22,8 Millionen Deutsche sind nicht gegen Covid-19 geimpft. Mit harten gesellschaftlichen Einschränkungen will man sie dazu bewegen, sich doch noch die Anti-Covid-Spritze abzuholen. Bei manchen wirkt der Druck – andere ziehen sich zurück in neue „Impfgegner-Communities“.
Wer derzeit bei Ebay Kleinanzeigen durch die Annoncen scrollt, könnte auf eine neue Art Inserate stoßen. „Verkauf nur an Ungeimpfte“, heißt es unter einem Angebot, es geht um Kinderski und Skischuhe. „Geimpfte und Geboosterte haben freien Zutritt zu allen Sportgeschäften. Dieses Inserat stellt deshalb keine Diskriminierung von Mehrheiten dar.“
Die Anzeige, die am 12. Dezember veröffentlicht wurde, ist nur eine von vielen. Schon wenige Klicks später das nächste Angebot: Ein Afrika-Deko-Set, der Verkäufer möchte 20 Euro dafür haben. „Für Ungeimpfte gibt’s einen Rabatt – aufgrund staatlicher Repression“, schreibt er.
Nicht nur bei Ebay Kleinanzeigen haben sich Communities gebildet, die auf Impfverweigerer abzielen. Es gibt inzwischen Jobbörsen, Dating-Plattformen und Chatgruppen speziell für Ungeimpfte.
Jobbörse für Ungeimpfte: Bei „Impffrei.work“ inserieren sogar Pflegedienste
Da ist zum Beispiel das Portal „Impffrei:work – die Alternative Jobbörse“, über das FOCUS Online vor wenigen Wochen berichtete. Pflegedienste, Apotheken, Gastronomen, Handwerker – das Portfolio der Anzeigensteller ist bunt gemischt. Sie alle suchen gezielt nach Arbeitskräften, die ungeimpft sind. „Arbeiten ohne Impfung, Ausgrenzung und Diskriminierung“, verspricht ein Slogan auf der Startseite des Portals.
Wer hinter der Jobbörse steckt, ist nicht bekannt. Ein echtes Impressum mit Ansprechpartner, Telefonnummer und Adresse sucht man vergebens. „Impffrei:work ist nur ein Admin, der dafür sorgt das keine unseriösen Jobangebote auf der Seite veröffentlicht werden. Anfragen zu Jobangeboten werden direkt vom Jobsuchenden an den registrierten Arbeitgeber übermittelt. Dieser Vorgang wird automatisiert durchgeführt“, ist auf der Seite zu lesen.
Und weiter: „Fakt ist, dass wir aktuell kein Impressum bereitstellen, was aber nicht bedeutet, das vielleicht irgendwann mal eins zur Verfügung stehen wird.“ Am Ende des Statements: Ein Zwinkersmiley.
Impffrei:work: „Das ist im Arbeitsrecht zum Beispiel so nicht zulässig“
Auf „Impffrei:work“ gibt es eigene Unterseiten, auf denen krude Corona-Theorien verbreitet werden. Es ist zum Beispiel die Rede von der „sogenannten Pandemie“ und von einem „Impfzwang“. Auch wird behauptet, die derzeitigen Impfstoffe könnten den Menschen schwere Schäden zufügen.
Tatsächlich sind dem Paul-Ehrlich-Institut bis Ende Juli nur für 0,14 % aller durchgeführten Corona-Schutzimpfungen Nebenwirkungen gemeldet worden. 0,02 % aller registrierten Nebenwirkungen waren schwerwiegend. Impffrei.work ist, so kann man es sagen, ein Ort, an dem die Angst vor Covid-19-Impfungen befeuert wird.
Silvio Lindemann, Anwalt für Arbeitsrecht aus Dresden, findet die Vermittlung von Jobs aufgrund eines Gesundheitsmerkmals im Gespräch mit dem „MDR“ problematisch. „Das ist im Arbeitsrecht zum Beispiel so nicht zulässig. Das wäre das gleiche, als würde ich jemanden suchen, der nur eine Niere hat oder vielleicht keinen Blinddarm mehr oder möglicherweise sogar eine bestimmte Blutgruppe. Das ist unzulässig, wäre sogar sittenwidrig“, sagte er dem Sender.
Mit „Impffrei:love“ gibt es auch eine Partnervermittlung für Ungeimpfte
Neben Impffrei.work gibt es auch Portale wie Impffrei:love, wo sich Ungeimpfte zu Dates verabreden können. Das Motto: „Lieber Händchen halten als Abstand halten.“ Wer sich registrieren will, muss neben Namen und E-Mail-Adresse seinen Impfstatus angeben. „Ich suche seit Anfang des Jahres einen neuen Partner, habe schlimme Erfahrungen auf anderen Plattformen gemacht. Nicht nur, weil dort viele geimpfte Menschen sind, sondern auch viele Lügner, Scammer und Fakes“, berichtet ein Testimonial auf der Webseite.
