Russland konzentriert seine Angriffe nach ukrainischen Angaben auf den Donbass im Osten des Landes. Eine Darstellung, die auch Russlands Außenminister Lawrow bestätigt. Er sieht darin einen „wichtigen Moment“ im Kriegsverlauf.
Im Ukraine-Krieg konzentriert die russische Armee ihre Angriffe inzwischen massiv auf den Donbass im Osten des Landes: „Die Okkupanten haben einen Versuch unternommen, unsere Verteidigung fast an der gesamten Frontlinie in den Regionen Donezk, Luhansk und Charkiw zu durchbrechen“, teilte der ukrainische Generalstab mit. Sie wollten die Regionen Luhansk und Donezk vollständig unter ihre Kontrolle bringen. Außerdem hätten die Russen die Blockade und den Beschuss von Mariupol fortgesetzt und auch andere Städte mit Raketen angegriffen.
Nach Angaben des russischen Außenministers Sergej Lawrow tritt Russland mit der Offensive im Osten in eine neue Phase des Einsatzes in der Ukraine ein. „Ich bin sicher, das wird ein wichtiger Moment in dieser gesamten Spezialoperation“, sagte Lawrow in einem Interview mit dem Fernsehsender India Today. Es gehe darum, die „vollständige Befreiung der Republiken Donezk und Luhansk“ zu erreichen, sagte Lawrow. Dabei bezog er sich auf die von prorussischen Separatisten in der Ostukraine ausgerufenen Republiken, die Russland anerkannt hat.
Auch Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu bekräftigte das militärische Ziel seines Landes, die Ostukraine befreien zu wollen. „Wir setzen unseren Plan zur Befreiung der Volksrepubliken Donezk und Luhansk schrittweise um“, sagte er. Zugleich warf er der US-Regierung und ihren Verbündeten vor, den Militäreinsatz durch ihre Waffenlieferungen an die Ukraine „in die Länge zu ziehen“. Russland ergreife Maßnahmen, „um das friedliche Leben wiederherzustellen“, sagte Schoigu in einer im Fernsehen übertragenen Sitzung mit russischen Militärkommandeuren.
Ultimatum für Stahlwerk in Mariupol
Zuvor hatte Russland die ukrainischen Streitkräfte zur Aufgabe aufgefordert und den Einheiten in der Stadt Mariupol ein neues Ultimatum gestellt. Das russische Verteidigungsministerium forderte alle Soldaten im Land auf, „unverzüglich die Waffen niederzulegen“, wie es in einer Erklärung hieß. „Wir wenden uns an alle Angehörigen der ukrainischen Armee und an die ausländischen Söldner: Ihnen steht aufgrund des Zynismus der Kiewer Behörden ein wenig beneidenswertes Schicksal bevor.“
Den Verteidigern von Mariupol werde „das Überleben garantiert“, wenn sie ab Mittag ihre Waffen niederlegten. In einer Waffenpause zwischen 13.00 und 15.00 Uhr könnten dann „alle ukrainischen bewaffneten Einheiten und die ausländischen Söldner ohne Waffen und Munition herauskommen“. Dann werde ihr Leben gerettet, hieß es.
Stahlwerk wird offenbar gestürmt
Zuvor hatten prorussische Separatisten mitgeteilt, dass die Erstürmung des Stahlwerks Asowstal in der Hafenstadt mit russischer Hilfe begonnen habe. Das russische Verteidigungsministerium wies Berichte zurück, dass es dort Frauen, Kinder und weitere Zivilistinnen und Zivilisten gebe. Wenig später teilte die Behörde mit, aus „rein humanen Prinzipien“ noch eine Chance zur Kapitulation zu geben. Die ukrainische Regierung wurde aufgerufen, „Vernunft walten zu lassen und den Kämpfern entsprechende Anweisungen zu geben, diese sinnlose Konfrontation zu beenden“.
Wie andere Kämpfer in Mariupol, die aufgegeben hätten, sollten sie sich in russische Gefangenschaft begeben, hieß es. Demnach sollte eine Standleitung für die Kommunikation zwischen der russischen und ukrainischen Seite eingerichtet werden. Danach sollte eine Feuerpause von beiden Seiten in Kraft treten. Dazu sollten von ukrainischer Seite an dem Stahlwerk weiße Flaggen angebracht werden.


