Die Rede zur Lage der Nation des US-Präsidenten war eine 60-minütige Wahlwerbung. Um verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen, setzt Joe Biden auf eine neue Strategie.
Washington. Furor ist ein Gefühl, das Joe Biden häufig unterdrückt. Hinter verschlossenen Türen, erzählen Vertraute des US-Präsidenten, sei er aufbrausend. Öffentlich aber überwiegt der gemächliche, manchmal zerstreute Biden. Doch acht Monate vor den US-Präsidentschaftswahlen läuft Joe Biden die Zeit davon. Angesichts der Vorwahl-Siegesserie von Donald Trump scheint Ruhe zu bewahren keine Option mehr.
Bei seiner Rede zur Lage der Nation, die Biden am späten Donnerstagabend (Ortszeit) im Kongress hielt, versuchte er es mit einer neuen Emotion: Wut.
Die ungewöhnlich forschen Töne deuten auf ein neues Wahlkampfkonzept hin. Häufig werfen Strategen dem Präsidenten vor, müde zu wirken und gegenüber Trumps Populismus zu verblassen. In den vergangenen Jahren schauten sich bis zu 30 Millionen US-Bürger Bidens Rede zur Lage der Nation an, fast ein Drittel weniger als zu Trump-Zeiten.
Biden wollte nun gegensteuern, den Saal des Repräsentantenhauses nutzte er vor allem zu Attacken gegen Trump. Oder vielmehr dazu, das Erstarken des Trumpismus als, wie er es ausdrückte, „beispiellose Bedrohung“ zu brandmarken.