Die Botschaft ist klar: Bei Impffrei:love sind die Menschen verständnisvoll und ehrlich, eben keine Lügner, Scammer und Fakes. Dabei werden auch hier falsche Thesen zur Corona-Schutzimpfung verbreitet, zum Beispiel, dass „toxische Spikeproteine an Ungeimpfte übertragen werden können“.
Experten haben bereits klargestellt, dass das nicht möglich ist. Der Impfstoff enthält keine Spike-Proteine – und selbst wenn, könnten diese keine Krankheitssymptome hervorrufen. Virologin Monika Redlberger-Fritz sagte im Gespräch mit dem BR: „Das Spike-Protein alleine macht nicht krank. Es ist eine absurde Annahme, dass man in irgendeiner Art und Weise von einem Spike-Protein Symptome bekommen könnte.“
Laut Impressum steckt hinter Impffrei:love ein Verein namens „Generation Freiheit“, der seinen Sitz in der Schweiz hat. Dieser setzt sich laut Webseite für „gemeinnützige und ideelle Zwecke“ ein und fördert „die gesamtheitliche Entwicklung des Menschen und der Natur“. Schaut man sich die Projekte an, die „Generation Freiheit“ unterstützt, fallen vor allem die Querdenker-nahen „Mutigmacher“ auf.
Auch außerhalb von „Impffrei“ bilden sich Impfgegner-Communities“
Doch auch außerhalb der „Impffrei“-Domains scheinen sich Impfgegner-Communities zu bilden. Der „Spiegel“ berichtet vom sogenannten „Verbund Ungeimpfter Menschen (VUM)“ , der sich als „Antidiskriminierungsnetzwerk und Unternehmensberatung“ versteht. Dahinter soll eine Firma mit beschränkter Haftung stehen, die in Irland gemeldet ist.
In Telegramgruppen wie „Studenten stehen auf“ loten die Mitglieder aus, in welchen Lokalen man sich treffen kann, ohne geimpft, genesen oder getestet zu sein. Oft bleibt es aber nicht bei harmlosen Debatten im Netz. So berichtete das „Göttinger Tageblatt“ von rund 100 Menschen, die am Samstagnachmittag gegen die geltenden Corona-Maßnahmen protestierten. Zur Demo aufgerufen hatte die Initiative „Studenten stehen auf“.
Dass sich im Impfgegner-Kosmos auch Mediziner herumtreiben, wird am Beispiel des Münchner Kinderarztes Steffen Rabe deutlich. Im Netz tritt er für eine Organisation mit dem Namen „Ärzte für individuelle Impfentscheidung e.V.“ auf. Was auf den ersten Blick seriös klingt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Plattform für Hetze gegen die gängigen Anti-Covid-Vakzine, aber auch die hiesige Gesundheitspolitik.
Prominent prangt auf der Webseite des Vereins ein Video, in dem sich Rabe zum neuen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) äußert. Er spricht von „irrationalem Alarmismus“ und von Impfstoffen, die „ein Auslaufmodell“ seien. Dabei ist längst klar, dass die derzeitigen Anti-Covid-Vakzine zuverlässig gegen schwere Corona-Verläufe schützen. Wie zuverlässig dieser Schutz bei der neuen Omikron-Variante ist, wird derzeit noch geprüft.
Es formiert sich ein Universum der Ungeimpften
Jobbörse, Partnervermittlung, Ungeimpft-Only-Anzeigen oder Studentengruppe bei Telegram: Mehr und mehr formiert sich eine Art Universum, in dem sich Impfgegner austauschen, miteinander diskutieren, sich gegenseitig bestärken. Es gibt sie noch, die normalen Menschen – so scheint es sich zumindest für die Mitglieder anzufühlen.
Während sich Impfverweigerer in den neuen Communities den Rücken stärken, ist die Corona-Lage in Deutschland weiterhin ernst. Am Sonntag (Stand: 12. Dezember) lag die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz bei 390,9.
Nicht umsonst startete die Bundesärztekammer zusammen mit anderen Organisationen den Aufruf: „Viele Krankenhäuser sind schon jetzt jenseits der Belastungsgrenze. Daher rufen wir alle Ungeimpften dringend auf: Lassen Sie sich jetzt impfen! Sie schützen damit nicht nur sich selbst vor Erkrankung, sondern auch ihre Mitmenschen vor Infektion.“
Ungeimpft-only-Anzeigen wird es bei Ebay Kleinanzeigen letztlich wohl auch weiterhin geben. Es habe Diskussionen über die Angebote gegeben, erklärte das Unternehmen dem Portal „t3n“. Angebote, die sich ausschließlich an ungeimpfte Menschen richten, verstößen jedoch weder gegen geltendes Recht noch die Nutzungsbedingungen der Plattform.