Ukraine: Russland lehnt Fluchtrouten ab
Die Ukraine hatte kritisiert, dass Russland Bitten ausgeschlagen habe, in Mariupol Fluchtkorridore einzurichten, damit sich Einwohnerinnen und Einwohner, die in dem Stahlwerk Zuflucht gesucht hatten, in Sicherheit bringen können. In dem Stahlwerk sollen sich nach russischen Angaben rund 2500 Kämpfer verschanzt haben, darunter auch 400 ausländische Söldner. Ukrainischen Medien zufolge sollen in dem Werk auch noch etwa 1000 Zivilistinnen und Zivilisten ausharren.
Dritter Tag in Folge keine Fluchtkorridore
Wegen der russischen Offensive im Osten der Ukraine sind nach ukrainischen Angaben den dritten Tag in Folge keine Fluchtkorridore für die umkämpften Orte eingerichtet worden. „Der intensive Beschuss im Donbass geht weiter“, teilte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk mit. „Wir setzen die schwierigen Verhandlungen über die Öffnung der humanitären Korridore in den Gebieten Cherson und Charkiw fort“, schrieb Wereschtschuk in ihrem Nachrichtenkanal bei Telegram.
Die Behörden hatten zuletzt in verschiedenen Städten im Osten der Ukraine beklagt, wegen der Gefahr durch Beschuss keine Menschen mehr aus den umkämpften Gebieten in Sicherheit bringen zu können. Zuletzt waren am Wochenende etwa 1500 Menschen über derartige Routen in sichere Gebiete gelangt.
„Ihre Offensive wird scheitern“
Der ukrainische Präsidentenberater Olexij Arestowytsch sagte, Ziel des russischen Vorstoßes im Luhansker Gebiet sei es, die ukrainischen Truppen in den Städten Rubischne, Lyssytschansk und Sjewjerodonezk zu isolieren. Im Gebiet um Charkiw würden 25.000 Soldaten der russischen Armee von Isjum aus in Richtung Slowjansk und Kramatorsk im um Gebiet um Donezk angreifen. Auch bei Awdijiwka nahe Donezk werde eine Offensive versucht.
Zugleich sei er sich sicher, dass Russland mit seiner Offensive im Donbass scheitern werde. Diese laufe nur „sehr vorsichtig“ an und russischen Streitkräften fehle aber die Stärke, um die ukrainischen Verteidigungslinien zu durchbrechen. „Ihre Offensive wird scheitern, da gebe ich Ihnen eine 99-prozentige Garantie“, sagte Arestowytsch.
Russland: Dutzende Luftangriffe in der Ostukraine
Die russischen Luftstreitkräfte bombardierten nach Angaben des Verteidigungsministeriums im Moskau seit Wochenbeginn 60 militärische Objekte der Ukraine. Darunter seien zwei ukrainische Lager für „Totschka-U“-Raketen südöstlich von Charkiw gewesen, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Südwestlich der Stadt sei ein ukrainisches Kampfflugzeug vom Typ MIG-29 abgeschossen worden. Mit Artillerie seien insgesamt 1260 Militärobjekte in der Ukraine beschossen worden.
In der Nacht seien ukrainische Stellungen im Donbass und der Region Charkiw aus der Luft mit Präzisionsraketen angegriffen worden, hieß es weiter. Dabei wurden nach russischen Angaben auch Truppenansammlungen und Militärgerät der ukrainischen Streitkräfte nahe den Ortschaften Barwinkowe, Slowjansk und Popasna beschossen.
Belgorod meldet Beschuss aus der Ukraine
Russische Behörden meldeten in der Region Belgorod an der Grenze zur Ukraine unterdessen erneuten Beschuss aus dem Nachbarland. Getroffen worden sei demnach das Dorf Golowtschino, es gebe Zerstörungen, eine Frau sei verletzt, teilte der Gouverneur des Gebietes Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, bei Telegram mit. Die laut Behörden bereits mehrfach beschossene Region grenzt an das umkämpfte ukrainische Gebiet Charkiw.
Anfang April hatten den Angaben zufolge zwei ukrainische Kampfhubschrauber im Gebiet Belgorod auch ein Öllager beschossen und in Brand gesetzt. Die Ukraine hat das weder bestätigt noch dementiert. Russland hatte der Ukraine angesichts des Beschusses damit gedroht, in der Hauptstadt Kiew wieder verstärkt Kommandostellen für Raketenangriffe ins Visier zu nehmen.
Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 19. April 2022 um 09:00 Uhr.