Flüssiggas, um Putins Gas loszuwerden

Habeck schließt Flüssiggas-Pakt mit Emir von Katar

20.03.2022
Lesedauer: 4 Minuten
Habeck verbeugt sich vor dem Energieminister von Katar, Saad Scharida al-Kaabi Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Hochbetrieb im Mini-Wüstenstaat Katar! Weil die Welt händeringend nach Alternativen zum Russen-Gas sucht, befinden sich die Scheichs am Persischen Golf in Dauergesprächen mit internationalen Spitzenpolitikern.

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi wurde schon vorstellig, der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer, der südkoreanische Ministerpräsident Kim Boo-kyum.

Klima-Minister Robert Habeck mit Scheich Mohammed bin Hamad bin Kasim al-Abdullah Al Thani (2.v.l.), dem Minister für Handel und Industrie von Katar
Klima-Minister Robert Habeck mit Scheich Mohammed bin Hamad bin Kasim al-Abdullah Al Thani (2.v.l.), dem Minister für Handel und Industrie von Katar Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Sie alle wollen nur eins: Katarisches Flüssiggas (LNG). So schnell und so viel wie möglich!

▶︎ Für Deutschland fuhr Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler Robert Habeck (52, Grüne) am Sonntag in den protzigen „Diwan“ des autokratisch herrschenden Emirs Tamim bin Hamad Al Thani (41), verhandelte dort mit dem Monarchen hinter verschlossenen Türen. Die Presse war im Palast nicht zugelassen, Bilder durfte nur ein offizieller Hoffotograf machen.

Ergebnis: Der Deal steht, Deutschland wird dauerhaft Flüssiggas aus Katar kaufen!

„Großartigerweise kann ich sagen, dass fest vereinbart wurde, eine langfristige Energiepartnerschaft, eine Kooperation einzugehen“, schwärmt Habeck. „Die Unternehmen, die jetzt auf dieser Reise mit dabei sind, werden jetzt mit der katarischen Seite in die Vertragsverhandlungen tief einsteigen.“

Robert Habeck wird zu einem Gespräch mit dem Minister für Handel und Industrie von Katar geführt
Robert Habeck wird zu einem Gespräch mit dem Minister für Handel und Industrie von Katar geführt
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Ausgerechnet in Katar, einer lupenreinen Autokratie, die Islamisten in der arabischen Welt unterstützt! Vor allem wegen des Umgangs mit seinen Gastarbeitern beim Bau der WM-Stadien ist Katar in die Kritik geraten. Menschenrechtsorganisationen sprachen von moderner Sklaverei.

ABER: Selbst Amnesty International räumt ein, dass sich seither in Katar viele Reformen umgesetzt, ein Mindestlohn eingeführt, Arbeitern weitreichende Rechte gewährt wurde.

Dazu Habeck: „In allen Gesprächen habe ich das Thema Arbeitsbedingungen, Menschenrechte, Schutz vor Ausbeutung angesprochen.“ Die katarische Seite wisse, dass die aktuelle Situation nicht akzeptabel ist. „Ich habe klargemacht, dass deutsche Firmen daran gemessen werden, wo die Produkte herkommen.“

Im Gepäck hat Habeck die Crème de la Crème der deutschen Industrie. Darunter RWE-Chef Markus Krebber, Siemens Energy-Chef Christian Bruch, die ThyssenKrupp-Vorsitzende Martina Merz, BASF-Vorstand Hans-Ulrich Engel.

Wirtschaftsminister Habeck im Regierungsflieger, BILD am Sonntag-ReporterThomas Block (2. v. l.) begleitet ihn
Wirtschaftsminister Habeck im Regierungsflieger, BILD am SONNTAG-ReporterThomas Block (2. v. l.) begleitet ihn
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

„Es waren sehr konkrete Gespräche“, sagt Habeck weiter, konkrete Abnahmezahlen wollte er aber nicht nennen. „Katar verdoppelt ungefähr sein Fördervolumen beginnend ab 2025. Das sagen sie jetzt, aber vielleicht geht das ja noch ein bisschen schneller. Europa reduziert seine Fördermenge aus Russland bis zu null.“

Das Problem: Weder kurz- noch mittelfristig kann katarisches Gas den russischen Wegfall kompensieren.

▶︎ Zum einen, weil Deutschland noch keine Anlandestation für flüssiges Gas hat (soll jetzt gebaut werden, dauert aber Jahre).

▶︎ Und zum anderen, weil Europa mehr Gas braucht, als Katar aktuell anbieten kann.

Deutschland importierte 2020 rund 56 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland, die EU insgesamt 168 Milliarden Kubikmeter. Das übersteigt bei weitem das, was Katar insgesamt fördert (2021: 106 Milliarden Kubikmeter). Den größten Teil hat Katar bereits an seine Hauptabnehmer in Asien verkauft.

„Man darf kurzfristig keine Wunder erwarten, Katar wird seine Kapazitäten nicht von einem Monat auf den anderen verdoppeln. Kurzfristig könnten eventuell einige ursprünglich für Asien vorgesehene Lieferungen nach Europa umgeleitet werden“, sagt der Energieexperte Georg Zachmann von der Denkfabrik Bruegel in Brüssel.

Und er warnt: „Katar ist nur ein Puzzle-Teil von vielen, wenn auch ein großes. Es wäre auch nicht klug, sich vom Autokraten Putin zu lösen, nur um sich im nächsten Schritt von einem autokratisch herrschenden Emir abhängig zu machen.“

Auch Habeck räumt ein: „Wir wollen langfristige, stabile Energiebeziehungen mit Katar. Aber wir wollen nicht alles, was wir an russischem Gas loswerden, mit katarischem Gas ersetzen. Wir brauchen eine Diversifizierung, breite Partnerschaften.“ Deshalb habe er schon mit Norwegen, Kanada und den USA geredet, weitere Gespräche werden folgen. „Wir müssen uns breit aufstellen.“

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