Korrekturen im Lebenslauf

Mehr Schein als Sein: Einen ihrer größten Vorteile hat Baerbock endgültig verspielt

07.06.2021
Lesedauer: 4 Minuten
„Fällt zusammen wie ein Souffle“: Journalist enthüllt falsche Angaben in Baerbock-Lebenslauf FOCUS Online/Wochit

Die Spitzenkandidatin der Grünen Annalena Baerbock gerät aufgrund der Korrekturen in ihrem Lebenslauf innerhalb weniger Wochen zum wiederholten Male in die Kritik. Einen ihrer größten Vorteile im Rennen um das Kanzleramt hat sie damit endgültig verspielt.

Kurz nachdem die Meldung des „FAZ“-Journalisten Philip Plickert über den geschönten Lebenslauf von Annalena Baerbock auf dem Kurznachrichtendienst Twitter die Runde gemacht hatte, begann an selber Stelle ein Streit über die Deutungshoheit der Nachricht.

Als perfides „Herumstochern in CV-Kommata“ bezeichnete es ein Redakteur des Spiegels, „Hochstapelei“ nennt Plickert es geradeheraus. Fakt ist jedoch: Der Wahlkampfsprecher der Grünen, Andreas Kappler, bestätigte selbst via Twitter, dass „Angaben zu Mitgliedschaften von Annalena Baerbock präzisiert und korrigiert wurden“.

Konkret handelt es sich dabei um angebliche Mitgliedschaften beim nationalen Partner des UNHCR, der UNO-Flüchtlingshilfe sowie dem Europa/Transatlantik-Beirat der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung und dem German Marshall Fund (GMF). Letztere Organisation pflegt die transatlantischen Beziehungen zwischen den USA und Europa. Zu tun hatte Baerbock mit dem GMF jedoch lediglich im Rahmen eines sogenannten Fellowship-Programms – vor zehn Jahren. Sie ist somit lediglich Alumna, aber kein festes Mitglied.

Nun dürfte der GMF den wenigsten Bürgern ein Begriff sein, zur Zierde in politischen Kreisen eignet sich die Institution dennoch, zählt sie doch zu den prestigeträchtigsten Stiftungen im Bereich der transatlantischen Zusammenarbeit. „Dort arbeiten Koryphäen der internationalen Beziehungen, dort werden Regierungsberater und zukünftige Minister geformt, und eine Mitgliedschaft in der Stiftung ist zumindest ein Ausweis besonders guter Vernetzung“, beschreibt es der „Welt“-Kolumnist Don Alphonso.

Der Eindruck mehr Schein als Sein verfängt

Für sich genommen mag das alles wie Kleinkram wirken. Der sich aber, zusammen mit dem falschen akademischen Eindruck, den Baerbock in den vergangenen Wochen erweckte, zu einer unangenehmen Botschaft verdichtet: mehr Schein als Sein.

Tatsächlich ist es das, was verfängt. Bewusst und bisweilen gekonnt präsentierte sich Baerbock bisher als junge, nahezu makellose Gallionsfigur einer grünen Wende, und damit als Antipol zu den eingestaubten Granden Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD). Politische Altlasten à la Van-Laack-Affäre oder Wircard gibt es bei Baerbock aufgrund ihrer bisher eher kurzen politischen Karriere nicht. Diesen Vorteil hat Baerbock durch die verspätete Meldung von Nebeneinkünften im Bundestag sowie den Ungenauigkeiten im Lebenslauf innerhalb weniger Wochen nun endgültig verspielt.

Ein auf Hochglanz poliertes Bild, das es gar nicht braucht

In der Causa Lebenslauf ist die Empörung und das öffentliche Interesse auch deswegen überbordend, weil Baerbock immer wieder offensiv mit ihren Kompetenzen Werbung für sich machte. Im Podcast der „Zeit“ „Alles gesagt?“ erklärte sie sich beispielsweise selbst zur Juristin, obwohl ihr die dafür notwendigen Qualifikationen hierzulande fehlen.

Ebenso wie der jetzige Vorfall sorgen derartige Episoden für Irritation und hinterlassen den faden Beigeschmack, dass die Perfektionistin Baerbock ein besonders glänzendes Bild von sich erzeugen will. Eines, das es aufgrund ihrer zweifelsohne vorhandenen Kompetenzen als Politikerin und dem Klimawandel als gesellschaftliches Top-Thema gar nicht bräuchte.

Der Eindruck von Mehr Schein als Sein leistet dabei alle denjenigen Vorschub, die Zweifel daran hegen, ob Baerbock wirklich die nötige Erfahrung und Reife für das höchste Amt in Deutschland besitzt. Durch die jüngsten Vorfälle sorgen Baerbock und ihr Team wieder einmal selbst dafür, dass sich diese Bedenken überhaupt so beständig halten können.

Wieso beschäftigt sich Baerbocks Team immer erst im Nachhinein mit möglichen Stolperfallen?

Dazu gesellt sich noch die ganz besondere Eigenheit der Grünen, ihre Programminhalte denkbar ungelenk unters Volk zu bringen. Jüngstes Beispiel: die Spritpreis-Debatte. Hier forderte Baerbock, wie übrigens von der aktuellen Regierung durch die CO2-Bepreisung bereits umgesetzt, eine deutliche Erhöhung. Dass die Grünen Mehrkosten für Energie und Kraftstoffe an die Verbraucher zumindest teilweise in Form eines Energiegeldes zurückzahlen wollen, ließ man zur Randnotiz verkommen. Die Arroganz-Vorwürfe an einer unsozialen grünen Elitenpolitik kamen prompt und mit Ansage.

Gemeinsam mit ihrem mittlerweile schiefen öffentlichen Bild entsteht so eine Gemengelage, die Baerbock in der Kanzlerfrage zunehmend in die Defensive drängt. Mitunter selbst verschuldet.

An dieser Stelle muss die Frage erlaubt sein, wieso sich Baerbocks Team immer erst im Nachhinein mit etwaigen Stolperfallen auseinandersetzt. Denn wie Baerbock selbst im „Zeit“-Podcast sagte, bewerbe sie sich um das höchste Amt in Deutschland und sie könne deswegen verstehen, „dass die Menschen wissen wollen, wer diese Frau ist, wo sie herkommt und warum sie das macht?“

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