Nancy Faeser will Polizisten gegen Gewalt in Freibädern. Die sagen: „Wir sind keine Bademeister“

12.07.2023
Lesedauer: 6 Minuten
Das Columbiabad an normalen Tagen Bildquelle: Christian Schroth/imago stock&people

Immer wieder kommt es in Berlins Schwimmbädern zu Prügeleien. Bei CDU und AfD heißt es: Ein Grund dürften auch Integrationsprobleme einiger Besucher sein.

Mitarbeiter berichten von Drohungen, junge Männer prügeln sich am Beckenrand: Die Empörung über die Ausschreitungen in Berliner Freibädern zieht immer weitere Kreise. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat sich am Mittwoch erneut für Polizeipräsenz in Schwimmbädern ausgesprochen. Gerade in öffentlichen Bädern, wo auch viele Kinder und Jugendliche seien, müsse der Rechtsstaat hart gegen Gewalt vorgehen. „Das heißt auch: Polizeipräsenz. Ich will das ganz deutlich sagen“, so Faeser.

Mit dieser Aussage sorgte die Innenministerin für Empörung: Polizisten seien keine Bademeister, heißt es etwa von Polizeigewerkschaftern.

In den vergangenen Tagen waren mehrere Berliner Freibäder zum Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen geworden. Das Neuköllner Columbiabad musste am Sonntag abermals geräumt und geschlossen werden, nachdem Jugendliche auf Angestellte und Sicherheitspersonal losgegangen waren.

Nun soll das Bad voraussichtlich die ganze Woche geschlossen bleiben – „aus betrieblichen Gründen“. Mehrere Angestellte haben sich krankgemeldet. Bereits im Juni hatten sich Mitarbeiter in einem Brief an die Leitung der Bäderbetriebe gewandt und „auf das untragbare Ausmaß der Umstände“ hingewiesen. Ihnen selbst, aber auch Frauen und Minderheiten, werde immer häufiger mit Gewalt gedroht. Bei den Randalierern handelt es sich vor allem um junge Männer, oft mit Migrationshintergrund.

Im Prinzenbad in Kreuzberg wurde am Sonntag ein junger Mann verprügelt, weil er ein 14-jähriges Mädchen belästigt haben soll. Im Freibad Pankow schlugen sich Ende Juni Besucher mit Sicherheitsleuten. Damit gleichen die Ausschreitungen denen aus dem Sommer 2022. Damals waren unter anderem im Juli bei einem Konflikt zwischen Badegästen und Angestellten des Columbiabades elf Menschen verletzt worden. An Tumulten im Sommerbad Neukölln beteiligten sich im damaligen Juni 250 Gäste.

Bundesinnenministerium sieht Landesregierung in der Verantwortung

Schon im vergangenen Jahr hatte sich Bundesinnenministerin Faeser für „hinreichend Polizeipräsenz“ ausgesprochen. Auf Anfrage der Berliner Zeitung, was das Ministerium in der Zwischenzeit unternommen habe, sagte ein Sprecher, dass sich Faeser regelmäßig mit den Innenministern und Innensenatoren der Länder „zu aktuellen Entwicklungen in der Kriminalitätslage und möglichen Maßnahmen“ austausche. Er verwies auf Präventionsarbeit der Länder, unter anderem auf das Jugendschutzteam der Polizeiwache in Neukölln. Zugleich stellte er klar: „Der Schutz in öffentlichen Schwimmbädern selbst obliegt den jeweiligen Landespolizeien.“

Das wäre in diesem Fall der Verantwortungsbereich von Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Diese ließ am Mittwoch mitteilen, dass auf ihre Einladung am Dienstagabend „ein interdisziplinäres Gremium aus Entscheidungsträgerinnen und -trägern“ sozial engagierter Berliner Vereine, der Berliner Bäderbetriebe und der Polizei Berlin zusammengekommen sei. „Wo viele Menschen sind, gibt es auch viel Konfliktpotenzial. Dass sich dieses aber in aggressivem Dominanzverhalten, Drohungen oder gar körperlicher Gewalt Bahn bricht, werden wir nicht dulden“, erklärte Spranger.

Auch Regierungschef Kai Wegner (CDU) äußerte sich am Rande einer Pressekonferenz zum Mietenbündnis mit der privaten Wohnungswirtschaft zu den Vorfällen. „Viele Familien wünschen sich jetzt gerade zu Beginn der Schulferien, in die Freibäder zu gehen“, sagte Wegner. „Und sie erwarten auch einen sicheren Besuch der Freibäder.“ Er sei zu der Situation „in einigen wenigen Freibädern“ im Gespräch mit der Innensenatorin.

