dosen verimpfen zu können. Am 3. Februar 2022 hieß es, es sei „ausreichend Impfstoff für eine vierte Impfung“ vorhanden. Das Bundesgesundheitsministerium wurde gefragt, ob es zur vierten Impfung Zahlen gebe. Die gab es nicht, die Truppe von Karl Lauterbach versprach, die Zahlen „für die Zukunft“ zu liefern. In den Protokollen tauchen die Zahlen nicht mehr auf. Stattdessen wurde überlegt, Impf-Stationen im Einzelhandel, in Einkaufszentren oder an Autobahnraststätten (für Fernfahrer) zu errichten. Die Impfkampagne wurde auch auf Ukrainisch und Russisch angeboten (für Geflüchtete), mit der Rentenversicherung gab es Gespräche, wie man die oft unwilligen Alten erreichen könnte. 

Sorge bereitete dem Krisenstab schließlich der Trend, dass zahlreiche potenzielle Impflinge auf angepasste Impfstoffe für die neuen Varianten warten wollten. Am 17. Februar ist zu lesen: „BW (Baden-Württemberg, Anm. d. Red.) fragt zum Stand einer vierten Impfung als mögliches Mittel der Wahl. (Geschwärzt) trägt die Zurückhaltung des Gremiums vor. Corona-Krisenstab bittet BMG um Stellungnahme zu dem Gerücht, dass die Hersteller einen Omikron-angepassten Impfstoff nicht weiter verfolgen. Es ist noch nicht sicher, ob ein angepasster Impfstoff in die Produktion geht. (Geschwärzt) hebt die gute Wirkung der aktuell zugelassenen Impfstoffe hervor. Diese ist auch ein wichtiges Argument, sich jetzt impfen zu lassen und nicht auf einen angepassten Impfstoff zu warten. BMG erläutert die aktuelle Stiko-Empfehlung zur vierten Impfung für vulnerable Personengruppen und Beschäftigte im Gesundheitswesen.“

Am 3. März 2022 stellt das Gremium fest: „Corona-Krisenstab berichtet, dass sich das Expertengremium aktuell damit befasst, den Blick auf künftige Infektionswellen zu schärfen und wie eine Intensivierung der Impfkampagne erreicht werden kann. Zum Thema Nachhaltigkeit fanden in dieser Woche Gespräche des Corona-Krisenstabs mit Angehörigen des Expertengremiums statt. Das Expertengremium habe in seiner letzten Sitzung ein düsteres Bild zum nachlassenden Infektionsschutz gezeichnet. Es wird ein zeitgerechtes Handeln erforderlich sein werden (sic).“

Diese dramatische Mitteilung wurde in der heißen Phase der Debatte über eine Impfpflicht geäußert. Was der Krisenstab in dieser Phase zum Impfpflicht besprach, ist unbekannt, da wesentliche Passagen aus dieser Zeit umfänglich geschwärzt wurden. Die Abstimmung erfolgte schließlich im Bundestag am 7. April 2022, wo sich die Mehrheit der Abgeordneten gegen eine allgemeine Impfpflicht aussprach.

Mit dem Scheitern der Impfpflicht scheint auch die Bedrohung durch Corona ihren Schrecken verloren zu haben. Der Krisenstab stellte am 4. Mai seine Tätigkeit offiziell ein, obwohl er noch kurz davor einen Anstieg der Infektionszahlen festgestellt hatte. Jemand (geschwärzt) dankte den Teilnehmern, die Lauterbach-Fraktion entließ General Breuer mit einem Ausblick in die Zukunft: „BMG betont die Bedeutung, den Impfschutz aufrecht zu erhalten und die Booster Lücke zuschließen. Es besteht die Hoffnung, dass zum Herbst ein adaptierter, um Impfstoff zur Verfügung steht. Es wird darauf hingewiesen, dass im Spätsommer möglicherweise die in den Stand-by-Modus befindliche Infrastruktur reaktiviert werden muss (sic), sollte eine weitere flächendeckende Impfung erforderlich sein.“

Christian Haffner überlegt nun, ob er die geschwärzten Passagen – teilweise sind ganze Sitzungen geschwärzt, insbesondere im Vorfeld der geplanten Einführung einer Impfpflicht – freiklagen soll. Auch alle Hinweise auf Corona-Proteste sind geschwärzt; für deren Bewertung scheint unter anderem das Ministerium von Annalena Baerbock zuständig gewesen zu sein. So vermerkt der Vertreter des Auswärtigen Amtes (AA) am 1. Februar, dass im Ausland „heterogene Protestbewegungen“ beobachtet worden seien.

Haffners Fazit über die vorliegenden Erkenntnisse aus den Protokollen: „Der Bund-Länder-Krisenstab beschäftigte sich vorwiegend mit zwei Themen, nämlich Minimierung der Fallzahlen und Maximierung der Impfquote. Da während seiner Amtsdauer, Dezember 2021 bis Mai 2022, keine ‚epidemische Notlage‘ mehr ausgerufen war, stand das zweite Ziel im Vordergrund. Diskutiert wurde über Impfangebote, Nudging und Impfpflichten. Die Verhandlungen waren nicht fachlich fundiert, sondern maßnahmenbezogen.“

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