Die Erwartungen an den Flüchtlingsgipfel waren hoch. Doch das Treffen im Innenministerium von Nancy Faeser (SPD) endete ohne konkrete Ergebnisse. Der Deutsche Städtetag ist enttäuscht – und der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages sorgt für einen kleinen Eklat in Berlin.
Beim sogenannten Flüchtlingsgipfel in Berlin haben Bund, Länder und Kommunen eine bessere Abstimmung zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen vereinbart. Nach dem Treffen im Bundesinnenministerium aber ist die Enttäuschung groß. Für einen kleinen Eklat sorgte bei der Pressekonferenz nach der Veranstaltung der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke. Während Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) sprach, verließ Henneke, der zwischen den Journalisten saß, den Saal und rief: „Heuchelei“.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte nach einem Gespräch mit Vertretern von Ländern und Kommunen eine bessere Abstimmung bei der Unterbringung und Versorgung von Migranten und Flüchtlingen versprochen. Über mögliche zusätzliche Finanzhilfen des Bundes zur Bewältigung dieser Aufgabe, werde es um Ostern weitere Gespräche geben, sagte sie nach dem Treffen am Donnerstag in Berlin. Unter anderem soll ein digitales „Dashboard“ zur Migration künftig für „Transparenz“ sorgen.
„Allein im Jahr 2022 hat der Bund die Länder und Kommunen finanziell mit 3,5 Milliarden unterstützt, für dieses Jahr haben wir 2,75 Milliarden vereinbart.“ Es gebe einen klaren Fahrplan, um die Finanzierung weiter zu regeln und Bilanz zu ziehen. „Hierüber werden auch der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten an Ostern weiter verhandeln“, fügte Faeser hinzu.
„Die Migration nach Europa muss stärker reguliert werden“
Grote sagte mit Blick auf die nun verabredeten neuen Arbeitsprozesse: „Wir beziehen die Kommunen noch stärker ein.“ Ostern sei ein guter Zeitpunkt, um erneut über Geld zu sprechen. Bis dahin werde man besser einschätzen können, wie viele zusätzliche Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu erwarten seien.
Nicht alle Probleme seien mit Geld zu lösen, sagte Hessens Innenminister, Peter Beuth (CDU). Er betonte: „Die Migration nach Europa muss stärker reguliert werden.“ Auch bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber müsse es Fortschritte geben. Das forderte auch Andreas Roßkopf, bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zuständig für die Bundespolizei. „Die bisherige Koordination der Behörden untereinander, etwa zwischen Ausländer- und Strafverfolgungsbehörden ist katastrophal“, sagte er der Mediengruppe Bayern. Die Polizei scheitere bei der Rückführung häufig an diesem Zuständigkeitsgerangel.
Der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp, dämpfte allerdings die Erwartungen. Er verwies Afghanistan und Syrien, zwei Hauptherkunftsländer von Asylbewerbern, und sagte: „Sie können ja mit den Taliban keine Migrationspartnerschaft machen und mit Assad sowieso nicht.“
Deutscher Städtetag enttäuscht
Der Deutsche Städtetag sieht kaum Fortschritte bei der Bewältigung der Migrationskrise. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy ist enttäuscht: „Die Unterschiede in den Positionen sind sehr groß.“ Dennoch hofft er auf eine Lösung bis Ostern. Im TV-Sender WELT sagte Dedy: „Natürlich, es wäre besser, wenn es heute schon Verabredungen gegeben hätte. Aber so weit sind wir nicht. Und ich glaube, wenn es eine Perspektive gibt – eine Perspektive für die Städte, für die Gemeinden, auch für die Landkreise – dann ist schon eine ganze Menge gewonnen.“
In der Kürze der Zeit sei es einfach nicht möglich gewesen, zu einer einheitlichen Bewertung der Lage zu kommen. „Wir haben noch kein Ergebnis heute, dafür sind die Positionen noch zu weit auseinander“, so Dedy. Auch das Gesprächsformat habe eine Einigung erschwert: „Die Runde war groß – und in einer großen Runde findet man nicht immer so schnell zusammen.“
Umso wichtiger sei nun, die knappe Zeit bis Ostern zu nutzen, um eine Lösung zu finden, mahnte Dedy. „Wir werden uns jetzt, bis Ostern zusammensetzen und werden uns zu Fragen von Begrenzung, auch von illegaler Migration, zu Fragen von Integration, zu Fragen, von Finanzen austauschen – und ich denke, dass da was draus werden kann.“ Viel Zeit sei das nicht, aber: „Wir haben jetzt einen ganz konkreten Zeitplan. Das ist noch ein guter Monat, aber bis dahin wollen wir etwas liefern.“
Auch der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager (CDU), zeigte sich mit den Ergebnissen nicht zufrieden. Er sagte: „Wir brauchen in Deutschland jetzt dringend Entlastung für die, die kommunale Verantwortung tragen.“ Der für die Unterbringung von Flüchtlingen erforderliche Wohnraum sei begrenzt. Ehrenamtliche und hauptamtliche Helfer stünden nicht mehr in ausreichender Zahl zur Verfügung. Dass der Bund nun angekündigt habe, Liegenschaften des Bundes auf eigene Kosten für die Unterbringung herzurichten, sei gut.
„Große Fragezeichen und keine Lösung“
Faeser hatte Vertreter der Länder und der kommunalen Spitzenverbände eingeladen, um mit ihnen über die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern und Flüchtlingen zu sprechen. Damit reagiert sie auch auf Hilferufe aus einigen Kommunen.
„Frau Faesers Migrationsgipfel endet mit großen Fragezeichen und ohne eine Lösung“, kritisierte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Die Innenministerin verweigere den Kommunen finanzielle Unterstützung, sie verweigere Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration und die schnelle Rückführung von Migranten ohne Aufenthaltsrecht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) müsse endlich selbst ein Spitzengespräch organisieren, um „Unterstützung, Entlastung und Ordnung bei den Migrationsthemen zu organisieren“.
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine waren 2022 mehr als eine Million Menschen aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland gekommen. Darüber hinaus beantragten hier im vergangenen Jahr 217.774 Menschen aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und anderen Staaten erstmals Asyl – so viele wie seit 2016 nicht. Der Trend zu mehr irregulärer Migration setzte sich auch im Januar dieses Jahres fort.
dpa/jr/ll