„Wir werden uns das kurzfristig anschauen“ und dann „Maßnahmen ergreifen“, so Wegner weiter. „Wir werden nicht dulden, dass unsere Bäder, ein kleiner Teil unserer Bäder, zu rechtsfreien Räumen wird.“ An politischen Statements und Absichtserklärungen mangelt es also nicht.

CDU-Politiker Throm: Oft liegt es an „Integrationsdefiziten“

Derweil ist die Gewalt in Berlins Bädern längst auch Thema im Deutschen Bundestag. „Es ist völlig inakzeptabel, dass sich Familien in Berlin und woanders nicht mehr trauen ins Freibad zu gehen, weil es dort immer wieder zu Randale, Beleidigungen und Massenschlägereien kommt“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, der Berliner Zeitung. Er beklagt eine „Machokultur“, die sich in den vergangenen Jahren offenbar in deutschen Bädern ausgebreitet habe. „Die Tumulte in Freibädern haben nicht nur, aber leider oft auch mit Integrationsdefiziten zu tun.“

Die Polizei könne nicht immer überall sein, sagte der CDU-Innenpolitiker. „Deshalb müssen in erster Linie die Betreiber der Freibäder mit strengen Einlasskontrollen und ausreichend Sicherheitskräften dafür sorgen, dass es nicht zu Gewaltexplosionen am Beckenrand kommt.“ Zudem könnten mehr Videoüberwachung und eine Ausweispflicht die Menschen in den Freibädern schützen. „Wer als Randalierer im Freibad auffällt, dem sollte sofort ein Hausverbot erteilt werden“, sagte Throm.

„Die Diskussion um die Sicherheit in Freibädern führen wir seit mehr als einem Jahrzehnt, ohne heute wirklich weiter zu sein“, sagte Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei. „Dass es bei über 30 Grad und vielen Menschen auf engem Raum zu Auseinandersetzungen kommt, kann niemanden überraschen. Zumal wir oftmals auch über junge testosterongeladene Männer reden, bei denen die Zündschnur ohnehin recht kurz ist.“ Es sei immer leicht, Polizeipräsenz zu fordern. „Aber Polizisten sind keine Bademeister und wir können bei all den Aufgaben und mit Blick auf die Temperaturen nicht noch Einsatzhundertschaften an die Schwimmbecken stellen.“ Hier seien zuerst die Betreiber und die Bezirke in der Pflicht.

Empört über die Forderung der Innenministerin ist auch Bodo Pfalzgraf von der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Frau Faeser sollte sich um die Bundesprobleme kümmern und nicht versuchen der Polizei Berlin noch zusätzliche Aufgaben zuzuweisen“, sagte er. „Mehr Polizei in Freibädern ist schwer möglich. Es helfen nur kluge Sicherheitskonzepte, gut geschulte und vernünftig bezahlte Sicherheitsdienste und knallharte Folgen bei Randale. Vom Hausverbot bis zum Knast ist die Palette breit. Sie muss nur genutzt werden.“

Berliner FDP warnt: „Wohlfühl-Biotop für Schwimmbadrandalier“

Die Berliner AfD, die in der kommenden Woche ein eigenes Sicherheitskonzept für Freibäder vorstellen will, macht unter anderem die unkontrollierte Migration für die Gewalttätigkeiten verantwortlich. „Die Randalierer folgen einem archaischen Weltbild, das mit den Werten unserer Gesellschaft kollidiert“, sagte der innenpolitische Sprecher der Hauptstadtfraktion, Karsten Woldeit. Ein grundlegendes Problem seien die fehlende Anerkennung und Respekt vor staatlichen Autoritäten und Regeln.

Woldeit fordert unter anderem bei rechtswidrigem Verhalten sofortige Hausverbote sowie Videoüberwachung beim Einlass, um potenzielle Störer schon im Vorfeld zu identifizieren. Zudem schlägt der die Einrichtung mobiler Polizeiwachen vor den problematischsten Freibädern vor, um die Hemmschwelle für potenzielle Täter zu erhöhen.

„Der Rechtsstaat darf sich hier nicht auf der Nase herumtanzen lassen“, sagte der Generalsekretär der Berliner FDP, Lars Lindemann. „Verschärfte Einlassbedingungen, Hausverbote, die von den Berliner Bäderbetrieben auch konsequent ausgesprochen und durchgesetzt werden müssen, und mehr Sicherheitspersonal – das sind die richtigen Instrumente, um die Gewaltausbrüche einiger junger Männer erst gar nicht aufkommen zu lassen.“

Lindemann verwies darauf, dass der Berliner Senat und die Bezirke in der Pflicht seien, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen – „sonst wird Berlin zum Wohlfühl-Biotop für Schwimmbadrandalier“.

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