Wie deutsche Steuerzahler dem kriminellen Al-Zein-Clan ein Luxusleben finanzierten
Es ist der 8. Juni 2021. Gegen 6 Uhr rammt ein gepanzertes Fahrzeug das Tor zur Villa in Leverkusen auf. Die Haustür des Gebäudes wird gesprengt, SEK-Elitepolizisten stürmen das Haus der Al-Zeins. Die Razzia ist das vorläufige Ende eines kriminellen Geldkreislaufes. BILD am Sonntag erklärt, wie sich der Clan mit Steuergeldern eine Millionenvilla kaufen konnte!
Die Ermittlungen der Polizei richten sich gegen das Familienoberhaupt Badia Al-Zein (46), seine Frau Hajere (42, nach islamischem Recht verheiratet) sowie seine Söhne Sehmus (28) und Mohamed (24). Der Vorwurf: Verdacht des gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Betruges. Die Familie soll sich über Bedarfsgemeinschaften fast eine halbe Million Euro vom Jobcenter Leverkusen erschlichen haben.


DER HAUSKAUF
Die Villa gehört offiziell dem Sohn Mohamed. Er ist in Düsseldorf gemeldet, wohnt aber laut Ermittlern faktisch in der Villa, wo er auch festgenommen wurde. Er schied 2017 aus der Bedarfsgemeinschaft aus, war damit der Einzige, der keine Sozialleistungen mehr bezog. Offenbar wurde er ausgesucht, damit ein Familienmitglied die Villa kaufen konnte.
Mohamed hat dann angeblich für die Gebäudereinigungsfirma „Euro Dienstleistungen“ gearbeitet, bekam monatlich stolze 2915,84 Euro überwiesen. Die Firma gehörte damals Barzan H., der ein Freund seines Vaters sein soll. Ob er dort tatsächlich arbeitete, ist fraglich. Laut Ermittlungen war der Job nicht steuerlich angemeldet.
Zusätzlich erhält Mohamed Anfang 2018 16 Überweisungen über insgesamt 182.000 Euro. Sie wurden von unterschiedlichen Personen getätigt, lagen je zwischen 2500 und 80.000 Euro. Fast alle Beträge wurden zuvor bar auf die Konten dieser Personen eingezahlt. Die Ermittler vermuten, dass es sich dabei um Kapital der Al-Zeins handle, welches über Strohmänner eingezahlt wurde.
Mit einem Eigenkapital von nun insgesamt 240.000 Euro geht der Sohn 2018 zur Sparkasse Langenfeld und bekommt ein Bauspardarlehen über 500.000 Euro. So kauft er als 21-Jähriger für 650.000 Euro das Anwesen, entrichtete auch die Grunderwerbssteuer von 42.250 Euro und vermietete es an seinen Vater.
Von den monatlichen Sozialleistungen der Familie gingen dann etwa 2000 Euro als Miete an seinen Sohn. Mohamed soll damit die monatlichen Raten von 2089,50 Euro (davon 937,50 Euro Zinsen) für das Bauspardarlehen bedient haben. Somit finanzierte der Staat eigentlich die Villa!
DAS JOBCENTER
Kern der bisherigen Ermittlungen gegen die vier Beschuldigten ist der mutmaßliche Sozialbetrug. Demnach wurden durch die Familie beim Jobcenter Leverkusen von 2015 bis 2021 insgesamt drei Bedarfsgemeinschaften angemeldet. Wodurch sich die Familie mehr als 430.000 Euro erschlichen haben soll.
Für eine Bedarfsgemeinschaft stellte Badia Al-Zein den Hauptantrag, die Folgeanträge seine Frau Hajere. Auf ihr Konto ging auch das Geld ein. Sie soll laut Ermittlungen eine Art Kassenwart der Familie sein, organisierte alles. In Summe erhielt Badia Al-Zein (acht Kinder) mit seinen Familienangehörigen so monatlich 5262,30 Euro!
BILD am Sonntag fragte bei der Stadt Leverkusen nach, ob der Anspruch der Familie nicht kontrolliert wurde. Eine Sprecherin: „Zu wirtschaftlichen Verhältnissen von Privatpersonen können aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskünfte erteilt werden.“
DIE RAZZIA


BILD am Sonntag weiß: Fast das gesamte Erdgeschoss der Villa ist mit großen Marmorfliesen ausgelegt. Im 105 Quadratmeter großen Ess- und Wohnzimmerbereich liegen große Berberteppiche. Die Einrichtung wird von den Beamten als luxuriös bezeichnet.
Im Elternschlafzimmer finden die Beamten im Fuß der Bügelstation 11.950 Euro Bargeld. Im Tresor im Keller stellen die Beamten 181.565 Euro sicher und im Tresor im Büro im Erdgeschoss weitere 147.900 Euro und 2000 US-Dollar. Zudem wird Schmuck in Wert von mehr als 100.000 Euro sichergestellt. Für die Ermittler steht fest, dass ein Großteil der Gelder aus Straftaten stammen müsse, mutmaßlich Schutzgelderpressung und Schwarzgeldgeschäfte.


Derzeit sitzen nur noch Badia Al-Zein und sein ältester Sohn Sehmus in U-Haft. Der Haftbefehl gegen Hajere wurde gegen Meldeauflagen außer Vollzug gesetzt, damit sie sich um die restlichen Kinder kümmern kann.
Die Villa, die inzwischen geschätzt eine Million Euro wert ist, wurde vom Staat wegen des Geldwäscheverdachts eingezogen. Allerdings steht der Staat nur als Zweiter nach der Sparkasse im Grundbuch. Der ehemalige Besitzer Mohamed ist wieder auf freiem Fuß. Sein Haftbefehl wurde mangels dringendem Tatverdacht aufgehoben. Auf Anfrage der BamS hat der Anwalt seines Vaters Badia Al-Zein sich nicht zu den Vorwürfen geäußert.
Nach der Razzia wurden die Zahlungen der Sozialleistungen an die Beschuldigten eingestellt. Alle nicht inhaftierten Familienmitglieder durften jedoch schon am Tag nach der Razzia wieder in die Villa einziehen.


Der Clan hat mindestens 3000 Mitglieder in Deutschland
Der türkisch-arabische Clan Al-Zein ist neben den Familien Remmo und Miri der bekannteste und auch größte Clan in Deutschland.
Er soll laut Ermittlern mindestens 3000 Personen umfassen, Insider rechnen ihm gar bis zu 15.000 Mitglieder zu. Die Al-Zeins sind vorwiegend im Ruhrgebiet, im Rheinland und in Berlin ansässig.


Oberhaupt des Clans ist Mahmoud Al-Zein (55), der selbsternannter „Pate von Berlin“, der türkischen Behörden zufolge Mahmut Uca heißt. Er reiste im Januar 2021 in die Türkei aus, entging damit seiner möglichen Abschiebung. Mahmoud Al-Zein, den sie „El Presidente“ nennen, reiste 1982 als angeblich staatenloser Palästinenser mit seiner Frau nach Berlin ein. Er ist u. a. wegen Körperverletzung und Drogenhandel vorbestraft. Seine Familie, mehr als zehn Kinder, lebte jahrelang ausschließlich von Sozialhilfe und zog später von Berlin nach Duisburg.
Badia Al-Zein (46) ist ein Cousin von Mahmoud Al-Zein und galt nach dessen Ausreise als einer seiner möglichen Nachfolger. Die Familien sind sehr eng verbunden. So ist Sehmus (28), der älteste Sohn von Badia Al-Zein, mit Majola (27), einer Tochter von „El Presidente“, verheiratet.
Mitarbeit: Dimitri Soibel