Die FDP kritisiert, dass Lemke die Berliner Klima-Proteste als „zivilen Ungehorsam“ bezeichnet. Von einem Ampelkrach möchte die Ministerin indes nichts wissen.
In der Ampel-Koalition sind deutliche Differenzen in der Haltung zu den aktuellen Klima-Protesten in Berlin deutlich geworden. Nachdem Steffi Lemke (Grüne), Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Verständnis für die Vorgehensweise von Klimaaktivisten, die in Berlin regelmäßig Autobahnen blockieren, zeigte, reagierte ihr Kabinettskollege Marco Buschmann (FDP) mit deutlicher Kritik.
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„Ziviler Ungehorsam ist im deutschen Recht weder Rechtfertigungs- noch Entschuldigungsgrund. Unangemeldete Demos auf Autobahnen sind und bleiben rechtswidrig. Protest ist ok, aber nur im Rahmen von Recht und Verfassung“, schrieb der Justizminister auf Twitter.
Anlass für diese Reaktion waren verständnisvolle Aussagen der Umweltministerin mit Blick auf die Autobahnproteste. „Es ist absolut legitim, für seine Anliegen zu demonstrieren und dabei auch Formen des zivilen Ungehorsams zu nutzen“, hatte die Grünen-Politikerin bei einer Gesprächsrunde der Europe 2022-Konferenz des Tagesspiegel, der ZEIT, des Handelsblattes und der WirtschaftsWoche am Mittwoch gesagt.
Dabei verwies Lemke auf ihre eigene Vergangenheit und die friedliche Revolution in der ehemaligen DDR, räumte jedoch ein, dass dies nicht ganz vergleichbar sei. Lemke machte auch deutlich, dass bei solchen Protestaktionen „keine Menschen zu Schaden kommen dürfen und dass niemand durch zivilen Ungehorsam auf eine Art und Weise tangiert wird, dass Schaden eintreten könnte.“
[Lesen Sie zudem: Die Aktivisten auf der Berliner Autobahn – „Wenn wir nur brave Aktionen machen, ist die Reaktion der Politik zu langsam“ (T+)]
Es sei Auftrag und Verpflichtung der Politik – Regierung wie Opposition – eine Radikalisierung der Klimaaktivisten zu verhindern, indem sie dem Handlungsauftrag der bei der Klimakonferenz in Paris eingegangen Verpflichtung auf die Klimaziele nachkomme, so Lemke.
FDP reagiert empört
Wie Buschmann machte auch dessen Parteifreund Konstantin Kuhle, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, seinen Unmut über Lemkes Aussagen deutlich. „Mitglieder der Bundesregierung dürfen nicht zu Straftaten aufrufen. Punkt“, schrieb er auf Twitter.
Mitglieder der Bundesregierung dürfen nicht zu Straftaten aufrufen. Punkt. https://t.co/HHFzvqyNWm
— Konstantin Kuhle (@KonstantinKuhle) February 9, 2022
Auch andere FPD-Politiker reagierten mit Unverständnis auf die Aussagen Lemkes. So twitterte der Bundestagsabgeordnete Daniel Föst, es sei „gut, dass wenigstens die FDP auf den Rechtsstaat Acht“ gebe.
Mutmaßungen über einen angesichts solcher Aussagen entflammten Streit innerhalb des Ampel-Bündnisses trat Lemke noch am späten Mittwochabend entgegen.
Alle, die darauf warten, dass es endlich einen saftigen Koalitionskrach geben möge, enttäusche ich jetzt mal. Ich stimme mit meinem Kollegen @MarcoBuschmann überein. Ist in meinem Statement klar formuliert. https://t.co/fKBAMUSV6t
— SteffiLemke (@SteffiLemke) February 9, 2022
„Alle, die darauf warten, dass es endlich einen saftigen Koalitionskrach geben möge, enttäusche ich jetzt mal. Ich stimme mit meinem Kollegen Marco Buschmann überein“, schrieb die Grünen-Politikerin auf Twitter. Demnach sei diese Haltung in ihrem Statement „klar formuliert“.
Initiative pocht auf Positionierung von Scholz
Die Klimaproteste in Berlin gehen inzwischen in die dritte Woche und während dieser Zeit ist die Berliner Stadtautobahn als meistbefahrene Autobahn Deutschlands ihr zentraler Ort geworden.
Dabei legen und setzen sich zwischen fünf und fünfzig Menschen in Warnwesten auf die Autobahn, zumeist vor Ampeln an Abfahrten. Schnell staut sich der Verkehr auf, wütende Autofahrer wurden zum Teil handgreiflich.

Mit Blick auf gesetzeswidrige Aktionen, bei der in Berlin auch ein Rettungswagen im Stau stecken blieb, argumentierte die Initiative: „Eine Notlage rechtfertigt auch Gesetzesverstöße. Und wir sind in einer Notsituation.“
Beendet würden die Blockaden zur aktuellen Kampagne „Essen Retten – Leben Retten“ erst, wenn die Bundesregierung ein Gesetz gegen das Wegwerfen von Lebensmitteln beschließe.
Zudem machte die Initiative deutlich, dass sie eine Reaktion des Bundeskanzlers erwarte. „Der angebliche Klimakanzler Olaf Scholz schweigt weiterhin dazu“, kritisierten die Aktivisten in einer Mitteilung. Demnach lasse dieser trotz vorheriger Ankündigungen zu, „dass Unmengen an gutem Essen täglich weggeworfen werden, während Bedürftige in immer längeren Schlangen an den Tafeln stehen“.
„Wir brauchen Taten. Wir stecken mitten in einem Klimanotstand“, teilte die Initiative weiter mit. „Die Regierung muss jetzt handeln.“
Seit Beginn der Proteste am 24. Januar habe es 37 Blockaden in mehreren Städten gegeben, laut Polizei fanden 29 Aktionen in Berlin statt. 164 Mal habe die Polizei seither Teilnehmende, die im Schneidersitz auf Autobahnausfahrten saßen, in Gewahrsam genommen, so die Aktivist:innen.
Bundesumweltministerin Lemke will Klage gegen Taxonomie prüfen
Lemke hatte bei der Gesprächsrunde auch erklärt, dass es immer noch möglich sei, dass sich Deutschland der Klage von Österreich und Luxemburg gegen die EU-Taxonomie anschließt. „Ich kenne die österreichische Klageschrift noch nicht. Wir werden prüfen, was für Aspekte dort vorgelegt sind und wie tragend sie sind. Wir werden dies dann innerhalb der Bundesregierung erörtern und eine Position dazu finden“, sagte sie.
Zu dem vor wenigen Tagen von der Europäischen Kommission vorgelegten Taxonomie-Rechtsakt, in dem Atomkraft und Erdgas als klimafreundliche Übergangstechnologien behandelt werden, sagt die Grünen-Politikerin: „Für beide Energieträger wäre es nicht notwendig gewesen, einen ‚Delegated Act‘ zu erlassen. Das ist schon Greenwashing, was da passiert, wenn versucht wird, für die Langfristschiene hier ein Nachhaltigkeitssiegel draufzukleben.“ Das konterkariere die Taxonomie.