Oberster Krankenhaus-Chef widerspricht Mahnern

KEINE Überlastung der Intensivstationen in Sicht!

02.04.2021
Lesedauer: 4 Minuten
Ein Intensivpfleger arbeitet in Schutzausrüstung auf der Intensivstation des Krankenhauses Bethel in Berlin an einem Corona-Patienten Foto: Kay Nietfeld/dpa

„Brauchen wir erst ein Bergamo, um den Mut für einen harten Lockdown zurückzugewinnen?“, fragt der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) Prof. Gernot Marx und spielt auf die Triage-Situation in Italien in der ersten Corona-Welle an.

Die Debatte um die richtigen Maßnahmen in der Corona-Krise, um Lockdowns und Beschränkungen bestimmen Warnungen und Mahnungen, was alles im schlimmsten Fall passieren KÖNNTE.

Politiker übernehmen die Warnung vor bald überlasteten Kliniken häufig, um für die Einhaltung der Lockdown-Reglen zu werben. Bundeskanzlerin Angela Merkel (66, CDU) bat die Bürger in ihrem Podcast um ein „ruhiges Osterfest im kleinen Kreis“. Wozu? Damit das Gesundheitssystem der Corona-Belastung standhalten könne.

Deutschlands oberster Krankenhaus-Chef hat die Nase voll!

„Diese andauernden Überlastungsszenarien – auch von medizinischen Verbänden und Experten – sind nicht zielführend“, sagt Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zu BILD.

Sein Versprechen: „Jeder Schwerkranke – egal ob Covid oder nicht – wird eine angemessene Versorgung in den Kliniken erhalten. Eine totale Überlastung unseres Gesundheitssystems oder gar Triage wird es in den kommenden Wochen absehbar nicht geben. Es droht auch kein Ende der Versorgung.“

Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG)Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

► Fakt ist: Seit dem 13. März steigt die Zahl der Corona-Patienten, die auf einer Intensivstation behandelt werden müssen – zunächst langsam, inzwischen wieder schneller. An Karfreitag waren 3849 Corona-Patienten auf der Intensivstation. Gleichzeitig meldet das DIVI-Intensivregister 3534 sofort betreibbare, freie Intensivbetten und eine Notfallreserve von mehr als 10 000 Betten.

Krankenhäuser: Intensivbetten in Deutschland (Coronavirus, Covid-19, Erkrankung) – Infografik

Selbst dass mehr Covid-Patienten als am Höhepunkt der zweiten Welle, also knapp 5800 Corona-Patienten, intensivmedizinisch behandelt werden müssten, „hieße keine Überlastung“, so Gaß. „De facto haben wir mehr Kapazitäten auf den Intensivstationen als in der zweiten Welle. Das große Problem der Corona-Ausfälle und Quarantäne-Anordnungen innerhalb der Belegschaft fällt quasi weg“, erklärt der DKG-Chef.

Zudem gäbe es effektive Steuerungselemente, etwa den Aufschub selektiver medizinischer Maßnahmen: „Im Notfall müssen wir die Regelversorgung wie in der ersten Welle herunterfahren und die Kapazitäten auf die Versorgung von Covid-Patienten konzentrieren.“

Derartige Patientenzahlen seien jedoch „auf keinen Fall wünschenswert“ und durch intelligente Maßnahmen, testen und impfen zu verhindern, so Gaß: „Das deutsche Gesundheitssystem ist sehr leistungsfähig. Wir sind nicht an der absoluten Belastungsgrenze!“

DIVI sieht dramatisches Szenario

Blickt man auf die Zahlen der DIVI, sieht die Welt völlig anders aus!

Laut DIVI-Prognosemodell ist jetzt schon sicher, dass die Intensivpatienten-Zahlen auf mehr als 4500 steigen werden. „Das ist unvermeidbar“, sagt Prof. Christian Karagiannidis, wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters.

Würde man erst dann einen harten Lockdown beschließen, könnte man die Patientenzahlen noch bei knapp über 5000 einfangen, so die Berechnung. „Warten wir noch länger, und stoppen erst bei einer Inzidenz von 300 Ende April oder Anfang Mai, werden wir mehr als 6000 Menschen mit COVID-19 auf Intensiv sehen. Ob wir das packen, wage ich zu bezweifeln“, so die Warnung von Karagiannidis – und dies sei explizit KEINE keine Schwarzmalerei.

Tägliche gemeldete Corona-Neuinfektionen in Deutschland – Infografik

Droh-Szenarien der falsche Weg

Die Bevölkerung mit Droh-Szenarien zur Einhaltung der Kontaktbeschränkung zu bringen, hält der DKG-Chef aber für die falsche Taktik. Gaß zu BILD: „Ich wünschte mir, die Bürger besser zu informieren und nicht mit dramatischen Zahlen zu bedrohen. Etwa, dass es auch positive Entwicklungen gibt, die oft nicht zur Sprache kommen.“

So habe sich die Zahl der Toten im Verhältnis zu den Infektionen deutlich gesenkt. Das belegten auch die Zahlen: Obwohl die Infektionszahlen seit Mitte Februar steigen, befindet sich die Zahl der Corona-Toten auch sieben Wochen nach Beginn der dritten Welle im Sinkflug – bisher war die Entwicklung der Todesfälle mit etwa vier Wochen Abstand auf die Infektions-Welle gefolgt.

Bestätigte Todesfälle durch Covid-19 in Deutschland – Infografik

„Ein erster Effekt der Impfung“, ist sich Gaß sicher.

Im Impfen sieht der DGK-Chef ohnehin die Hauptlösung der Pandemie. Gaß zu BILD: „Wir müssen so viele Menschen wie möglich gegen schwere Verläufe schützen – deshalb sollten die Ständige Impfkommission und das Paul-Ehrlich-Institut den Mut haben, die Erstimpfung zu priorisieren. Das Motto muss lauten: Volle-Kraft in die Erstimpfung!“

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