Niederlage bei Impfpflicht-Abstimmung im Bundestag

Klatsche für Scholz und Lauterbach

07.04.2022
Lesedauer: 4 Minuten
Bundeskanzler Olaf Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) am Donnerstag im Bundestag Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP

Sie kommt nicht!

Um 12.43 Uhr fiel die Entscheidung: Die Einführung einer Corona-Impfpflicht ist gescheitert, der Gesetzesentwurf für eine Impfpflicht ab 60 erhielt am Donnerstag im Bundestag nicht die erforderliche Mehrheit.

Die Stimmverteilung: 683 abgegebene Stimen, 296 dafür, 378 dagegen, neun Enthaltungen.

Eine Mega-Klatsche für Scholz und Lauterbach! Beide hatten sich massiv für den Gesetzesentwurf stark gemacht.

Für eine Mehrheit hätten sie 342 Stimmen gebraucht – heißt: es fehlten 46. Dabei stellt die Ampel-Regierung alleine 416 Abgeordnete.

Im Deutschen Bundestag kommt es heute zum Impfpflicht-Krimi. Doch der Ausgang ist vor dem Start völlig offen
Im Deutschen Bundestag kommt es heute zum Impfpflicht-Krimi. Doch der Ausgang ist vor dem Start völlig offen
Foto: Kay Nietfeld/dpa

Auch der Unions-Antrag, wonach Vorbereitungen für eine mögliche spätere Impfpflicht getroffen werden sollen, fand keine Mehrheit! Und der Vorstoß einer Abgeordnetengruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki (70) gegen eine Impfpflicht wurde abgeschmettert. Dafür stimmten 85 Abgeordnete, 590 lehnten ihn ab (12 Enthaltungen).

Impfpflicht-Krimi im Bundestag!

Vor der mit Spannung erwarteten Abstimmung – weitgehend ohne die sonst üblichen Fraktionsvorgaben – zeichneten sich KEINE klaren Mehrheitsverhältnisse ab.

▶︎ Der einzige ausgearbeitete Gesetzentwurf, der vorlag: eine Impfpflicht zunächst für Menschen ab 60 Jahre vor. Darauf hatten sich zwei Gruppen von Abgeordneten aus SPD, FDP und Grünen verständigt.

Schon vor der eigentlichen Abstimmung gab es die erste Klatsche für die Ampel! Über ihren Gesetzesentwurf zu einer Impfpflicht ab 60 wurde ZUERST im Bundestag abgestimmt.

Die Reihenfolge der Abstimmung ist wichtig, denn so die Befürchtung: Wenn der eine Gesetzesentwurf bei der Abstimmung durchfällt, könnten die Abgeordneten bei der zweiten Abstimmung mit „Ja“ stimmen – nur, um am Ende überhaupt eine Regelung zu erzielen.

Heißt: Bevor es zur Abstimmung über die Sache kommt, wird über die Reihenfolge der Abstimmung gewählt. Die Ampel hatte gehofft, die Reihenfolge so zu ändern, dass ihr Gesetzesentwurf NICHT ALS ERSTER zur Abstimmung geht.

ABER: Dafür konnte die Ampel keine eigene Mehrheit gewinnen!

Tino Sorge (47), gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU, zu BILD: „Das ist eine Klatsche für die Ampel, die vom üblichen Verfahren abweichen wollte.“ Denn, so erklärt Sorge, es „ist üblich, dass über den weitestgehenden Antrag zuerst abgestimmt wird – in diesem Fall ist das der Ampel-Antrag für eine Impfpflicht.“

Dass die Ampel von diesem Verfahren abweichen wollte, nannte Sorge einen „Tiefpunkt der demokratischen Kultur“.

Lauterbach vor Abstimmung: „Wir haben es in der Hand.“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (59, SPD) appellierte am Donnerstagmorgen im Bundestag für eine Impfpflicht: „Ich möchte ausdrücklich auch darauf hinweisen, dass wir – wenn die Omikron-Variante im Herbst zurückkäme – im Oktober ungefähr 200 bis 300 Todesfälle hätten. Wollen wir das wirklich als Gesellschaft akzeptieren? Wollen wir uns daran gewöhnen, dass jeden Tag 200 bis 300 Menschen sterben?“

Lauterbachs Plädoyer für die Impfpflicht: „Das kann keine humane Gesellschaft für uns sein. Wir haben es in der Hand.“

Vor Lauterbach hatte unter anderem Wolfgang Kubicki (70, FDP) gesprochen, er sprach sich gegen eine Impfpflicht aus. „Impfungen dienen dem Selbstschutz, nicht dem Fremdschutz“, so Kubicki. Und weiter: „Es ist nicht die Aufgabe des Staates, erwachsene Menschen gegen ihren Willen zum Selbstschutz zu zwingen.“

Der Grünen-Abgeordnete Janosch Dahmen (40) plädierte für eine Impfpflicht, vor allem sei auch die Altersgrenze ab 60 Jahren nicht willkürlich gesetzt: „Zwischen 50 und 60 Jahren steigt das Risiko für einen schweren Verlauf noch einmal extrem an. Damit erfüllt eine Impfpflicht ab 60 zwei Ziele: Es schützt die besonders gefährdeten Menschen und es schützt unser Gesundheitssystem vor Überlastung – und es schützt uns alle vor einem Pandemieherbst und -winter.“

Impfkampagne fast zum Erliegen gekommen

Seit Beginn der Pandemie war eine allgemeine Impfpflicht lange über Parteigrenzen hinweg ausgeschlossen worden.

Angesichts schleppender Impfungen sprachen sich Ende vergangenen Jahres Kanzler Olaf Scholz (63, SPD) und die Ministerpräsidenten dann doch dafür aus. Wenn der Bundestag die Impfpflicht beschließt, müsste der Bundesrat zustimmen. Aktuell haben mindestens 63,2 Millionen Menschen oder 76 Prozent aller Einwohner den Grundschutz mit der nötigen zweiten Spritze. Die Impfkampagne ist aber nahezu zum Erliegen gekommen.

Lauterbach sagte am Mittwochabend in der ARD, er glaube, dass der Kompromissvorschlag aus den Ampel-Fraktionen eine Mehrheit bekomme. Sollte die von ihm unterstützte Impfpflicht scheitern, denke er aber „natürlich nicht“ über einen Rücktritt nach.

► CDU-Generalsekretär Mario Czaja (46) rechnete nicht damit, dass eine Impfpflicht beschlossen wird. „Bislang sehe ich für keinen Antrag im Parlament eine Mehrheit“, sagte er der dpa.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr (44) wollte keinem der vorliegenden Anträge zustimmen, wie er dem „Handelsblatt“ sagte.

Das könnte Sie auch interessieren

Für Energiekonzern
01.12.2024
EU-Plan gescheitert
29.11.2024
ARD-Show "Die 100"
26.11.2024
Abstimmung über neue EU-Kommission
27.11.2024

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

17 − 5 =

Weitere Artikel aus der gleichen Rubrik

Für Energiekonzern
01.12.2024
EU-Plan gescheitert
29.11.2024

Neueste Kommentare

Trends

Alle Kategorien

Kategorien